SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Nuno Bizarro Sentieiro, Paulo Soledade
erschienen bei Huch!, Pyhtagoras
Man kann über Brettspiele vieles sagen. Unter anderem, dass die Themenwahl auch mal in geschichtliche Bereiche vordringt, die man nicht auf dem Schirm hatte. So wie bei Asian Tigers. Dies ist kein weiteres Zoo-Spiel, in dem wir den namensgebenden Tieren ein perfektes Zuhause bieten müssen. Nein, denn bei den Asian Tigers handelt es sich um vier extrem erfolgreiche Volkswirtschaften im asiatischen Raum. Doch was haben Südkorea, Taiwan, Singapur und Hong-Kong denn mit dem Brettspiel zu tun?
Laut Hintergrund von Asian Tigers so viel, dass sich die Märkte in den 1960ern öffnen und wir als internationale Investoren dort tätig werden dürfen. So stecken wir Stück für Stück Geld in die Infrastruktur vor Ort, um ein großes Stück vom Kuchen abzubekommen.
Wie viel Wahrheit in dem Thema steckt, weiß ich nicht, aber Wirtschaftsspiele empfand ich schon immer als reizvoll. Hier kann ich mal in anderen Sphären tätig werden. Geld investieren und dabei massive Risiken eingehen. Spüren, wie belohnend es sich anfühlen kann. Aber auch wie schmerzhaft das Scheitern ist. So landete Asian Tigers direkt auf meinem Radar.
Nun haben wir intensiv spekuliert, uns gegenseitig ausgebootet und wissen, ob und für wen sich Asian Tigers lohnt.
Im Kern ist der Ablauf von Asian Tigers ganz einfach. Bist du am Zug, setzt du deinen am weitesten links befindlichen Arbeiter ein und löst die Aktion aus. Die Aktionen umfassen dabei Investition in eine Volkswirtschaft oder Verkauf von Waren an den Weltmarkt. Das war es schon. Doch ganz so einfach macht es uns das Spiel nicht. Bitte entschuldigt, wenn die folgenden Worte ein klein wenig wie Textaufgaben aus dem Matheunterricht wirken.
Investieren wir in eine Volkswirtschaft, müssen wir uns jeweils entscheiden, ob wir dies in Spalte A, B oder C tun. Dabei legt die erste eingestellte Farbe fest, welche Arbeiter in der Spalte platziert werden dürfen. Gleichzeitig dürfen Farben nicht doppelt vorkommen. Heißt ist Spalte B schon mit grauen Arbeitern besetzt, dürfen in Spalte A und C keine grauen platziert werden. Die Spalte bestimmt, in welchem Gebiet der Volkswirtschaft wir investieren dürfen. Dabei ist Spalte A die wertigste, da diese den Zugriff auf alle Bereiche zulässt, während C am geringsten anzusehen ist, da hier nur die Spalte C betroffen ist.
Investieren bedeutet im Spiel, dass wir eine Infrastruktur bauen. Auf unserem Tableau befinden sich 6 Fabriken und 24 generische Infrastrukturen. Letzteres bedeutet, dass erst ihr Einsatz auf dem Spielfeld festlegt, welcher Art sie sein werden. Also Labor, Kraftwerk, Universität oder Fakultät. Klingt komisch, ist aber so. Egal, was wir bauen, wir werden dafür belohnt. Mal mit Investitionspunkten, Ressourcenmarker, Vergünstigungen auf den Fabrikbau oder einem aufgedruckten Bonus.
Wir bauen zusätzlich aus zwei weiteren Gründen. Zum einen, um Felder auf unserem Tableau freizuspielen und den dort aufgedruckten Bonus zu erhalten. Zum anderen, um Mehrheiten in einer Region zu erschaffen. Denn alles, was wir bauen, führt zu Investmentpunkten. Und je höher meine Platzierung in den Investmentpunkten, desto mehr Einfluss bekomme ich in der Region. Und führe ich mit dem Einfluss, habe ich die Chance auf eine Spezialflagge (man könnte diese auch Joker nennen). Aber zu Flaggen kommen wir später.
Denn zuerst müssten wir noch klären, was es mit dem Weltmarkt auf sich hat. Dies ist nicht nur die zweite Einsetzmöglichkeit für Arbeiter, sondern auch eine lukrative Quelle für Flaggen. Auf dem Weltmarkt verkaufen wir Waren, die wir zuvor erwirtschaftet haben. Dabei gibt jede Nation vor, welche Waren sie haben möchten. So ist Europa zum Beispiel an Automobilen und Maschinen interessiert. Dafür erhält man dann die jeweils oberste Flagge, wie auch die abgedruckten Punkte auf der Weltmarktleiste.
