SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 13 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Toni López
erschienen bei Alley Cat Games
Vor meiner Beschäftigung mit Ada’s Dream war mir der Name Ada Lovelace und ihre Rolle in der Vergangenheit überhaupt nicht bewusst. Nun weiß ich, dass man sie durch ihre reale Arbeit durchaus als erste Programmiererin der Geschichte bezeichnen kann. Und das lange, bevor überhaupt der erste Gedanke an einen Computer als Vision existierte.
Für diesen Artikel müssen wir nicht tiefer in ihren Werdegang eintauchen, dient sie doch als eher fiktionale Stütze für das Brettspiel. Aber ich empfehle allen, sich etwas näher mit Ada Lovelace zu beschäftigen, welche für diverse Überraschungsmomente sorgen dürfte.
Gehen wir aber zurück zu Ada’s Dream, dem Brettspiel, das wir heute besprechen. Hier sollen wir Ada Lovelace dabei unterstützen, sozusagen den ersten Computer der Welt zu bauen. Eine Differenzialmaschine, mit der sich einfache Mathematik abbilden lässt.
Doch kann man ein solch trockenes Thema überhaupt interessant gestalten? Wie schwer ist der Einstieg in das Spiel? Für wen ist es geeignet? Und vor allem macht das Spaß? All das klären wir hier und heute.
(Ada Lovelace)
Zu Beginn einer Partie habe ich noch kaum etwas. Ein paar Ressourcen, etwas Geld und einen Stapel voll Gönner, die uns bei unserem Plan unterstützen möchten. Doch wie gehe ich das Problem überhaupt an? Ein Zug ist im Kern ganz einfach. Nimm entweder einen Würfel oder setze einen Würfel in deine Maschine ein und löse damit die zugehörige Aktion aus. Doch der Teufel liegt wie immer im Detail.
Zuerst einmal benötigen wir aber einen Würfel. Diese werden wir uns im Laufe einer Partie immer wieder besorgen, da sie den Dreh- und Angelpunkt darstellen. Im sogenannten Workshop befinden sich sechs Würfelfelder, auf denen zu Beginn jeweils drei Würfel zufällig verteilt liegen.
Jetzt wäre es einfach, wenn man nur einen Würfel nehmen würde, aber auch hier darf geknobelt werden. Schließlich sind diverse Überlegungen anzuwenden. Zum einen sind alle sechs Felder mit eigenen Boni kombiniert, die für die jeweilige Spielsituation mal mehr, mal weniger interessant sind. Zum anderen muss ich immer einen Würfel von einem Feld ins Nachbarfeld ziehen und dort einen Würfel rausschieben, der gleich hoch oder niedriger ist, als der verschobene Würfel. Durch Abgabe von Kohle lässt sich dies zwar beeinflussen, aber die Entscheidung sollte nicht leichtfertig getroffen werden.
Schließlich beeinflusst dies nicht nur den Bonus, den wir erhalten, sondern auch den Würfel. Und dessen Wert und Farbe sind wichtig! Die Farbe bestimmt, welche Aktion wir später mit diesem Würfel auslösen können und ob wir einen Bonus auf der Forschungsleiste des passenden Bereichs erhalten. Die Zahl beeinflusst, ob wir eine unserer Gönnerkarten ausspielen und aktivieren können und wie sich die Zahl später auf unsere Siegpunkte auswirkt.
GÖNNERKARTEN
Die Hauptquelle für Siegpunkte ist die Differenzialmaschine, die wir im Verlauf der Partie bauen werden. In diese setzen wir zuvor gesammelte Würfel ein, wenn wir ihre Aktion auslösen möchten. Gleichzeitig müssen wir immer wieder Zahnräder gegen Abgabe von Rohstoffen einbauen, damit am Ende kleine Rechenaufgaben entstehen.
Hierfür haben wir jeweils drei Zeilen und drei Spalten zur Verfügung, die jeweils aus drei Würfeln und zwei Rechenzeichen bestehen. Die Würfel können dabei – wie gewohnt – eine Zahl von eins bis sechs annehmen. Als Zeichen dienen uns Zahnräder mit Plus, Minus und Mal.
Bauen wir also zum Beispiel eine Zeile in der 6 – 1 x 6 eingebaut ist, erhalten wir für diese am Ende des Spiels bis zu 30 Siegpunkte. (Anmerkung: Punkt vor Strich ist mit der Maschine nicht möglich, sie rechnet stur von links nach rechts). Aber auch nur dann, wenn wir die Dampfleiste entsprechend verbessert haben. Sie stellt das Maximum dar, wie viele Siegpunkte überhaupt je Rechenoperation generiert werden können. Es bringt also nichts überall Sechsen einzusetzen, wenn wir der Maschine nicht genügend Dampf zur Verfügung stellen.
