SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Ross Arnold, Vladimir Suchy
erschienen bei Delicious Games, Pegasus Spiele
Woodcraft hat mich wieder an meine Zeit als Kind erinnert. Denn es gab wenige Fächer, die ich in der Schule mehr hasste als Werken. Mir fehlte einfach jegliches Talent in der Bearbeitung von Materialien, um ihnen die Form meines Willens aufzuzwingen. Gut, ich weiß, wie man eine Säge benutzt und kann auch Dinge zusammenschrauben, aber so richtig gut will es nicht funktionieren.
Ich kann mich sogar noch an eine Begebenheit erinnern, an der ich mein aktuelles Werk vor der Benotung aus lauter Frust in die Mülltonne geworfen habe. Das stellte sich im Nachgang natürlich als eher blöd heraus, da ich dann aus einer eventuellen Fünf eine Sechs gemacht hatte. Aber ihr kennt das, manchmal kann man einfach nicht aus seiner Haut und muss dem Drang nachgeben.
Inzwischen ist es besser geworden. Zwar werde ich immer noch keine großen Projekte angehen (obwohl ich schon lange einen persönlichen Brettspieltisch haben möchte), aber kleinere klappen ganz gut. Dennoch gehört es immer noch nicht zu den Tätigkeiten, denen ich liebend gerne nachgehe, aber die Feindschaft ist erloschen. Ich habe meinen Frieden damit gemacht. Und wer weiß? Vielleicht schaffe ich es dann im hohen Alter etwas aus Holz zu erschaffen, das durchaus vorzeigbar ist.
Bis dahin muss ich mich damit begnügen, diesen und anderen Tätigkeiten in Brettspielen nachzugehen. Hier kann verwirklichen, was mir im normalen Alltag nicht möglich erscheint. Manch einer möchte vielleicht sagen, dass ich mich hier einer gewissen Realitätsflucht hingebe. Aber das stimmt so nicht.
Denn das Hauptziel meines Brettspielhobbys besteht immer noch daraus eine gute Zeit mit Menschen zu haben. Mit ihnen am Tisch zu sitzen und gegeneinander anzutreten. Zu zeigen, dass die grauen Zellen noch nicht ganz eingerostet sind. Und Woodcraft ist hierfür vielleicht mit die beste Möglichkeit, das Hirn wieder auf Trab zu bringen.
(Lü Bu We)
In Woodcraft jonglieren wir mit Würfeln und deren Werten, um so Holzarbeiten zu erschaffen. Zugrunde liegt ein Aktionsauswahlmechanismus, den ich so noch nie gesehen habe. Denn wo andere Spiele einem den Zugang zu bereits gewählten Aktionen versagen, gibt es in Woodcraft diese Beschränkung nur selten. Gleichzeitig bietet es durch seinen innovativen Mechanismus die Möglichkeit, ungeliebte Aktionen gezielt aufzuwerten und so doch interessanter zu machen. Denn wählen wir ein Aktionsplättchen, wandert es in das nächste Viertel. Überschreitet es dabei den Zeiger, wird dieser gedreht und schaltet so nach und nach Belohnungen für alte Aktionen frei.
Mit den Aktionen selbst können wir zum einen Holz (in Form von Würfeln in drei Farben) besorgen oder dieses verkaufen. Gleichzeitig ist es natürlich wichtig, unsere Werkstatt auszubauen oder neue Helfende einzustellen. Außerdem können wir noch Holz einpflanzen – sofern wir die passenden Töpfe zur Verfügung haben – oder unsere Vorräte an Sägen, Leim oder Holzstücken aufstocken. Sind wir mit unserer aktuellen Aufgabe unterfordert, gibt es immer noch die Möglichkeit, weitere Aufträge an Land zu ziehen.
Die Aufträge selbst zeigen dabei drei Dinge an. Welche Materialien dafür abgegeben werden müssen, welche Belohnung dafür auf uns wartet und wo sie in unserer Skala starten. Ja, starten. Denn Aufträge werden mit jeder Ertragsphase abgewertet. Das bedeutet, dass wir weniger Belohnungen erhalten oder sogar im schlimmsten Fall Rufpunkte verlieren.
Die Holzwürfel lassen sich zum Glück auf mehrerlei Arten manipulieren. So ist es möglich, sie zu verleimen, sie zu zersägen oder ihren Wert anzuheben. Dabei ist es an uns, alle Methoden so zu nutzen, dass sie uns den größten Vorteil geben.
Ist dann eine Partie vorbei, gewinnt, wer die meisten Punkte sammeln konnte.
