SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Spiel entwickelt von J.B. Howell, Michael Mihealsick
erschienen bei Strohmann Games
So tief runter ist David noch nie, seit er in der Gilde der Forscher ist. Aber die Chance, gutes Zeug zu bergen, ist hier einfach viel größer. Jessica, die Importeurin aus der Händlergilde, meinte, am Markt bekommt man richtig gutes Geld für die grünen Ressourcen. Hoffentlich werde ich nicht verstrahlt, denkt er, als er sich ins Wasser lässt.
(Dewey Bunnell aus „A horse with no name“)
Eine Partie Flotilla geht über eine variable Anzahl von Runden, erst wenn die ausliegenden Siegpunkte verteilt sind, wird das Ende eingeläutet. Wer am Zug ist, legt eine Handkarte mit der gewünschten Aktion ab. Jede Karte ist einer Gilde (Farbe) zugeordnet, dabei gibt es zwei Ausnahmen. Der Student kopiert die oberste Karte auf dem Ablagestapel eines Mitspielers. Der Kapitän holt nicht nur alle Karten wieder auf die Hand, sondern erlaubt es von der Sinkside auf die Skyside zu wechseln.
Jeder beginnt das Spiel auf der Sinkside. Die Hauptaufgabe hier ist es, mit seinen Schiffen weitere Teile des Meeres zu entdecken und Ressourcen aus der See zu holen. Hierbei läuft man Gefahr, sich radioaktiv zu verseuchen, was am Ende Siegpunkte kosten kann. Nach Hause gebrachte Ressourcen lassen sich auf dem Markt verkaufen.
Der Wechsel zur Skyside ist eine Einbahnstraße, es gibt kein Zurück.
Hat man gewechselt, verkauft man seine Schiffe, sammelt alle Meeresplättchen ein und dreht sein gesamtes Spielmaterial herum. Die Karten haben dann etwas andere Aktionen. Ressourcen bekommt man nur noch über den Markt. Anstatt das Meer zu erkunden, baut man jetzt mit der Rückseite der Meeresplättchen an der Flotilla. Auch die Ziel-Plättchen (Siegpunktquelle) sind jetzt andere.
Jede der vier Gilden steht für unterschiedliche Aktionen. Mit den Sprechern kann man unter anderem sein Startdeck aufwerten. Die Händler erlauben auf dem Markt Ressourcen zu kaufen oder verkaufen. Sie erlauben Aussenposten zu kaufen, um Siegpunkte für erreichte Ziel-Plättchen zu bekommen oder ein weiteres Schiff, um mehr Ressourcen aus dem Meer zu holen. Spielt man einen Gründer kann man auf der Sinkside, Ozean-Plättchen aus dem Beutel ziehen und anlegen oder auf der Skyside die Flotilla erweitern. Die vierte Gilde sind die Forscher mit denen man auf der Sinkside Ressourcen aus dem Meer holt. Hier kommen die Tauchwürfel ins Spiel, je dunkler die Farbe, je tiefer das Wasser, umso höher die Belohnung, aber auch das mögliche Pech. Auf der Skyside ist das Forschen ungefährlich, man bekommt Geld und vielleicht noch einen Bonus.
Die komplette Spielregel zu Flotilla findet ihr hier. (externer Link)
(G.B. Shaw)
Ich habe mich nicht umsonst für das Zitat von Herrn Shaw entschieden. Flottila fühlt sich an wie eine Schachtel voller Zitate. Schon das Thema hat bei mir „Waterworld – Reloaded“ getriggert. Wer erinnert sich noch an den Film mit Kevin Costner? Das Thema fand ich damals schon spannend und hat heute wegen abschmelzender Polkappen erst Recht mehr Realitätsbezug. Solche Szenarien und vor allem was es aus uns allen macht, gehen bei mir immer. Dabei hat Flottilla nicht nur ein angesagtes Thema, es wird zudem sehr gut umgesetzt. Die meisten Regeln und Mechaniken sind so gestaltet, dass sie innerhalb der Flotillawelt Sinn ergeben.
Der als Einbahnstrasse ausgestaltete Wechsel von der Sinkside zur Skyside, ist eine der interessantesten Dinge an Flottilla. Jeder kann jederzeit wechseln, aber nur einmal und niemand muss das. Für das Spiel ist es aber essenziell, dass es Crews auf beiden Seiten gibt. Nur dann funktionieren der Markt und der Sonar Track vernünftig. Nur dann entfaltet sich das Spiel vollständig und die Spielzüge der anderen haben Einfluss auf meine Welt. Sind alle auf einer Seite, ist das Spiel zwar nicht broken aber man merkt, dass etwas fehlt. Vor allem dann, wenn man das Spiel mit Crews auf beiden Seiten kennt.
Es gibt jedoch ein paar sanfte Mechanismen, beispielsweise den Markt, die einen Wechsel attraktiv machen. Der Marktmechanismus ist, by the way, Zitat Nummer eins, er wurde aus Navegador (von Mac Gerdts) entliehen.
