SPIELSTIL Rezension

East India Companies

Lesezeit: 8 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Pascal Ribrault
erschienen bei Huch!, R&R Games

Bei East India Companies kochten die Emotionen bereits zur Ankündigung auf. Während die einen sich fragten, was genau das Problem sei, hatten die anderen eine genaue Vorstellung davon. Denn die Praktiken der East India Companies waren alles andere als menschlich akzeptabel. Da ich mich selbst zu wenig damit auskenne verweise ich hier auf einen interessanten Beitrag über die geschichtlichen Hintergründe für alle interessierten: 5 facts about the East India Company

Moralische Brettspiele?

Dennoch hat es East India Companies geschafft, uns bei Spielstil und Beeple zu Diskussionen herauszufordern. Was ist bei einem Brettspiel erlaubt, kann ein Brettspiel überhaupt moralisch sein und wie sehr bemerken wir das überhaupt? Sind geschichtliche Themen grundsätzlich problematisch oder werden sie akzeptabel, wenn nur genügend Zeit vergangen ist?

Das sind Fragen, die ich hier nicht beantworten kann, da dies den Rahmen sprengen würde. Jedoch werden wir diese bald aufgreifen. Denn eines sind sie auf jeden Fall. Spannend. Aber vielleicht wollt ihr euch schon einmal zu Wort melden und sagen, was ihr darüber denkt.

 

Was passiert in East India Companies?

Über fünf Runden müssen wir die Geschicke unserer Handelsgesellschaft lenken. Ziel ist es, den meisten Reichtum anzuhäufen. Dabei haben wir hier theoretisch verschiedene Methoden, die aber alle auf dasselbe hinauslaufen. Waren billig zu kaufen, teuer zu verkaufen und erfolgreich mit Aktien zu spekulieren.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel03

East India Companies: Der Spieplan im Überblick.

Jede Runde durchläuft fünf Phasen. Zuerst setzen wir unsere Gesandten ein, um sich mit wichtigen Persönlichkeiten zu treffen und somit die Runde zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Im Kern ist dies natürlich ein Worker-Placement Element, welches jedoch einen Kniff aufweist. Unsere Gesandten bleiben nämlich dort stehen, wo sie die Vorrunde agierten.

In den Folgerunden dürften sie nur auf Einsetzfelder dieser oder einer angrenzenden Persönlichkeit verschoben werden. Zusätzlich ist es wichtig, abzuschätzen, was unsere Mitspielenden anstellen. Zwar blockieren diese keine Felder, aber wer sich zuerst platziert bekommt teilweise die bessere Aktion. Außerdem müssen alle nachfolgenden Geld bezahlen, um auf dasselbe Feld einsetzen zu dürfen.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel04

East India Companies: Möchten wir auf Felder mit anderen Figuren, müssen wir dafür bezahlen.

Die Aktionen in East India Companies.

Auf den Einsetzfeldern selbst gibt es unterschiedliche Auswirkungen. Mit ihnen kann man unter anderem seinen Hafen ausbauen, neue Schiffe anwerben, Handelsposten errichten, das Warenangebot beeinflussen, den Warenverkaufswert steigern oder einfach Startspieler werden.

In der Börsenphase des Spiels werden nun Aktien gekauft. Zumindest wenn man möchte. Dabei hat man die freie Wahl im Wertpapier. Es dürfen eigene, wie auch die der Mitspielenden erworben werden. Dabei steigt natürlich mit jedem Kauf der Preis, während mit jedem Verkauf der Preis wieder sinkt. Hier spekulieren wir natürlich mit steigenden Preisen und im besten Fall Dividenden, die uns unsere Konkurrenz bezahlen muss.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel12

East India Companies: Je höher der Aktienkurs, desto mehr Dividende wird fällig.

In der Navigationsphase fahren dann endlich unsere Schiffe los. Am Zug dürfen wir ein Schiff auf einem Zielhafen platzieren. Alle drei Häfen bieten unterschiedliche Warenkombinationen an. Diese und die von unseren Mitspielenden platzierten Schiffe bestimmen, wohin wir reisen möchten.

Sind alle Schiffe platziert, wird der Markt in Fernost aufgefüllt. Was hinzukommt, bestimmen die zum Rundenbeginn geworfenen Würfel wie auch eine verdeckt gezogene Karte. Danach wird Hafen für Hafen verladen. Hierzu werden die Schiffe nach Geschwindigkeit und dem Zeitpunkt des Einsetzens sortiert. Wer das schnellste Schiff hat und dieses rechtzeitig eingesetzt hat, darf sich zuerst am Markt bedienen, während langsamere Schiffe mit dem Rest vorliebnehmen müssen. Die Preise ergeben sich aus dem noch vorhandenen Angebot und eventuellen Handelsposten. Sind alle Schiffe beladen, kehren sie zurück.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel11

East India Companies: Je schneller oder früher ein Schiff im Hafen einläuft, desto eher darf man auf den Markt zugreifen.