Die komplette Spielregel zu Woodcraft findet ihr hier. (externer Link)
(Jean de La Bruyère)
Woodcraft macht es einem nicht leicht. Es wirft einen in ein eiskaltes Becken voller Irrwege, die man alle gerne direkt verfolgen möchte. Leider braucht man etwas Anlaufzeit, damit man bemerkt, was für Möglichkeiten eigentlich im Spiel stecken. Also vorwiegend, wie man mit den Mitteln der eigenen Werkstatt am besten umgehen muss, dafür die passenden Materialien aufweisen kann und welche Aufträge man lieber liegenlässt. Das mag in der ersten Partie vielleicht noch frustrieren, schafft es jedoch mit wachsender Erfahrung durchaus Glücksgefühle auszulösen. Denn nichts fühlt sich toller an, als ein weiteres schweres Würfelmanipulationsrätsel gelöst zu haben.
Dabei kommt Woodcraft als Wolf im Schafspelz daher. Alles wirkt extrem süß und niedlich. Die Grafiken, das Material und die Tatsache, dass man Blaubeeren als Währung verwendet, täuscht darüber hinweg, mit welchem Grübelmonster man es hier zu tun hat. Eines kann ich jedoch gleich versprechen. Die erste Partie wird durchaus holprig und anstrengend werden. Vor allem dann, wenn Menschen am Tisch sitzen und das Spiel gleich auf Anhieb perfekt spielen möchten.
Aber auch so verleitet Woodcraft zu einer Analysis Paralysis Spielweise. Denn schließlich muss man nicht nur den für sich kürzesten Weg zum Ziel finden, sondern auch zur richtigen Zeit die passenden Materialien und Ausbaustufen zur Verfügung haben. Das ist mitunter schon sehr fordernd und wird uns definitiv auch das ein oder andere Mal gehörig auf die Füße fallen.
Witzigerweise bin ich trotz der ganzen Partien nie so richtig gut in Woodcraft geworden. Meine Endpunkte blieben im Allgemeinen immer im zweistelligen Bereich, selbst als ich wusste, was mein Ziel war und wie ich es verfolgen sollte, blieben mir die höheren Sphären der Punkte stets verschlossen. Macht aber nichts, denn seine Hauptaufgabe – mir Spaß zu bereiten – erfüllt Woodcraft problemlos.
Müsste ich negative Punkte aufzählen, fällt mir persönlich bei Woodcraft eigentlich nur eines ein. Es wirft teilweise etwas zu viele Knüppel zwischen die Füße. Gut, das macht das Spiel dann herausfordernd, aber ein es hätte seinen Griff dennoch ein klein wenig lockern dürfen. Ansonsten gibt es nichts groß auszusetzen. Das Spiel funktioniert, ist aber unter seiner zuckersüßen Oberfläche eine staubtrockene Angelegenheit, die nicht jedem liegen wird. Schließlich bedient es vor allem das gemeinsame solitäre Spielgefühl.
Mir persönlich hat es Spaß gemacht, auch wenn ich Woodcraft nicht als elegant komplex, sondern eher verzwirbelt kompliziert einstufen würde. Dabei baut es zwar keine Hürden auf, die nicht mit etwas gutem Willen zu meistern wären, aber so 100 % überzeugt es am Ende des Tages dann auch nicht. Aber das macht nichts. Schließlich ist Woodcraft dadurch zwar nicht perfekt, aber immer noch ein tolles Spiel für Menschen, die gerne ihr Hirn anstrengen.
Woodcraft von Ross Arnold, Vladimir Suchy
Woodcraft sorgt dafür, dass die grauen Zellen angeregt werden. Dabei zeigt es sich jedoch teilweise etwas sperrig, was dafür sorgt, dass das Spiel nicht nur komplex sondern im Einstieg auch etwas kompliziert ist.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Denny Crane
Schwerer Einstig und AP-Anfälligkeit ist leider in meiner Spielrunde ein KO-Kritierium. Sehe ich das richtig, das die Spielerinteraktion eher mäßig bis kaum vorhanden ist?
Christian Renkel
Die Interaktion liegt bei knapp über 0. Heißt du kannst dir gegenseitig was wegschnappen, das war es aber.
Denny Crane
Ne, gut, dann bin ich zufrieden das ich das Spiel bei der Spiel nicht mitgenommen habe.
Aber das Thema ist mal endlich wieder ein schön friedliches…Mal schauen was noch an Handwerk-Spielen so auf den Markt kommen