Wir haben ja schon festgestellt, dass die Farbe der Würfel bestimmt, welche Aktion ausgelöst werden kann. Hier haben wir genretypisch ein paar Minispiele, die ihrerseits wieder dafür da sind, um Siegpunkte zu generieren und uns das Leben etwas zu vereinfachen.
Die lila Würfel sind Ada’s Werkstatt zugeordnet. Hier dürfen wir uns eine ausliegende Lochkarte (also ein Programm) aussuchen und in unsere Maschine einbauen. Auf jeder Lochkarte ist eine Bedingung aufgedruckt, die man mit den zugehörigen Würfeln erfüllen muss, um Punkte zu erhalten. Davon gibt es diverse. Nur gerade Zahlen, aufsteigende Zahlen, nur Dreien und Vieren, nur blaue Würfel und vieles mehr. Um hier noch einen Batzen Punkte herauszuholen ist Planung wichtig.
Zusätzlich dürfen wir uns als Bonus noch ein +-Zahnrad, ein Notizbuch nehmen (die behandeln wir später) oder eine Karte aus der Werkstatt auslösen. Letztere gibt uns einen sofortigen Bonus und bringt uns später auf der jeweiligen Forschungsleiste voran, wenn wir uns einen Würfel der passenden Farbe nehmen.
Ein blauer Würfel lässt uns in England umherreisen. Hier können wir unseren Weg beliebig wählen, sofern wir über genügend finanzielle Mittel verfügen. In kleinen Städten dürfen wir uns eine Belohnung abholen. Doch besser sind die großen Universitäten, an denen wir einen Vortrag halten.
Denn neben einer Belohnung, dürfen wir eine unserer Scheiben einsetzen. Und das hat verschiedene Vorteile. Zum einen Siegpunkte am Ende des Spiels. Aber auch ein weiteres freies Feld auf unserer Maschine, um ein Zahnrad einzubauen! Denn was bringt eine Maschine, wenn sie nicht rechnen kann?
Um Ada’s Traum zu verwirklichen müssen wir uns auch mit berühmten Gönnern treffen, die uns bei unserem Vorhaben unterstützen. Dies machen wir mit dem gelben Würfel. Gegen Abgabe von Geld oder Inspiration setzen wir eine unserer Scheiben in eines der Zimmer. Auch dies eröffnet uns einen weiteren Bauplatz für ein Zahnrad. Aber am Ende des Spiels gibt es hier noch eine Mehrheitenwertung, die mit den von uns gesammelten Karten gekoppelt sind.
Denn nach dem Einsetzen der Scheibe wählen wir eine neue Karte für unser Deck aus. Auf dieser befindet sich neben einem Bonus noch eventuelle Siegpunkte und ein Zeichen für die Mehrheitenwertung der Räume. Damit die Entscheidung nicht allzu leicht fällt, müssen wir für jede neue Karte im Deck eine alte entsorgen. Denn das Deck umfasst immer genau acht Karten und das will genau geplant sein.
Kommen wir noch zum grünen Würfel. Hinter diesem verbergen sich die Institutionen. Eine Reihe von Bonusfeldern, bei denen man Inspirationspunkte gegen Boni eintauschen kann. Auch hier setzen wir eine unserer zuvor erwähnten Scheiben ein.
Doch nicht nur die Belohnung selbst ist unser Ziel. Nein, wir versuchen auch hier Mehrheiten in den einzelnen Zeilen zu erhalten, was am Ende des Spiels für weitere Siegpunkte sorgen wird.
Zum Abschluss jedes Zuges gibt es noch eine wichtige Entscheidung zu fällen. Möchte ich gegen Abgabe der nötigen Ressourcen ein Zahnrad in die Maschine einbauen oder eine Sonderaktion nutzen? Für Letzteres müssen wir ein Notizbuch abgeben und dürfen daraufhin die spezielle Aktion unseres eben verwendeten Feldes nutzen.
So können wir zum Beispiel im Workshop – wenn wir einen neuen Würfel nehmen – den Dampf erhöhen oder uns in den Hinterzimmern ein Multiplikator-Zahnrad sichern.
Aber das war es dann auch noch nicht, was man im Spiel erreichen kann. Wir hatten ja schon die Forschungsleisten erwähnt. Schafft man es in diesen weit genug voranzuschreiten, schaltet man Sonderaktionen frei, die man nutzen darf, wenn man die jeweilige normale Aktion auslöst. So gibt es in Ada’s Werkstatt weitere Belohnungen, auf den Reisen freie Bewegungen, im Hinterzimmer die Möglichkeit Karten kostenlos auszuspielen und bei Institutionen zusätzliche Boni.