Angebot und Nachfrage regieren in East India Companies

Im Heimathafen bestimmt auch wieder die Geschwindigkeit, in welcher Reihenfolge Schiffe entladen werden. Nachdem der Heimatmarkt angepasst wurde (Waren werden aufgrund von Würfeln und einer Karte entfernt), darf verkauft werden. Der Preis wird auch hier durch das vorhandene Angebot beeinflusst.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel08

East India Companies: Wichtig, die Einnahmen der aktuellen Runde müssen separat gesammelt werden. Die Pokerchips gehören nicht zum Standardmaterial des Spiels.

Sind alle fertig, wird noch der Aktienwert angepasst. Grundlage hierbei sind die Einnahmen, die wir in dieser Runde generiert haben. Außerdem ist nun Zeit, Dividenden auszuzahlen – sofern unser Aktienkurs hoch genug ist. Danach kann eine neue Runde beginnen.

Sind alle fünf Runden vorbei, wird das eigene Vermögen gezählt. Wer das meiste vorweisen kann, gewinnt.

Christian meint:

Lasst uns zuerst einmal über den Elefanten reden, der hier im Raum steht. Das Thema zu East India Companies ist an sich problembehaftet. Denn ganz so friedlich und nett, wie sich das Brettspiel gibt, war es zu jener Zeit natürlich nicht. Leider fehlt mir das geschichtliche Hintergrundwissen, aber wir kennen alle Menschen und wie sie miteinander umgesprungen sind oder sich heute noch behandeln. Vor allem, dann wenn sie als minderwertig angesehen werden. Die Anleitung selbst geht auch darauf ein und schreibt hierzu diesen Absatz:

Disclaimer: East India Companies ist in erster Linie ein Spiel ohne politischen Hintergedanken. Die historische Kulisse ist lediglich dazu da, die Spielmechanik zu verstärken, die perfekt zu dem Thema passt, das sie umgibt.

Es geht in diesem Spiel um eine andere Zeit mit anderen Bezugspunkten als den unseren. East India Companies ist ein Spiel, sogar eine Fiktion, aber keinesfalls eine Dokumentation. Und es muss als solches betrachtet werden.

Im Kern würde ich dies sogar unterstreichen. Denn wir alle haben und mögen Spiele, die bei näherer Betrachtung relativ verwerflich wären. Die realen geschichtlichen Ereignisse der Unmenschlichkeit verstärken das aber eben noch. Dennoch werde ich das Werk größtenteils gelöst davon sehen. Denn nur, weil ich ein Brettspiel spiele, welches diverse abstrahierte Ereignisse der Zeit abbildet, muss ich keiner Ideologie der minderwertigen und auszubeutenden Menschen folgen. Dennoch habe ich ein Problem mit einem Detail von East India Companies.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel10

East India Companies: Handelshäuser und Schiffe, die in Häfen platziert wurden.

East India Companies – Sklaverei als valide Strategie?

Die Handelsposten. Diese möchte ich noch ansprechen, dann lass ich das Thema aber auch in Ruhe und kümmere mich nur noch um das Spiel an sich. Mit den Handelsposten ist es möglich, Warenpreise für sich selbst zu senken und auch auf 0 zu drücken. Spielmechanisch kennen wir das natürlich aus anderen Titeln. In East India Companies ist diese Mechanik jedoch – meines Erachtens – das abstrahierte Abbild davon, dass man eben die Menschen vor Ort unterwirft und ihnen Güter abnimmt. Berichtigt mich, wenn ich hier auf dem Holzweg bin. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass man das Thema zumindest anspricht und es den Spielenden dann selbst überlässt, ob sie die Möglichkeit dann nutzen möchten oder nicht.

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East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel02

East India Companies: Die Markpreise ergeben sich aus dem aktuellen Angebot.

Aber schauen wir uns nun das restliche Spiel an. Was versteckt sich denn genau in East India Companies. Zuerst einmal ein recht geradliniges Wirtschaftsspiel, bei dem es eben darum geht, günstig ein- und teuer zu verkaufen. Die Erträge in neue Transportmöglichkeiten zu stecken und die richtigen Aktien zu handeln. Nichts, was man nicht bereits kennen würde, aber in der Komposition dennoch interessant genug, damit ich meinen Spaß damit habe. Schaut mal ganz kritisch drauf ist es eben fünf runden lang immer dasselbe. Jedoch gibt es zum Glück noch Auflockerungen.

