Hallo Alex, danke, dass du dir die Zeit nimmst, um mit uns zu sprechen. Wirft man einen Blick auf Boardgamegeek, stellt man fest, dass du nun schon seit 12 Jahren Spiele entwickelst. Wie hat das Ganze denn angefangen? Wie verlief der Startschuss zu deiner Karriere?
Ich habe schon in meiner Kindheit für mich und meine Freunde Spiele erfunden. Ich habe immer noch alte Spieldesigns von damals, als ich auf der Rückseite von Bildern aus dem Zeichenunterricht einen Spielplan aufgezeichnet habe. Ich hätte damals nie gedacht, dass das mal mein Hobby zum Beruf machen könnte. Als ich zu meinem Studium nach Wien gekommen bin, habe ich irgendwann mal von der Agentur White Castle gehört und gedacht, ich könnte mal Spiele erfinden und denen zeigen. Tatsächlich gab es am Anfang viele Absagen, aber irgendwann mal hatte ich Glück.
Wann war der Moment, an dem du für dich festgestellt hast, dass du als Autor endgültig in der Szene angekommen bist?
Kann ich gar nicht so sagen. Was heißt in der Szene angekommen? Mehrere Spiele erfunden? Oder für sich selbst zu wissen, dass man das dauerhaft machen möchte? Nachdem ich wie gesagt schon als Jugendlicher damit begann und immer gerne und oft spielte, war das immer ein wichtiger Teil meines Lebens.
Ich kann mir vorstellen, dass es in der Zeit auch diverse Rückschläge gab. Welche haben dich besonders getroffen und wie hast du dich dennoch motiviert weiter zu machen?
Natürlich bekommt man am Anfang nur Absagen, also einige Jahre habe ich nur entwickelt und entwickelt ohne Erfolg. Aber da mir ja das Entwickeln Spaß macht, war das nie eine Katastrophe für mich. Ich kann da also leider oder besser glücklicherweise nichts Schlimmes berichten.
Werfen wir mal einen Blick auf deine Spieleentwicklung. Was ist da zuerst da? Mechanik oder Thema? Und wie finden beide bei dir zueinander?
Früher mehr Mechanik, inzwischen beides fast gleichzeitig. Thema ist mir sehr wichtig. Das, was man so hört, dass man ein Spiel einreicht und dann ein ganz anderes Thema dabei rauskommt, ist mir noch nie passiert. Ich empfehle neuen Autoren aber, bei der Mechanik anzufangen, und diese mal in einfacher Form zu testen. Denn ob ein Spiel gut oder schlecht ankommt, hängt zum Großteil von der Mechanik ab. Mir fällt kein Spiel mit schlechter Mechanik ein, das wegen des tollen Themas erfolgreich wurde. Das Gegenteil ist aber sehr oft der Fall.
Wir alle wissen, dass Mombasa immer wieder vorgeworfen wird den Kolonialismus zu verherrlichen. Wie stehst du dazu? War dir schon vorher bewusst, dass es ein kritisches Thema ist?
Es gibt Stimmen, die kritisieren, dass Mombasa in dieser Zeit spielt. Glücklicherweise denken nur sehr wenige Menschen so. Die meisten lieben es und sehen es durchaus als das, was es ist: Ein Spiel in Afrika, wo fiktionale Handelskompanien gegeneinander kämpfen. Es bekommt viele gute Kritiken und ist auf Boardgamegeek in den Top 100. Es gibt zahlreiche erfolgreiche Spiele, die im 17., 18. oder 19. Jahrhundert spielen und in denen Kapitalismus und Ausbeutung von Menschen vorkommen. Ich bin mir aber sicher, dass keines dieser Spiele diese Zeit verherrlicht. Ich hoffe, dass alle zustimmen, dass der Kolonialismus eine schlimme und sehr dunkle Phase der Menschheitsgeschichte war.
Das Internet ist ja kein Ponyhof, wie wir alle schon erfahren durften. Was war die negativste Nachricht auf eines deiner Spiele, die du bisher einstecken musstest?
Stimmt, Internet ist kein Ponyhof, die Spielebranche aber schon. 🙂 OK, das ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber man geht eigentlich sehr respektvoll miteinander um. Zumindest habe ich diese Erfahrungen gemacht und kann auch nicht von Anfeindungen oder negativen Nachrichten berichten. Im Gegenteil, ich bekomme immer wieder sehr positives Feedback, was mich motiviert weiterzumachen.
Man kommt in der Brettspiel-Szene ja immer wieder auch mit seinen Fans in persönlichen Kontakt. Gibt es eine besonders lustige oder einfach schöne Geschichte, an die du immer wieder denken musst?
