Portal Games hat vor kurzem seinen Standort in Deutschland eröffnet. Mit Benjamin Schönheiter wurde dabei jemand ans Ruder gesetzt, der in der deutschen Brettspielszene seit Jahren aktiv ist. Die einen kennen ihn von Spielama, die anderen aus seiner aktiven Zeit bei Pegasus. Alles in allem kann man jedoch sagen, dass Ben als netter, hilfsbereiter Macher angesehen werden kann. Uns freut, dass er trotz dem neuen Aufgabengebiet die Zeit gefunden hat uns ein paar Fragen zu beantworten.
Vor deiner bezahlten Arbeit in der Spielebranche warst du ja eines der Gesichter von Spielama. Was war dein Stein des Anstoßes? Warum wolltest du in die Öffentlichkeit und das Medium Spiel verbreiten?
Der Stein des Anstoßes … Ich habe Basti kennengelernt. Das ist es tatsächlich schon. Wir haben uns lange über Spiele unterhalten und Basti teilte die exakt selbe Meinung wie ich: Wir wollte einen Service für die Spielewelt bieten, den wir, anno dazumal kann man ja fast schon sagen, nicht bedient sahen. Keine Klickhascherei, obwohl Youtube. Keine Blitzreviews, sondern fundierte Qualität. Wir wollten auch mehr zu zweit machen, um im Streitgespräch auch mal gegensätzliche Meinungen rauszukitzeln. Und wir wollten auch mal unbequemes sagen, und nicht zurückschrecken. Das alles war für uns der Anstoß, die Motivation.
Gab es Momente bei Spielama, die dich besonders geprägt haben?
Jeder Moment – ja das klingt kitschig – war für mich prägend. Von den ersten Videos, die ich zigmal neu gedreht habe, bis zu unserem ersten Klinkenputzen auf der Messe. Ich möchte keine Sekunde davon missen. Aber es ist tatsächlich so, dass mich diese Zeit auch persönlich weiter gebracht hat. Besonders, um zu lernen auch im Video selbstbewusst aufzutreten und sich selbst dabei nicht zu verlieren.
Wie kam es denn zum Wechsel von der bewertende, in die herstellende Seite? Wie bist du bei Pegasus gelandet?
Zufall. Ich habe diese Entscheidung dem Mr. Marketing bei Pegasus Spiele Michael Kränzle zu verdanken, der mich auf die Idee gebracht hat. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich war an einer schwierigen Position in meinem Leben – ich musste mein Studium beenden und dafür eigentlich SpieLama aufhören. Jura studiert man nicht so nebenher. Aber alles so hinter mir lassen, wollte ich auch nicht. Dann kam die Idee von Micha doch bei Pegasus aufzuschlagen.
Welche Spiele hast du bei Pegasus betreut?
Boah. Viele. Mein erstes Spiel war die Neuauflage von „Es war einmal …“ und gleich darauf die Neuauflage von „Junta“. Bei beidem habe ich die Anleitung wesentlich überarbeitet im Vergleich zum Original. Ersteres habe ich alleine betreut, letzteres zusammen mit meinen direkten Vorgesetzen Herrn Steines. Zwischendrin habe ich VivaJava betreut (von dem ich VIEL gelernt habe), die gesamte Krosmaster-Linie (ein echtes Abenteuer manchmal), Roll for the Galaxy, Hobbit Love Letter und natürlich auch alles was Robinson Crusoe heißt. Aber das ist nur, was mir so spontan einfällt.
Was konntest du dabei lernen? Welche Schwierigkeiten waren zu meistern?
Sehr sehr viel. Einerseits natürlich weil für mich praktisch alles neu war – Spiele „nur“ kritisieren ist verhältnismäßig einfach, selbst besser machen deutlich schwieriger. Bei VivaJava habe ich gelernt, dass eine lineare Anleitung zum Beispiel nicht immer eine gute Anleitung ist. Manchmal sollte man sie aus didaktischen Gründen eben anders aufbauen. Was bei einem Spiel wie Design Town funktioniert, kann man nicht einfach so auf ein Yomi anwenden. Damals recht schwierig war für mich auch die Anleitung der RC Schatzkiste. Wie kann ich das Material und die Regeln dazu sinnvoll präsentieren? Es hat mich etwas Konzept-Arbeit gekostet, aber das Ergebnis war für mich die Arbeit wert. Es war auch nicht immer einfach das Pegasus-Rahmen-Design anzuwenden. Da habe ich viel zur Schachtelgestaltung gelernt. Sachen, die man auch sinnvoll anwendet, wenn man NICHT den Rahmen verwendet. Das kann man schön sehen, wenn man die Rückseiten von 51st State DE/EN etwa vergleicht.
Benjamin Schönheiter
Du leitest jetzt ja Portal Games Deutschland. Wie kam es dazu?
