SPIELSTIL Rezension

Atiwa

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Uwe Rosenberg
erschienen bei Lookout Games

- 16.Nov.2022

Flughunde? Ein Spiel über Flughunde? Ungewöhnlich. Wie kommt man denn da drauf? So ungefähr waren meine Gedanken, als ich zum ersten Mal von Atiwa erfuhr. Nachdem mir mehr über die Bedeutung dieser Tiere erklärt wurde, verdrängte Interesse die ersten Zweifel und Bewunderung für Uwe Rosenberg aus dem Thema ein Spiel zu machen. Atiwa hat also ein Thema, das gerade in der jetzigen Zeit sehr relevant ist – cool aber haben wir auch ein Spiel, das Spaß macht?

Afrika hat seine Geheimnisse, und selbst ein Weiser kann sie nicht verstehen. Aber ein weiser Mann respektiert sie.

(Miriam Makeba)

Atiwa spielt man allein oder bis zu viert über 7 Runden hinweg.

In jeder Runde setzen die Spielenden nacheinander einen der 3 Arbeiter auf dem Spielfeld ein und führt dann die entsprechende Aktion durch. Das ist fast immer gleichbedeutend mit “nimm dir X”. Wobei “X” entweder eine Karte (Landschaften und Ortschaften) oder eine Ressource (Gold, Flughunde, Wildtiere, Bäume, Früchte, Familien oder Ziegen) ist. Gold und Flughunde kommen aus dem allgemeinen Vorrat, alle anderen Ressourcen vom eigenen Tableau.

Atiwa Spielaufbau für 2

Der Spielaufbau für 2. Der Unterschied für ein andere Anzahl Spielender ist, dass man rechts eine andere Spielbretterweiterung anpuzzelt.

Nimmt man sich etwas vom Tableau oder einen Flughund, so muss man das auf einer seiner Karten unterbringen. Wer also wachsen will, braucht mehr Platz, also Karten. Landschaften gibt es einfach durch eine Aktion. Ortschaften kosten zusätzlich Gold und Bäume, sie sind attraktiv, da sie Platz für Familien geben und zusätzlich Siegpunkte. Muss man etwas bezahlen, beispielsweise Bäume für die Ortschaften, so legt man sie wieder zurück aufs Tableau.

Hat man seinen Arbeiter eingesetzt und besitzt 3 oder mehr Flughunde und eine Frucht auf seinen Karten, dann darf man die Flughundaktion durchführen. Man nimmt 3 Flughunde legt sie auf die Nachtkarte und die Frucht, dafür bekommt man dann einen Baum.

Atiwa-Brettspielerweiterung für unterschiedliche Spieleranzahlnen

Je nachdem wie viele mitspielen, wird das Brett anders erweitert. Unten rechts sieht man für welche Anzahl die Erweiterung gedacht ist.

Haben alle ihre 3 Züge gemacht, kommt die Rundenauswertung in 7 Schritten. Einkommen für Familien, wobei ungebildete Familien die Landschaft verschmutzen. Buschtiere, Bäume und Früchte werden vermehrt. Die Flughunde kommen von der Nachtkarte zurück. Die Familien müssen ernährt werden. Vermehrung der Familien, Flughunde und andere Tiere. Immer wenn man neue Marker durch Vermehrung bekommt, muss man sie auch auf den Karen unterbringen können, ansonsten darf man den Marker nicht nehmen.

Nach 7 Runden ist die Partie zu Ende und die finale Siegpunktauswertung kommt. Siegpunkte gibt es mehr oder weniger für alles, was man im Spiel erreichen kann. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt.

Originalität ist das Wesen wahrer Gelehrsamkeit. Kreativität ist die Seele des wahren Gelehrten.

(Nnamdi Azikiwe)

Robert meint:

Uwe Rosenberg hat mit Atiwa ein besonderes Thema in ein Spiel gegossen. Es zeigt wunderschön, wie wichtig so kleine Tiere für ein funktionierendes System in unserer Welt sein können. Es ist das erste Spiel, das ich kenne, in dem man sich über die Ausscheidungen von Tieren freut. Im Spiel ist der nächtliche Ausflug der Tiere gar nicht so relevant. “Schickt” man 3 Flughunde fort, fressen sie eine eigene Frucht, als Belohnung steht dann ein neuer Baum im Garten. Im echten Leben kann man anscheinend mit einer Kolonie von 150.000 Tieren jährlich 800 Hektar Wald aufforsten. Schön nachzulesen im beigelegten Heftchen, das den Hintergrund des Spiels erklärt.

Mit der Vermehrung der Buschtiere, Bäume und Früchte wird ein weiteres stark verzahntes System aufgezeigt. Ausnahmsweise zitiere ich mal die Regel, in der Uwe schreibt: “Dieser Schritt spiegelt den Lauf der Natur wider: Buschtiere essen Früchte, scheiden die Samen aus, wodurch neuer Bäume entstehen. Auf Bäumen wachsen Früchte, die neue Flughunde anlocken.”

Atiwa - Spielertableau

Je weiter man sein Tableau leerräumt umso mehr bekommt man in der Rundenauswertung. Man geht die Reihen von oben nach unten durch.