Darauf kommt es in East India Companies an.

Da wären die einzusetzenden Gesandten und die Entscheidung, wann ich welches Schiff platziere. Denn hier muss ich mitunter schon abwägen, was mir am wichtigsten ist und was meine Mitspielenden so anstellen werden. Das mag ich, denn so bin ich nicht nur darauf aus, irgendwas zu optimieren, sondern eben eher zu überlegen, wann der richtige Zeitpunkt ist tätig zu werden. Dass man da auch mal daneben liegt, ist auch klar. Aber das bringt wieder Emotionen. Genauso wie das Pokern darum, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, Aktien wieder abzustoßen. Diesen sollte man nicht verpassen, da unsere Mitspielenden sonst nicht nur mit einem Haufen Bargeld dastehen, sondern uns auch noch den Preis verderben.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel09

East India Companies: Ein Dreimaster voller Tee.

Wobei ich immer noch am Überlegen bin, ob der Handel mit den Aktien nicht auf die Firmen der Spielenden mehr Auswirkungen haben sollte. Denn so ist uns eigentlich ziemlich egal, wie gut unsere Firma auf dem Papier dasteht. Andererseits wären das einfach zu viele Manipulationsmöglichkeiten, die East India Companies hätten kippen lassen.

East India Companies - Brettspiel - Rezension Test - Beispiel13East India Companies ist ein nicht allzu schweres Wirtschaftsspiel, das nicht extrem tiefgründig ist, aber mit einigen interessanten Entscheidungen und Abwägungen aufwartet. Dabei ist es durchaus verzwickt, aber sorgt durch seine Geradlinigkeit dafür, dass keine große Downtime entsteht. Im Gegenteil. Sind alle am Tisch mit dem Spiel vertraut geht es recht locker von der Hand. Alles in allem mag ich das Spiel trotz des Themas.

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.

East India Companies von Pascal Ribrault

East India Companies - Brettspiel Rezension Test - Feature Image

Im Kern ein tolles Wirtschaftsspiel, wie ich es liebe. Man benötigt das richtige Timing im Umgang mit seinen Mitspielenden, wie auch das richtige Näschen für ein gutes Geschäft. Eigentlich ein ganz klares, positives Spielerlebnis. Jedoch wäre ein anderes Thema die weit bessere Wahl gewesen.

Spielstil – Wertung

Christian:

8/10
Das gefiel uns
  • Hohe Spielerinteraktion.
  • Spannende Timingfragen.
  • Tolle Illustrationen.
Das nicht so
  • Thematisch unreflektiert und verklärt.
  • Sich stark wiederholend.
  • Sehr geradlinig.

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.

Christian Renkel

Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

So erreicht ihr Christian:

4 Comments
  1. Danke für den sehr schön geschrieben Test.
    Ich glaube ich könnte die Bedeutung hinter manchen Aktionen nicht einfach so ausblenden.
    Das ist mega schade, da das Spiel soooo schön aussieht…
    Da bin ich hin und hergerissen aber aktuell eher auf der „könnte ich nicht so wirklich genießen“ Seite…

    Reply
  2. Bei manchen Spielen würde ich mir eine separate Karmaleiste wünschen. Unabhängig vom Punkte sammeln im Spiel selbst zählt man nach heutigen moralischen Grundvorstellungen negativ behaftete Aktionen/Entscheidungen zusammen. Bei vielen Spielen wie auch East India Companies könnte ich es mir jedenfalls sehr spannend vorstellen, auf welche Entscheidungen der neueste Punkterekord aufgebaut ist. Als separate Leiste deshalb, weil man es ja nicht unbedingt ins Spiel mit Nachteilen einbauen kann. Ebenso müsste natürlich auch garantiert sein, dass dann Autoren und Verlag zumindest in der Anleitung über die geschichtlichen Hintergründe aufklären – und nicht bloß mit dem Argument daherkommen, es sei ja alles nur fiktiv.

    Reply
    • Portrait-Christian Renkel-quadratisch-2

      Die Karmaleiste klingt tatsächlich interessant! Danke für die Idee! Dafür müsste aber natürlich auch im Klartext gesagt werden, was sich dahinter versteckt.

      Tom und ich haben darüber in unserer aktuellen Podcast Episode (Und die Moral von der Geschicht…) gesprochen.

      Reply
  3. Ich kenne zumindest ein Spiel, das eine Art Moralleiste nutzt: Scythe
    Da gibt es den Wert „Ansehen“, dessen Höhe am Ende den Punktemultiplikator bestimmt. Und wenn ich Krieg führe und damit unbeteiligte Arbeiter vernichte, dann sinkt mein Ansehen und damit auch meine Punkte am Ende des Spiels.

    Reply

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