Ja, stimmt. Es gibt sehr viele positive Begegnungen. Es ist toll, wenn jemand aus Brasilien oder Japan sagt, dass er großer Fan meiner Spiele ist. Da fühlt man sich gerührt. Wenn Leute Selfies machen wollen als wäre man ein Superstar, macht einen das natürlich auch stolz. Nicht unbedingt wegen dem Selfie, sondern weil man weiß, dass viele Spaß und Freude durch meine Spiele erfahren haben. Gerade auch jetzt mit der Covid Pandemie haben mir viele geschrieben, wie ihnen Maracaibo als Solospiel geholfen hat den Lockdown zu überstehen.
Ein paar meiner Lieblingsspiele stammen aus deiner Feder. Danke schon einmal dafür. Aber wie schafft man es, immer wieder einen neuen Twist zu entdecken, der zu begeistern weiß?
Danke! Lustigerweise ist der Twist gar nicht der Engpass, sondern das Ausarbeiten der Spielidee. Ich zwinge mich aufkommende Ideen nur aufzuschreiben und nicht gleich wieder ein neues Spiel anzufangen, bevor nicht das alte Spiel beendet ist. Ich versuche mich auf 2-3 Spiele pro Jahr zu fokussieren, damit diese viel Zeit abbekommen.
Mit Monster Expedition erscheint dieses Jahr bei Amigo ein Spiel in der Welt von „Carnival of Monsters“. Wie kam es dazu? Und was war zuerst da, die Spielidee oder der Auftrag?
Es war kein Auftrag. Ich habe Amigo ein Spiel mit einem ähnlichen Thema gezeigt, das aber eine Lizenz gebraucht hätte. Die war dann zu teuer. Ich will nicht verraten, welches Thema es war, aber wem das Wort Evoli was sagt, weiß, wovon ich rede. Jedenfalls hatte der betreuende Redakteur Bernd Keller die tolle Idee, dass das auch Monster sein könnte und nachdem Carnivals of Monsters gut lief, könne man es in dieser Welt ansiedeln ohne große Änderungen.
Was erwartet uns denn bei Monster Expedition und wer wird deiner Meinung nach am meisten Spaß damit haben?
Es ist ein Würfel- und Zockerspiel mit ca. 30 Minuten Spieldauer für 1-4 Spieler. Es richtet sich an Familien, die gerne würfeln aber auch Spaß an etwas Strategie und Taktik haben. Der Würfelmechanismus funktioniert so: Wer dran kommt, würfelt und legt alle Würfel einer Zahl beiseite. Mit dem Rest kann man weiter würfeln, aber Vorsicht: Man kann nur Augenzahlen raus legen, die nicht schon draußen liegen. Kann man mal nichts raus legen, verliert man den höchsten Würfel. Das ist das Zockerelement. Wenn man aufhört, kann man mit 1er, 2er und 3er Würfel sein Camp verbessern, welches dann mehr Würfel bringt. Außerdem kann man von der Auslage Monster einfangen. Dafür will man natürlich hohe Würfel. Somit hat man das Dilemma: Niedrige Würfel raus legen, um das Camp zu verbessern oder hohe für viele Punkte. Manche Monster haben Fähigkeiten. Aber alles familientauglich gehalten.
Amigo hat sich schwer ins Zeug gelegt, mehrere Top-Illustratoren wurden angeheuert, um die verschiedenen Monster liebevoll zu zeichnen.
Es wird auch eine Solo Version und hoffentlich bald auch eine inoffizielle kooperative Variante geben.
Ist Monster Expedition das einzige Spiel, das wir dieses Jahr von dir erwarten dürfen? An was arbeitest du sonst noch?
Es kommt noch ein zweites Spiel. Darüber kann ich aber leider noch nicht sprechen. Ich freue mich sehr darauf und es wird ein Kennerspiel für 1-4 Spieler sein. Es hat eine Kampagne, besitzt fast 200 Karten, ein innovatives Warensystem, ausbaubare Luftschiffe usw.
Des Weiteren arbeite ich auch an der ersten großen Erweiterung zu Maracaibo. Eine Minierweiterung erschien ja bereits Ende letzten Jahres.
Wie sehr hat dich der Corona Lockdown in deiner Arbeit beeinflusst? Wie hast du deine Prototypen-Testrunden überhaupt noch vorantreiben können?
Es war in Ordnung. Zum einen war der Lockdown in Österreich nicht so lange, zum anderen konnte ich auch gut alleine testen.
Welches deiner eigenen Spiele gefällt dir eigentlich am besten und was macht es besonders?
Kann ich nicht sagen, weil die so unterschiedlich sind. Port Royal ist ein Dauerbrenner und ich bin stolz darauf, dass so viele Spieler durch Port Royal zum Hobby gefunden haben. Es hat einen leichten Einstieg, bietet emotionale Momenten aber auch genug Spaß. Great Western Trail ist inzwischen schon ein Klassiker im Expertenspielebereich. Maracaibo macht dem aber inzwischen schon große Konkurrenz. Die Verkäufe sind enorm, das Feedback sensationell. Vielen gefällt es besser als Great Western Trail, weil die vielen verschiedenen Karten so viele spannende Entscheidungen erlauben.