Ich weiß, ich war hier recht ausführlich. Aber ich wollte aufzeigen, welche Möglichkeiten im Spiel stecken. Das wirkt nun vielleicht etwas überfordernd, aber es ist alles halb so schlimm. Denn der Ablauf des Brettspiels ist im Kern erst mal eines. Nimm einen Würfel oder setze einen Würfel ein. Alles dazwischen ein Bonus, den man verwenden kann und meistens lohnt es sich, sich auf einzelne Bereiche zu konzentrieren, als in allen perfekt zu sein.
(Ada Lovelace)
Ich habe es ja schon gesagt. Ada’s Dream wirkt zuerst einmal erschlagend. Doch die Erklärung der einzelnen Bereiche klingt viel schlimmer, als es dann tatsächlich ist. Schließlich bringen zwar alle ihre Kernmechaniken mit, sind jedoch alle so logisch aufgebaut, dass man ihrem Verlauf einfach folgen kann. Aber Vorsicht! Das trifft nicht unbedingt auf die Auswirkungen der Entscheidungen zu, für die es durchaus etwas Erfahrung benötigt.
So wird man zu Beginn schon mal in zwei Denkfallen rutschen. Die erste wäre, dass vor allem die Zahl entscheidet, ob ich einen Würfel nehmen sollte oder nicht. Nein, denn dann wirst du dich früher oder später in der Situation befinden, dass du eben aus drei möglichen Aktionswürfeln wählen kannst, du aber eigentlich lieber etwas anderes machen müsstest.
Die zweite Fehlannahme ist, dass sich Minuszahnräder nicht lohnen, sondern eher bestrafen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Sie sind günstiger, als die anderen Zahnräder und verhindern schon einmal Minuspunkte für leere Felder. Aber gleichzeitig helfen sie auch, dass Siegpunkte erst zustande kommen. Denn nur komplett gefüllte Zeilen werden berechnet und nichts ist ärgerlicher, als wenn ich gar keine Punkte bekomme, nur weil mir noch ein Kupfer fehlt.
Wir sollten unbedingt Zahnrad-Bauplätze freimachen.
So wird man sich und das Brettspiel die ersten Partien erst einmal ausprobieren. Man wird Fehler machen und versuchen diese beim nächsten Mal zu beseitigen. Nur um festzustellen, dass Ada’s Dream weitere Fehler für einen bereithält. Aber wisst ihr was? Das mag jetzt masochistisch klingen, aber das ist einfach toll!
Eine Partie Ada’s Dream ist gefühlt voller wichtiger Entscheidungen und Knobeleien. Gleichzeitig gibt es einem aber auch genügend Werkzeuge an die Hand, um die Probleme zu bewältigen und zu beeinflussen. Man muss nur wieder entscheiden wofür man seine endlichen Ressourcen ausgibt und vor allem, ob es sich lohnt weitere zu besorgen. Und vor allem, welche? Und in welcher Höhe?
Denn es gibt keine Engine, die einen unterstützt, keine automatisierten Einkünfte, die man Runde um Runde bekommt. Was man benötigt, muss aktiv von uns gefördert werden. Doch es gibt viele Möglichkeiten und Verkettungen. Diese zu erkennen macht mir persönlich Spaß.
Das Deluxe-Material ist ein Blickfang.
Kommen wir zu unseren lieben Mitspielenden. Wie viel Interaktion haben wir mit ihnen, wie können sie unser Spiel beeinflussen? Genretypisch kümmern wir uns erst einmal um uns selbst. Unser Tableau, Karten und Ressourcen gehören uns und niemand kann uns hier beeinflussen.
Anders sieht es mit Würfeln und den Aktionsfeldern aus. Hier haben wir zwei Arten von Interaktion. Eine indirekte Art, über die Würfelwahl. Und hier wird man immer wieder kurze emotionale Ausbrüche bemerken. Immer dann, wenn Mitspielende den zuvor erdachten Plan durchkreuzen, indem sie die Würfel durcheinanderbringen. Doch es gibt hier noch eine weitere Ebene, statt nur weggeschnappte Würfel. Man kann anderen auch Vorlagen bauen.
Denn immer dann, wenn ein Würfelbereich im Workshop komplett geleert wird, bekommt man nicht nur den Bonus für das Zielfeld, sondern auch das leere Feld. Und diese Vorlage möchte ich nur ungern liefern. Das ist ein weiterer Punkt, den ich in meine Überlegungen mit einbeziehe. Welchen Würfel möchte ich und ist er mir eventuell so wichtig, dass ich anderen einen doppelten Bonus gönnen würde?