Wie fragil diese Systeme sind und wie schnell sie außer Tritt geraten können, zeigt das Spiel ebenso. In der Rundenauswertung geht man genau durch dieses System, das auf dem Tableau nachgebildet ist. Fehlt ein Glied in der Kette oder der Platz, geht es nicht weiter, das System stockt. Der Mensch spielt natürlich auch seine Rolle. Kommt er ins Spiel, jagt er Flughunde, verspeist sie und verschmutzt nebenbei die Landschaften, die damit unbrauchbar werden. Als Lösung bietet Uwe hier Bildung und Aufklärung an. Spielerisch hat es den “Nachteil”, dass diese Familien schwieriger zu ernähren sind, da sie keine Flughunde mehr essen. Man muss also für Alternativen sorgen.

Atiwa - Das Spielbrett nach ein paar Zügen

So sieht das Spielbrett nach ein paar Zügen aus.

Inzwischen hat wohl jeder gemerkt, dass ich ein solches Thema in einem Spiel sehr spannend finde. An einer Ecke komme ich immer wieder ins Stutzen. Die größte Siegpunktquelle sind nicht die Flughunde, sondern Familien und Ortschaften, die am meisten Familien beherbergen können. Ich bin mir nicht sicher, was Uwe damit aussagen möchte oder ob das einfach der Mechanik geschuldet ist.

Die große Frage ist jetzt aber reicht das Thema für ein gutes Spiel. Ich beantworte das mit einem ganz klaren “Jein”.

Atiwa trägt ganz klar die Handschrift von Uwe Rosenberg. Es ist ein klassischer mittelgewichtiger Workerplacer. Trotz der umfangreichen Regel ist das Brettspiel recht niederschwellig im Zugang. Nach ein paar Runden hat man die Mechanismen im Griff und die Züge gehen flotter. Aber natürlich kann es für Grübelstarriker zur Falle werden. Gerade gegen Ende neigt man dazu, die Züge immer weiter zu optimieren, um noch die meisten Siegpunkte aus den Zügen zu quetschen. Die Komplexität von Atiwa ist gerade so, dass man sich zutraut alles bis zum Ende durchzudenken. Manche Spielenden haben das Gefühl, dass Atiwa “Knackbar” ist, sich also ein optimaler Weg fürs Spiel gut finden lässt.

Atiwa nur echt mit "NNN" :-)

Atiwa nur echt mit „NNN“ 🙂

Atiwa spielt sich insgesamt sehr nett, entspannt und unaufgeregt. Nett und entspannt, weil die Zwänge sich nie erdrückend anfühlen. Man hat immer Möglichkeiten und man greift selten zu Verlegenheitszügen. Ja, manchmal wird einem das Feld weggeschnappt, das perfekt gewesen wäre, aber es gibt fast immer etwas, das beinah genauso gut ist. Es gibt genug Optionen auf dem Brett. Dabei kann man sich auch kaum in eine Sackgasse spielen, Atiwa verzeiht Fehler. Unaufgeregt, weil man fast gänzlich befreit von störender Interakation mit anderen ist. Außerdem hat man keinen Schimmer, wie gut es bei den anderen läuft, da alle Punkte erst am Ende festgestellt werden.

Atiwa - Die Figuren für die Flughunde

Die Flughunde.

Die fehlende Interaktion ließ bei uns oft alle Gespräche am Tisch verstummen, man stierte nur noch aufs eigene Tableau. Es ist ja auch mehr oder weniger irrelevant, was die anderen machen. Teilweise schoben sich Züge immer mehr ineinander. Während ein Spielender noch die optionale Flughundaktion machte, lande der nächste Meeple schon auf dem Spielbrett. Sogar die Rundenauswertung machten wir irgendwann völlig eigenständig. Sie ist zwar eine der befriedigendsten Aktionen im Spiel, wenn die Kette von oben nach unten gut läuft. Die Freude darüber teilte man nicht, genauso wenig den Frust, wenn die Nahrung mal nicht reichte. Das kann man sicher anders gestalten, dafür benötigt man etwas Disziplin das Spiel fordert es nicht ein.

Hat man ungeschulte Familien bringen diese jede Runde jeweils eine Verschmutzung in die Landschaft.

Atiwa ist ein nettes Spiel mit einem tollen Thema, aber auch nicht mehr. Kein Rosenberg, den man unbedingt in der Sammlung haben müsste, wenn man schon welche von ihm hat. Wer etwas zwanglos vor sich hin knobeln möchte, ist gut damit bedient. Die Komplexität erreicht bei Weitem nicht die anderen Worker Placer von ihm. Damit dürfte die Zielgruppe insgesamt größer sein und einen Einstieg in die Rosenbergschen Workerplacer bieten.

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.

Atiwa von Uwe Rosenberg

Atiwa - Cover

Ein netter, mittelschwerer und typischer Rosenberg Workerplacer, der mit seinem tollen Thema punktet.

Spielstil – Wertung

Robert:

7/10
Das gefiel uns
  • Tolles Thema, prima umgesetzt
  • Man kann immer was tun, kaum Ausweichzüge
  • Verzeiht Fehler
Das nicht so
  • Extrem Solitär
  • Bei den Siegpunkten werden Dinge belohnt, die eigentlich vom Thema abweichen
Hier bekommt ihr „Atiwa“

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Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

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Robert Alstetter

Brettspieler und auch Sammler mit Hang zum Minimalismus - Rollenspieler D&D 5e - Hobbykoch und ProfiEsser - softwarebegeistert - Sportlaie auf dem Mountainbike - Musikkonsument

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