Viel Vertrauen in meine Arbeit von Ignacy und ein ziemlich gutes Angebot … Spiele zu betreuen, die mir persönlich sehr viel Spaß machen.
Das erste Projekt von Portal Games Deutschland war/ist 51st State. Wie kann man sich das vorstellen, was für Arbeiten fielen hier für dich an?
Alles. Naja fast alles. Bei Pegasus kümmert man sich auch zumeist um die Produktplanung – Komponenten fixieren, Angebote einholen, verhandeln. Das fällt aktuell alles weg und ist Job des Production Managers bei Portal. Der macht dafür (fast) nichts anderes. Das finde ich fast ein wenig schade, weil ich das gern gemacht habe aber ich habe dafür ja auch andere Aufgaben dazugewonnen, wie das Marketing und den Videodreh. Aber ich habe und werde bis auf weiteres tatsächlich alles aus einer Hand machen – auch die Übersetzung. Ich habe sowieso oft die Übersetzungen geändert, weil mir Begrifflichkeiten nicht gefallen haben. Insofern ist das schon okay. Mittlerweile bin ich auch wieder „in the zone“. Bei Pegasus habe ich zuletzt viel INS Englische übersetzt, daher war ich andersherum wieder schneckenlahm. Das hat sich zwischenzeitlich gebessert.
Mit Alien Artifacts, 51st State: Scavengers, Cry Havoc, dessen Erweiterung Cry Havoc: Aftermath und Stronghold: Undead steht ja schon ein gewisser Fahrplan für die Zukunft fest. Langeweile dürfte dabei nicht aufkommen. Gibt es aber Vorgaben, wann was auf Deutsch zu erscheinen hat?
Einen Plan gibt es von meiner Seite her nicht. Den bestimmt das HQ. Zwischenzeitlich übernehme ich auch englische redaktionelle Aufgaben und bin jetzt auch im Team, dass die englischen Anleitung lektoriert und im Falle von 51st State Scavengers sogar direkt verfasst. Ignacy weiß es also gut meine vermeintliche Downtime zu füllen …
Wie gehst du Lokalisierungen an? Was ist deren besondere Herausforderung?
Da möchte ich direkt mal schamlos in eigener Sache Werbung machen. Ich habe ja für genau diese Frage meine Tagebücher zu Cry Havoc auf Facebook. Ich werde oft gefragt, was denn bei einer Lokalisierung so alles ansteht und passiert. Und das was ich jetzt bei Portal Deutschland mache, kommt ja deutlich näher an das, was ich bei Pegasus gemacht habe – nämlich richtig Hand anlegen. Dieses Prozess und welche Probleme dabei aufkommen, wollte ich näher beleuchten und habe dafür auf FB Tagebücher gedreht – bzw. Live aufgezeichnet. Ich freue mich über jeden Zuschauer, damit das nicht für die Hose war. Also, anschauen!
Wenn du nicht in der Spielebranche tätigt wärst, was wäre dann dein Traumjob?
Jetzt muss ich mich wahrscheinlich gleich schämen. Ich wollte immer Spiele-Redakteur bei der PC Games werden – also dem Spielemagazin für Computerspiele. Kein Spaß …
Du strandest auf einer Insel mit genügend Spielpartnern, welche 5 Spiele hättest du gerne dabei und warum?
Earth Reborn: Dann habe ich endlich Spieler!
Eldritch Horror: Davon werde ich nie müde. Arkham Horror 4.5 (so fühlt es sich zumindest an).
Twilight Imperium: Dann erscheint die Ewigkeit einfach nur wie 2-3 Partien.
Ora & Labora: Mein Lieblings-Rosenberg
Robinson Crusoe: Muss ich das erklären?
Du landest in der Hölle und wirst gequält, indem du ein Spiel immer und immer wieder spielen musst. Mit welchem könnte man dich am meisten quälen und warum?
Monopoly: Muss ich DAS erklären?
Was wolltest du der Spieleszene schon immer sagen, hast dich aber nie getraut?
Nie getraut … Ich glaube, ich habe mich immer getraut. Bereut habe ich es allerdings auch ziemlich häufig. ?Was ich zu selten sage: wie genial ich die Szene finde. Ja man kloppt sich ab und an, aber da steckt sehr viel Zusammenhalt und Spaß dahinter. Das sehen wir, finde ich, manchmal gar nicht. Selbst BGG ist viel freundlicher trotz der Größe als eine vergleichbare Videogames-Seite. Brettspieler sind schon was Besonderes …
Diesen Schlussworten kann man einfach nur zustimmen. Die Brettspielszene ist was Besonderes. Denn ich glaube, dass in anderen Sektoren die Köpfe hinter den Produkten nicht so einfach aus dem Nähkästchen plaudern und uns dabei interessante Ansichten präsentieren. Vielen Dank Ben und viel Erfolg weiterhin mit Portal und deinen Videotagebüchern. Wir hoffen, dass sich unsere Wege nicht das letzte Mal gekreuzt haben. ?
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