Und weil ich immer wechseln kann, ist es ein schönes andauerndes Dilemma. Soll ich schon oder warte ich noch? Meiner Meinung nach gibt es eher ein zu früh als ein zu spät. Damit das Spiel auch auf der sonnigen Seite fliesst, sollte man eine solide Grundausstattung an Meeresplättchen und neuen Karten im Deck haben. Ist man zu früh und, noch schlimmer, allein auf der Skyside, kann es zäh werden. Unter anderem ist die Studentin dann nutzlos und man verliert oft wertvolle Runden, damit den Kapitän zu spielen. Ziehe ich die Entscheidung zu lange hin und haben alle andern schon gewechselt, ist einem die Entscheidung wahrscheinlich abgenommen worden. Dann lohnt es sich oft auf dieser Seite zu bleiben. Gewinnen kann man auch ohne zu wechseln.
Sinkside und Skyside spielen sich ausreichend unterschiedlich und sind thematisch jeweils gut eingefangen. Auf der Sinkside erkunde ich das Meer und schaue, was es zu bieten hat. Was ich gefunden habe, verkaufe ich auf dem Markt.
Auf der Skyside habe ich keine Schiffe mehr, bekomme Ressourcen nur noch über den Markt und baue ganz nach Carcassonne – Art (Zitat Nummer zwei) an der Flotilla mit. Dafür kommt man auf der Skyside deutlich schwerer an Ressourcen und Meeresplättchen.
Für beide Seiten gibt es auch unterschiedliche Zielplättchen, die wichtigste Siegpunktquelle. Hat man die Sinkside abgefischt kann man oft getrost auf die Skyside wechseln.
Das Zitat Nummer drei ist wieder von Mac Gerdts. Der Aktionsmechanismus durch die Karten und das Verbessern des Decks, wurde fast ohne Änderung von Concordia übernommen. Ich finde Concordia großartig und der Mechanismus funktioniert und passt auch hier sehr gut.
Flotilla wartet mit mehr Zufall auf, als ich es für diese Art von Spiel erwartet hätte. Immer wenn ein Forscher tätig wird, greift man zu den Würfeln. Gerade die Tauchgänge sind nicht „ungefährlich“. Man kann mehr bekommen, indem man tiefer taucht, aber dafür kann man sich mehr negative Effekte an Land ziehen. Mit genug Pech kann man ohne neue Ressourcen, zugleich verstrahlt wieder auftauchen und zusätzlich noch Meeresplättchen als abgegrast markieren müssen. Gerade zu Beginn der Partie kann das frustrierend sein. Diese Rückschläge lassen sich aber gut ausgleichen.
Ist man auf der Skyside, geht man nicht mehr tauchen, sondern forscht nur noch. In diesem Fall bestimmen die Würfel nur, ob es „gut“ oder „sehr gut“ lief. So ist das Leben auf der Skyside viel weniger gefährlich. Wer aber nicht so gerne würfelt, der sollte überlegen ob Flottilla für ihn gemacht ist.
Flotilla ist groß. Es ist was die Tischgröße angeht durchaus fordernd und es wird mit fortschreitendem Spiel und mit vier oder fünf Spielenden schnell eng.
Da sich die Plättchen der Crews nicht berühren dürfen hat man beim Bauen zusätzliche Zwänge, je mehr um den Tisch sitzen. Die Partien sind bei uns gefühlt immer viel zu lange gewesen. Wir haben auch zu dritt die 150 Minuten mehrfach gerissen. So war niemand böse, wenn am Ende der letzte Stern aus dem allgemeinen Vorrat gezogen wurde, weil sich das Spiel in die Länge zog. Wegen des gegen Ende länglichen Gameplays und der damit gefühlten Downtime, liegt für mich der Sweet Spot bei 3 Spielenden.
Mit dem Siegpunktvorrat der abgebaut wir, kann man die Spielzeit jedoch gut steuern. Wir haben den Vorrat von 100 auf 80 pro Spieler reduziert und damit eine passable Laufzeit bekommen.
Flotilla bietet eine Box randvoll mit Spielmaterial. Ich bin immer am Puzzeln, wenn ich die Schachtel nach einer Partie einräume. Es ist ein Mix aus Altbekanntem und ein paar neuen Mechanismen, die einen vor eine interessante Aufgabe stellen und mit reduzierter Spielzeit gut unterhä.
Flotilla von J.B. Howell, Michael Mihealsick
Eine gute Mischung aus altem und neuem, die gut unterhält aber über die volle Distanz etwas lang wird.
Robert:
Hinweis:
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Lieber Spiele mit Interaktion als stundenlanges solitäres Tüfteln. Gerne auch komplexes. Eher eine lange Partie als viele kurze. Kooperativ ist fein, wenn man sich nicht gespielt fühlt - Rollenspieler - Brettspielsammler mit Hang zum Minimalismus Ansonsten: Hobbykoch und ProfiEsser - softwarebegeistert - Sportlaie auf dem Mountainbike - Musikkonsument
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