SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 4 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Cyril Blondel, Jim Dratwa
erschienen bei HeidelBÄR Games
Es gibt Spiele, die sieht man und man ist sofort verliebt. Es stimmt einfach alles. Die verwendeten Zeichnungen, die Farbgestaltung, das Thema. Alles geht Hand in Hand mit dem eigenen inneren Kind und lädt einen in einen puren Tanz der Vorfreude ein. Dann gibt es noch so Spiele wie Anansi, die – für meinen Geschmack – gefühlt alles daran setzen, dass man sie keines zweiten Blickes würdigt. Und so war auch die Optik, die mich erst einmal abschreckte. Mich von dem Stichspiel in einen Ozean der Möglichkeiten wegtrieb, stets nach der nächsten wunderschönen Spieleinsel suchend.
Dann kam die Castle Tricon und mein Besuch der einzelnen Spieltische. Dort stieß ich wieder auf Anansi. Das Wiedersehen nutzte ich, um meine Vorurteile gegen das Spiel bestätigen zu lassen. Das führte so weit, dass ich keine eigene Partie suchte, sondern einfach einer anderen zusah. Und erneut ließ mich die Optik eher erschauern als frohlocken. Doch dann war da dieses eine kleine Detail, das dann doch meine Neugierde weckte. Die ungewöhnliche Stichansage. Und so kam Anansi doch noch auf meinen Spieltisch, um ausgiebig getestet zu werden.
(Sabine Hübner)
Im Kern ist Anansi ein einfaches Stichspiel. Farben müssen bedient werden und die höchste Karte heimst den Stich ein. Kann nicht bedient werden, muss man Trumpf spielen. So weit, so normal.
Das erste, was das Spiel von anderen Stichspielen unterscheidet, ist, dass man anstatt eine Karte in den Stich zu spielen, diese vor sich ablegen darf. Daraufhin wandern die darauf abgebildeten Zuhörer in den eigenen Bereich. Doch so punktet man noch nicht. Man muss sie erst begeistern. Das geschieht durch die gesammelten Stiche. Jeder davon dient dazu, einen Zuhörer zu begeistern und in Punkte umzuwandeln.
Damit aber noch nicht genug. Denn die vor einen selbst abgelegten Karten wandern danach in die Mitte, sortiert nach ihrer Farbe und beeinflussen damit den aktuellen Trumpf. Das bedeutet, dass innerhalb einer Partie die Trumpffarbe mehrfach wechseln kann.
Nach drei Runden ist das Spiel vorbei und es gewinnt der Spieler, der die meisten Punkte sammeln konnte.
(Peter Bichsel)
Ich weiß, ich weiß. Man sollte ein Buch nie nach seinem Umschlag beurteilen. Aber nicht jedes Mal hat diese einfache Weisheit recht. Viel zu häufig würden wir uns wünschen, dass wir uns auf unser erstes Gefühl verlassen hätten. So nicht bei Anansi. Es erfindet das Genre des Stichspiels nun nicht auf revolutionäre Art und Weise neu, belebt dieses jedoch mit Details, die dafür sorgen, dass ich mich umstellen muss. Wann ist der perfekte Moment, um Zuhörer zu gewinnen? Welche Karten verwende ich dafür und möchte ich, dass sich die Trumpffarbe dadurch in diese Richtung entwickelt? Alles Bereiche, die ich genieße und die meine Pläne auch gerne einmal sabotieren. Aber darin besteht schlussendlich der Reiz. Wenn man nicht scheitern kann, gibt es keine Spannung. Und wenn ich ein Spiel ohne Spannung haben möchte, nehme ich Tempo kleine Schnecke.
Die Idee mit den Zuhörern und wie sie die Trümpfe beeinflussen, gefällt mir extrem gut. Endlich reicht es nicht, dass ich nur hohe Karten habe. Denn auch dann muss ich tricksen, damit ich nicht am Ende wieder punktlos dastehe, obwohl ich viele Karten an mich nehmen konnte. Wann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich das Spiel an mich reißen sollte? Und wer spuckt mir dabei dann doch noch in die Suppe?
Die Optik ist dabei weit weniger schlimm, als sie auf den ersten Blick auf mich wirkte. Und während ich das glänzende Neon-Design dann doch irgendwann lieb gewonnen habe – weil es eben anders ist als bei anderen Spielen – habe ich mit Anansi ein anderes Problem. Es ist viel zu kurz.
Eine Partie geht nur drei Runden. Gut, es verbietet mir niemand mehr Runden zu spielen. Außerdem ist es ein gutes Zeichen, wenn ich mehr von einem Spiel fordere, aber warum es diese Regelung ins Spiel geschafft hat, bleibt mir ein Rätsel. Soll es die Einfachheit des Spiels kaschieren? Denn mit nur drei Farben und ohne Sonderkarten ist es natürlich auf das Minimum eines Stichspiels reduziert. Es gibt wenige überraschende Wendungen, sondern einfachen Standard im Ablauf. Das macht es natürlich leichter, das Spiel zu vermitteln, doch auf lange Sicht gesehen fehlt dann einfach etwas.
So ist Anansi für mich ein tolles Einsteiger-Stichspiel mit interessanten Mechaniken. Sinnbildlich hat es alles, was einen tollen Eintopf ausmacht. Außer Gewürze, die das Gericht auf eine überraschende Ebene heben.
Anansi von Cyril Blondel, Jim Dratwa
Ein einfaches, schnelles Stichspiel mit interessanten Ideen. Jedoch hätte Anansi etwas mehr Würze gut getan.
Christian:
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