Die Flaggen weisen wir farblich passenden Zielen zu. Je mehr Flaggen, desto mehr Punkte bekommen wir für die Erfüllung der Ziele. Habe ich beispielsweise einen Satelliten gestartet oder mindestens 8 Investmentpunkte erreicht. Die Anzahl der Regionen, die das erfüllen, werden am Ende mit den zugeordneten Flaggen multipliziert und sorgen somit richtig eingesetzt für eine Menge Wohlstandspunkte (übersetzt Siegpunkte). Damit aber nicht genug, denn auf der Weltmarktleiste gibt es Meilensteine und diese werden noch mit der Anzahl unterschiedlicher Flaggen multipliziert und verpunktet. Abgerundet wird das noch mit den erzielten Punkten aus den Einflussleisten der einzelnen Asian Tiger. Wer am Ende die meisten hat, gewinnt.
Die komplette Spielregel zu Asian Tigers findet ihr hier. (externer Link)
Na, wer hat bei der Spielübersicht lauter Fragezeichen über dem Kopf gehabt und sich gefragt, ob das Spaß machen kann? Keine Angst, ihr seid nicht allein. Schon ein Blick auf das nackte Spielfeld schreckt viele potenzielle Mitspieler ab. Denn hinter der erwarteten Wirtschaftssimulation versteckt sich die Sexyness von Excel als Brettspiel. Gleichzeitig fragt man sich nach der Erklärung, was das denn jetzt genau sein soll. Aber was steckt denn nun in Asian Tigers?
Asian Tigers ist kein Spiel für jedermann. Es ist auch eine kleine Mogelpackung. Denn die erwartete Wirtschaftssimulation bleibt vollends aus. Außer, man kann hinter ein seelenloses Makromanagement blicken, das alles irgendwo auf blanke Zahlen reduziert. Das wird schon damit klar, dass in unserem großen Plan die Stätten, in die wir investieren, alle vollkommen gleich aussehen. Ja, sie haben unterschiedliche Auswirkungen, aber auf dem Papier ist erst einmal ein großer Teil identisch.
Auch müssen wir uns nicht um so billige Fragen wie Zulieferungen in die Fabrik und die Produktion von Gütern einmischen. Nein, wir bauen eine Fabrik, haben dann eine Warenart freigespielt und schließen mit dieser eine Art Liefervertrag ab. Dann ist die Fabrik sozusagen beschäftigt und wir können uns wieder komplett anderen Dingen zuwenden. Zum Beispiel den vielen Bonussen und damit einhergehenden Verkettungen, die dadurch ausgelöst werden.
Und davon hat das Spiel eine ganze Menge. Beginnend auf dem Tableau und endend mit den Flaggen und wie wir sie zuordnen. Gefühlt könnte man an allen Ecken und Enden Stellschrauben drehen. Und das wird definitiv dazu führen, dass man an der einen oder anderen Stelle im Spiel hängen bleibt und verzweifelt überlegt, welcher Weg nun der richtige ist, wo man rein sollte, was man aus den Augen lassen könnte. Das führt zu interessanten Entscheidungen, aber auch zu einem anderen Phänomen.
Graf Zahl hätte seine wahre Freude mit Asian Tigers. Denn ihr werdet zählen, zählen, zählen. Bei jedem Asian Tiger, in dem ihr vertreten seid, werdet ihr immer wieder zählen, ob ihr nun die passende Mehrheit habt oder doch eure Gegner. Und hier müssen stets alle Investitionen im Auge behalten werden. Das hätte man über eine Leiste komfortabler gestalten können. Und die vier Leisten mehr wären auch nicht mehr ins Gewicht gefallen. Denn Leisten haben wir im Spiel mehr als genug.
Und dennoch hat mich Asian Tigers gut unterhalten. Erstaunlicherweise muss ich sagen. Denn gefühlt wehrt sich das Spiel mit Händen und Füßen, mir gefallen zu wollen. Doch dann war ich wieder drin in der Makroökonomie, meinen Entscheidungen und dessen Auswirkungen. Dabei würde ich eine Partie nicht mal als sonderlich spannend bezeichnen, aber als interessantes anderes Erlebnis, das ich genossen habe.
Trotzdem wurden die Pausen zwischen den Partien immer länger. Asian Tigers war keins der Spiele, die ich unbedingt immer und immer wieder spielen wollte. Dafür war es am Ende doch zu trocken und zu weit davon entfernt, was mir wirklich Freude bereitet. Was übrig bleibt, ist ein gutes Spiel, das ein Erlebnis bietet, aber dann doch eher unregelmäßig auf dem Tisch landet.
Asian Tigers von Nuno Bizarro Sentieiro, Paulo Soledade
Eine trockene, aber teilweise doch reizvolle Angelegenheit. Blickt man erst einmal hinter die Kulisse weiß Asian Tigers zu gefallen, auch wenn es sich gefühlt dabei wehrt.
Christian:
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