Hier hätten wir aktuell zwei Möglichkeiten zu einem doppelten Bonus.
Auf den Aktionsfeldern sieht es dann wieder anders aus. Hier gibt es schließlich Mehrheiten (Hinterzimmer und Institute) zu gewinnen, Boni für frühe Besuche von Universitäten (Reisen) und lukrative Bonusplättchen (Forschungsleisten), die ich passend zu meinem Spielstil nutzen kann.
Ada’s Dream hat also durchaus auch eine minimale Art destruktiver Interaktion. Nicht für das Spiel selbst, sondern die Wertung am Ende. Das sorgt auch für einen Wettlaufcharakter. Schließlich möchte ich doch am liebsten den besten Multiplikator und die meisten Punkte.
Gleichzeitig ist Ada’s Dream auch noch ein Wettlauf gegen die Zeit. Schließlich endet das Spiel, sobald jemand den neunten Würfel in seine Maschine einsetzt. Dies kann man durchaus taktisch verwenden und eilen, bevor jemand doch noch einen weiteren Multiplikator einbauen kann. Aber eines wird man am Ende der Partie immer haben. Ein Gefühl von Zeitdruck. Wenn man spürt, dass das Ende naht, während man die ganzen offenen Baustellen sieht, die man immer noch vor sich hat.
Um mal in die Phrasenkiste zu greifen: Wo Licht ist, ist natürlich auch Schatten. Und es gibt bei Ada’s Dream auch Dinge, die seltsam wirken. So gibt es zum Beispiel keinerlei Skalierung bei weniger Mitspielenden. Das sorgt für ein Ungleichgewicht bei den Aktionen. Reisen wird eben entwertet, wenn ich nicht dafür belohnt werde, wenn andere ihre Scheiben auf meinen platzieren. Gleichzeitig ist es einfacher bei Instituten oder in Hinterzimmern Mehrheiten zu behalten. Hier hätte man ruhig noch etwas machen können, um dem entgegenzuwirken.
Das Startdeck.
Außerdem wäre es schön gewesen, wenn man diverse Programmbeispiele im Heft genau definiert. Zumindest war das mir mit meinen Englischkenntnissen nicht immer zu 100 % klar. Und wo wir schon bei Englisch sind. Natürlich ist das Spielmaterial zu 95 % sprachneutral (hier trifft es nur die Programme). Aber die Anleitung ist es eben nicht. Das stört mich in meinem Spiel nicht, aber sorgt natürlich für eine Barriere, die erst mal überwunden werden muss.
Zuletzt gibt es im Spiel zwar verschiedene Wege, doch habe ich bisher das Gefühl, dass sie das Spiel nicht allzu sehr beeinflussen. Denn eines darf man definitiv nicht vernachlässigen: Die Differenzialmaschine. Hier werdet ihr die meisten Punkte machen. Somit sind lila Aktionen (Programme), der Einbau von Zahnrädern und die Steigerung des Dampfes Pflicht. Wer die vernachlässigt hat keine Chance. Thematisch gesehen natürlich wichtig, wer aber Wert auf verschiedene Herangehensweisen legt, wird hier enttäuscht werden.
Ada’s Dream mag kein Spiel für jeden sein. Aber sucht ihr eine gedankliche Herausforderung mit relativ einfachem Einstieg, dann seid ihr hier richtig. Für Spielende, die gerne eine grandiose Geschichte erleben, wird das jedoch viel zu trocken sein. Denn am Ende geht es schließlich nur darum kleine Rechenoperationen zu gestalten.
Diverse Programme.
Mir persönlich hat Ada’s Dream viel Spaß bereitet. Jede Partie war spannend und voller Freude und Verzweiflung. Und auch meine Mitspielenden waren begeistert. Dabei hat das Spiel für Menschen aus dem Kenner- wie auch Expertenbereich gleichermaßen funktioniert. Es ist halt nur die Frage, wie tief man sich selbst auf die Möglichkeiten einlässt. Das Spiel bietet auf jeden Fall ausreichend Nährboden für Analyse Paralyse.
Dennoch möchte ich euch raten eine Testpartie zu spielen, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Denn Ada’s Dream hat es geschafft in kurzer Zeit mein Herz zu erobern. Und ich bin mir sicher, dass ich beim nächsten Mal keine Fehler mehr mache. Wahrscheinlich.
Ada’s Dream – Die Liebe zu Fehlern von Toni López
Ada’s Dream ist für all diejenigen, die gerne Knobeln, Scheitern und dann wieder aufstehen. Ein tolles Spiel, das zuerst etwas erschreckend wirkt, aber sich dann flüssig spielt. Eine Empfehlung für Euro-Spieler.
Christian:
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