SPIELSTIL Artikel

Interview Peter Kossits – App Developer – Deutsche Version

Lesezeit: 9 Minuten

 

Wir haben uns mit Peter Kossits unterhalten. Er ist der App-Entwickler von „Baseball Highlights 2045“ und „Hostage Negotiator“. Peter erzählte uns, was er für die Zukunft plant, warum er Apps entwickelt und wie er Spiele wählt, die eine App wert sind.


Wann hast Du entschieden, Brettspiel-Apps zu entwickeln? Was waren Deine Beweggründe?

Die Firma, für die ich 20 Jahre lang arbeitete, wurde von einem großen US Unternehmen gekauft. Wir alle dachten, dass das eine sehr gute Nachricht sei und alles besser werden würde. Aber 2 Jahre später entschieden sie, dass sie uns nicht mehr brauchten. Sie teilten uns mit, dass unser Büro in 2 Monaten geschlossen werden würde.

Alle meine Freunde versuchten einen neuen Job zu finden und rannten zu Vorstellungsgesprächen. Ich verbrachte meine Tage jedoch damit, mich in die App-Entwicklung einzulesen, um mein eigenes, kleines Unternehmen zu gründen. Da begann ich darüber nachzudenken, was für Apps ich schreiben könnte. Während ich BoardGameGeek besuchte, fiel mir auf, dass Brettspiel-Apps einen großen Vorteil haben – Du startest nicht ohne mögliche Kunden. Du hast Zugriff auf Menschen, die das Brettspiel bereits lieben.

Als meine Arbeit endete, habe ich damit begonnen mir Zuhause Unity und C# anzueignen. C# war eine neue Programmiersprache für mich. Ich programmiere jedoch schon lange Zeit und kann neue Sprachen recht schnell lernen. Ich habe einen Monat lang geübt und dann mit meiner Umsetzung zu „Baseball Highlights 2045“ begonnen. Ich wollte sehen, ob ich es schaffen konnte daraus eine offizielle App zu machen.

Warum hast du dich entschieden Brettspiele für PC, Smartphone und Tablet umzusetzen? Kann man mit sogenannten „pay to win“ Spielen nicht mehr Geld verdienen?

Mein erstes Spiel „Faceoff Hockey“ schrieb ich für den PC, als ich 1995 die Schule beendete. Es bereitete mir viel mehr Spaß und war interessanter, als die Programmierung, die ich für meine echte Arbeit erledigte. Das ist für mich der Hauptgrund – an Spielen zu arbeiten ist normalerweise spaßig, herausfordernd und eine interessante Art der Programmierung.

Zu „pay to win“ Spielen – diese werden normalerweise nicht von einzelnen Programmierern erstellt. Das ist etwas, was Firmen umsetzen. Dafür benötigt man eine Menge Code und viele Überlegungen, wie Mikro-Transaktionen abzuwickeln sind. Das ist nichts, was ein Programmierer interessant nennen würde.

Falls ein Programmierer nur Geld verdienen möchte, würde er sowieso keine Spiele machen, sondern für eine Bank arbeiten.


Werden deine Apps von Verlagen bestellt oder gehst du auf diese zu?

Normalerweise verbringe ich 6 Monate damit eine erste Version des Spiels zu schreiben. Das zeige ich dem Verlag und er sagt entweder „ja“ oder „nein“. So habe ich es mit „Baseball Highlights 2045“ und „Hostage Negotiator“ gemacht. Wahrscheinlich muss ich das für meinen nächsten Titel nicht mehr machen, da ich inzwischen Referenzen vorweisen kann.

Wie entscheidest du, ob eine Brettspielumsetzung als App Sinn macht?

Ich schaue nach ein paar Dingen:

Ich mag Spiele, die neu sind und noch ein wenig von der „Aufregung des Neuen“ haben. Die Arbeiten an „Baseball Highlights 2045“ habe ich in weniger als 2 Jahren nach dessen Erscheinen abgeschlossen. „Hostage Negotiator“ war nur geringfügig älter.

Ich mag Spiele, die viele Erweiterungen haben, welche das Grundprinzip nicht extrem verzerren.

Ich prüfe, wie viele Kommentare und Bewertungen der Titel auf Boardgamegeek hat und sehe mir dabei die Popularität an.

Ich prüfe, wie kompliziert das Spiel ist und versuche einzuschätzen, wie schwer es zu testen sein wird.

Ich überlege, ob eine künstliche Intelligenz benötigt wird und wie schwer es sein wird eine anständige umzusetzen. Bei „Hostage Negotiator“ hatte ich das Glück, keine zu brauchen.

Du hast ein neues Spiel, das du umsetzen willst. Was sind deine ersten Schritte?