Was wir von Great Western Trail halten?
Das erzählen wir euch in unserer Rezension.
Interessante Frage! Natürlich hätte man gerne die großen Kracher wie Carcasonne oder Catan selbst erfunden. Aber damals habe ich ja auch nicht so richtig Spiele erfunden. Wenn, dann müsste das eher ein Spiel sein, das meiner Richtung entspricht. Spontan fällt mir da King’s Dilemma ein. Ich mag narrative Spiele, mach ja mit Newdale und Maracaibo selbst Spiele in dieser Richtung. King’s Dilemma funktioniert zwar nicht für alle Spielegruppen, bringt es aber, glaube ich, gut auf den Punkt. Und weil ich eben auch die Spiel des Jahres Verleihung gesehen habe: Auch die Crew ist so ein Spiel, bei dem ich mir denke: Hätte man eigentlich auch selbst drauf kommen können. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich: Der Weg dorthin ist länger, als man von außen sieht. Man fängt oft mit etwas Komplizierterem an, nimmt Sachen weg, gibt neue Regeln hinzu und braucht oft Jahre für ein Spiel, bei dem man danach denkt: Und das soll jetzt so schwer in der Entwicklung gewesen sein?
Was würdest du neuen Autoren-Kollegen raten, die sich daran machen ihr erstes Spiel zu veröffentlichen?
Falls sie vor einer Veröffentlichung stehen: Gratuliere. Der Weg dorthin ist weit und beschwerlich. Wenn einem das Spielentwickeln an sich wenig Spaß bereitet, sollte man es bleiben lassen. Denn ein Verlag bekommt hunderte Einsendungen pro Jahr, man hat schon Glück, wenn der Verlag es zum Testen anfordert. Aber auch dann werden die meisten abgelehnt. Ein ganz kleiner Teil schafft es. Man wird also oft Ablehnung erfahren. Man sollte also Spiele entwickeln, weil es einem Spaß macht. Wenn dabei eine Veröffentlichung herausspringt, umso besser. Man sollte den Spielemarkt halbwegs kennen und Spiele entwickeln, die einem selbst Spaß machen.
Nun noch ein paar persönliche Fragen. Jeder muss da durch. Was tust du, wenn du nicht spielst oder an neuen Spielen arbeitest? Hast du überhaupt Zeit für andere Hobbys?
Ich spiele gerne Tennis, vor allem das Zusammensitzen und Trinken danach ist immer ein Highlight. Ansonsten schaue ich noch gerne TV-Serien zum Abschalten.
Welches Buch hat dich zuletzt fasziniert und was macht es besonders?
Ich nehme ein altes Buch her: Als Science Fiction Fan fand ich Isaac Asimovs Foundation Zyklus toll.
Erzähl uns von deinem absoluten Lieblingsfilm und warum wir ihn gesehen haben sollten.
Ui, schwere Entscheidung. Ganz spontan fällt mir ein Klassiker ein: Monty Python’s Life of Brian „Jeder nur ein Kreuz“ oder Die Ritter der Kokosnuß. Das waren einfach geniale Dialoge!
Du strandest auf einer einsamen Insel mit der genau richtigen Anzahl an Mitspielern. Welche 5 Spiele willst du bei dir haben und warum?
Ich nehme mal meine Spiele aus: Puerto Rico, Acquire, 1830 (weil ich ja genug Zeit habe und mir das momentan zu lange dauert), Hansa Teutonica, Concordia.
Du kommst in die Hölle. Welches Spiel musst du als Strafe immer und immer wieder spielen und warum quält es dich so?
Da muss ich die Leser zum Schluss leider enttäuschen. Ich habe kein Spiel in den letzten Jahren gespielt, welches mich gequält hätte, welches ich hier nennen könnte. Ich spiele oft und gerne. Aber meistens ein Spiel auch nur 1x. Da würde ich mir kein Urteil erlauben. Außerdem weiß ich als Autor wie viel Herzblut in ein Spiel fließt. Und gerade auch deshalb werde ich jetzt auch kein Spiel an den Pranger stellen. Natürlich gibt es viele Spiele, die mir zu einfach oder banal sind. Für andere Gelegenheiten können genau die aber sehr geeignet sein. Oder Spiele, wo ich das Gefühl habe, ein Element ist nur drin, um noch komplizierter zu sein. Und auch das hat einen Reiz entdeckt zu werden. Deshalb, da kann ich leider keine Antwort geben. 🙂
Was hat Alexander Pfister mit Jamey Stegmaier zu tun?
Das könnt ihr im Interview mit Jamey Stegmaier nachlesen.