Normalerweise scanne ich zuerst alle Komponenten des Spiels und erstelle mit diesen eine sehr einfache Version der App. Mir ist es zu dem Zeitpunkt egal, wie sie aussieht. Jedoch versuche ich dabei den einfachsten Weg der Interaktion und den besten Weg für den Code, der für die Umsetzung der Regeln zuständig ist, zu finden.

Ich benötige normalerweise einen Monat um eine hässliche, einfache Version des Spiels zu erstellen, die fast vollständig spielbar ist.

Es ist wichtig, dass die App wie das Brettspiel aussieht. Wie kommen die Grafiken ins Spiel? Kriegst du diese vom Verlag oder machst du sie selbst?

Aktuell wurde ich häufig dafür kritisiert, dass die Apps zu sehr wie der Aufbau auf dem Tisch aussehen. Einige Menschen erwarten Unterschiede.

Ich frage die Verlage nach Kopien der Daten, die sie für die Produktion verwenden. Mit diesen arbeite ich. Bei „Baseball Highlights 2045“ stammen 99 % der Grafiken vom Brettspiel. Für „Hostage Negotiator“ habe ich ein paar Dinge selbst gemacht. Jedoch waren auch hier die meisten Grafiken aus dem Brettspiel.


Welcher Aspekt deiner Arbeit an einem neuen Spiel ist der wichtigste?

Testen, testen, testen. Glücklicherweise hatten meine beiden Apps sehr, sehr wenige Fehler. Die wenigsten Menschen wissen es, aber das ist die wichtigste Arbeit bei Software.

Wo liegen die meisten Probleme?

Die meisten Probleme hat man bei der Arbeit mit kleinen Telefon-Displays. Ich bin ehrlich – meiner Meinung nach sind Tablets perfekt für Brettspiele. Smartphones sind jedoch zu klein. Ich versuche bei der Umsetzung mein Bestes, aber es fühlt sich niemals gut an. Genauso geht es mir, wenn ich Brettspiel Apps anderer Entwickler ausprobiere.

Wie lange brauchst du für eine Brettspiel-App?

Normalerweise fühlen sie sich nach etwa einem Jahr fertig an. Danach braucht man jedoch weitere 6 Monate um die Arbeit tatsächlich abzuschließen.

Welcher Fehler war der lustigste, den du jemals während der Entwicklung hattest?

In meiner alten Firma haben wir Software für große Elektronik Unternehmen gemacht. Einer unserer Kunden sah die Meldung: „Sorry, dieser Vorgang funktioniert nicht. Du solltest Bobby unter <Bobby’s Telefonnummer> anrufen.“ Unser Kunde hatte Sinn für Humor und rief Bobby an, anstatt sich bei unserem Boss zu beschweren.

Bobby selbst dachte, dass diese Situation nie eintreten würde, so dass er den kleinen Witz eingebaut hat.


Bisher hast du „Baseball Highlights 2045“ und „Hostage Negotiator“ umgesetzt. Wie waren die Rückmeldungen, die du erhalten hast?

Bei „Hostage Negotiator“ etwas Lustiges. Der erste Kommentar für das Spiel war, dass es zu viel Glück und zu wenig Strategie enthält. Eigentlich ist das Spiel voller Strategie. Wenn du übst und gut spielst kannst du die ersten 3 Bösewichten in nahezu 100 % der Spiele besiegen. Das habe ich während der Entwicklung gelernt.  Zuerst habe ich jedes Spiel verloren. Als ich über meine Züge nachdachte lernte ich, wie man gewinnt. Es braucht nur etwas Geduld und Mühe.

Bei „Baseball Highlights 2045“ sind die Kommentare normalerweise sehr gut. Es ist ein so gut designtes und ausbalanciertes Brettspiel, mit dem man immer Spaß hat. Selbst, wenn man verliert. Der erste schlechte Kommentar war, dass es hässlich sei. Dem stimme ich zu. Nun, 2 Jahre später, versuche ich das Aussehen zu verbessern.

Ich denke oft an Leute, die böse oder fiese Kommentar hinterlassen. Sie realisieren nicht, dass ich eine Einzelperson bin, die anderthalb Jahre in Vollzeit an einem Titel arbeitet. Sie denken fast immer, ich sei eine Firma oder ein Team.

Gibt es irgendetwas, was du anders machen würdest, wenn du mit deinem heutigen Wissen zurückblickst?

Vor 10 Jahren hatte ich eine schwere Phase in meiner alten Anstellung. Ich konnte jahrelang nicht genießen zur Arbeit zu gehen. Wenn ich damals bereits gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich eine Auszeit genommen, um meine eigene, kleine Firma aufzubauen und eigene Projekte umzusetzen. Ich war damals mit 40 einfach zu ängstlich, weil ich eine gute Bezahlung verloren hätte.

Du hast mir erzählt, dass du an Verbesserungen für „Baseball Highlights 2045“ arbeitest. Was sind deine Pläne für eine neue Version?

Hauptsächlich neue Grafiken und Techniken, die ich mir in „Hostage Negotiator“ angeeignet habe. „Baseball Highlights“ war das erste Projekt, das ich in C# und Unity geschrieben habe. Jetzt nach 5 Jahren Erfahrung mit beiden kann ich Dinge einfach umsetzen, die ich damals nicht konnte.

Die Wertungstafeln habe ich bereits geändert. Wahrscheinlich werde ich die Darstellung der Karten auf Smartphones ändern. Dann gibt es noch einige Erweiterungen und Teams, die ich integrieren kann. Ich möchte außerdem eine „schwere“ KI integrieren. Wenn ich dann noch Zeit habe, möchte ich mit einem Mehrspieler-Modus experimentieren.

Wir werden sehen, was ich alles umsetzen kann. Es ist ein kleines Projekt, das mich beschäftigt, bis ich ein neues Spiel umsetze.

Arbeitest Du an neuen Apps?

Noch nicht. Aber es könnte sein, dass ich bald beginne. Etwas ähnliches, wie „Baseball Highlights 2045“. Aber mit einem anderen Sport.

Gibt es ein Brettspiel, das du schon immer umsetzen wolltest?

Es gibt ein Solo-Wargame namens „Fields of Fire“. Ich bin überzeugt, dass es super als App funktionieren würde. Wenn ich mich nicht um Geld sorgen müsste, würde ich wahrscheinlich damit beginnen.

Außerdem gibt es noch ein anderes, sehr, sehr altes Solo-Spiel namens „Ambush“. Das wäre auch sehr spaßig als App.


Nun noch etwas Persönlicheres. Da muss jeder hier durch. Was tust du, wenn Du mal nicht spielst?

Ich spiele Gitarre, Flöte und Saxophon. Musik ist mein großes Hobby abseits von Brettspielen.

Welches Buch hat Dich in letzter Zeit fasziniert und warum?

Eines der letzten Bücher, welches ich gelesen habe, war „Thin Air“. Es handelt von einer Katastrophe, die vor kurzem auf dem Mount Everest stattfand. Seit ein paar Jahre interessiere ich mich für das Klettern in den Bergen. Ich liebe es Videos über Expeditionen zum Everest und K2 zu sehen.

Du interessierst dich für den K2? Wie wäre es denn mit einer App-Umsetzung des gleichnamigen Brettspiels von Rebel?

Das sieht für mich nach einem sehr guten App-Kandidaten aus. Ich werde es mir näher ansehen. Bisher habe ich noch keine Brettspiele mit dem Thema Bergsteigen gespielt.

Was ist dein absoluter Lieblingsfilm und warum sollte man ihn sich ansehen?

The Great Escape. Ein Katz- und Mausspiel in einem Gefangengenlager im 2. Weltkrieg. Er macht so viel Spaß! Zumindest bis zum Ende. Die Story wäre perfekt für ein Brettspiel.

 

Du strandest auf einer Insel mit genügend Spielpartnern, welche 5 Spiele hättest du denn gerne dabei?

Schach und Advanced Squad Leader wären hierfür die perfekten Spiele, da es viel Zeit braucht, um sie gut spielen zu können. Auf meiner Insel haben wir eine Menge Zeit.

Time of Soccer – Auf der Insel müsste es eine ernsthafte Sportliga geben. Time of Soccer ist hierfür genau die richtige Wahl. Wir werden jede Nacht, nach dem Abendessen, eine Spielwoche der Saison absolvieren.

Twilight Struggle – Es gibt hierfür 3 Gründe. 1. Es macht immer Spaß. Es ist Risiko ziemlich ähnlich, aber sehr, sehr ernst. 2. Man kann es ganz gut alleine spielen. 3. Es hat eine Weltkarte. Wenn ich von der Insel entkommen möchte, könnte sie nützlich sein.

Mensch ärgere dich nicht – Aus sentimentalen Gründen. Meine Familie ist aus Österreich. Ich habe es immer gespielt, als ich jung war.

Du landest in der Hölle und wirst gequält, indem du ein Spiel immer und immer wieder spielen musst. Mit welchem könnte man dich am meisten quälen?

Monopoly – Das Spiel ist perfekt für die Hölle. Niemand spielt es nach den offiziellen Regeln. So geht ein Spiel bis in alle Ewigkeiten, ohne zu Enden.

 

Was wolltest du der Spieleszene schon immer sagen, hast dich aber nie getraut?

Brettspiel Apps sind viel, viel zu billig!

Portrait-Christian Renkel-quadratisch-2
Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.
1 Comment

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Danke für deine Meinung