SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Carsten Lauber
erschienen bei Feuerland Spiele
Je mehr ich lerne, desto mehr wird mir bewusst, wie wenig ich weiß. Mir ist klar, dass die Grundbotschaft dieses Ausspruchs nicht neu ist, sondern von einem der größten Denker der Neuzeit stammt. Und auch mir geht es so. Da denkt man, man hat relativ solide Geschichtskenntnisse und dann kommt ein Spiel, wie Crystal Palace um die Ecke. Thematik, die Weltausstellng 1851, die in eben jenem namensgebenden Gebäude stattgefunden hatte. Um einen weiteren großen Denker zu zitieren. Again what learned. 😉
Crystal Palace ist das Erstlingswerk von Carsten Lauber und erhält sofort ein „Uwe Rosenberg Collection“ Siegel? Bedeutet das tatsächlich etwas, oder ist das reines Marketing von Feuerland? Wir sagen es euch.
(Friedrich Wilhelm Hackländer – London 1851 Weltausstellung)
Auch, wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, ist Crystal Palace vom Regelumfang her gar nicht ganz so wild. Der Ablauf ist dabei so klar, dass dieser komplett an den unteren Rand jedes Spielertableaus passt.
Obwohl es sich um ein klassisches Worker-Placement Spiel handelt, hat Crystal Palace eine Besonderheit. Die Arbeiter werden durch Würfel dargestellt. Geheim stellt jeder Spieler den Wert jedes Einzelnen ein. Je höher, desto besser lassen sich die Arbeiter platzieren. Jedoch beeinflusst ihr Wert auch gleichzeitig die Kosten, die zu tragen sind.
Abwechselnd legen wir nun die Würfel an die unterschiedlichen Orte und benötigen dafür einen Wert, der mindestens so hoch ist, wie der aufgedruckte. Sind alle Würfel gesetzt, werden die Orte nacheinander abgehandelt. Dabei sammeln wir neue Baupläne oder berühmte Unterstützer, besorgen neue Materialien oder Investitionen, kümmern uns um Fortschritte und Erweiterungen unserer Arbeiter, sowie das Einsetzen unserer Assistenten. Außerdem sollte man immer einen Blick auf die Werbetrommel werfen, die gerührt werden möchte.
Sind die Ortsaktionen ausgelöst, gehen wir dazu über die Baupläne in Prototypen umzuwandeln und unsere Unterstützer zu bezahlen. Außerdem wollen ja noch die Einnahmen verwaltet und Bonusse eingesammelt werden und schon beginnt eine neue Runde.
Ein Blick auf das ganze Material verrät es natürlich sofort. Die Ausführung oben war sehr verkürzt und lückenhaft. Aber die Details würden hier alles sprengen. Wenn ich zum Beispiel erzähle, dass das Gehalt unserer Unterstützer ebenso beeinflussbar ist, wie die stets sinkenden Einnahmen. Aber dennoch möchte ich noch auf ein paar Besonderheiten eingehen.
Da wäre unser Tableau, welches schon eine Fülle an Entscheidungen beinhaltet. Dabei ist die geringste, dass wir einen Assistenten haben, den wir fördern können. Je nach Land haben wir andere Voraussetzungen, jedoch lohnt es sich, da es hierfür am Ende des Spiels Punkte gibt. Abzüge dagegen gibt es für jedes Feld, das wir im Verlauf des Spiels nicht überbauen. Sei es durch Forschungsplättchen oder Kredite.
Wo wir schon bei Krediten sind. Wie im echten Leben sind Banken auch in Crystal Palace so nett uns immer mit dem nötigen Kleingeld zu versorgen. Wer es jedoch nicht schafft diese bis zum Ende des Spiels zurückzuzahlen, erhält dann statt 5 bis zu 10 Minuspunkte. Je Kredit. Ein Pakt also, der einem zum Schluss auf jeden Fall schadet, ihr beeinflusst dabei, wie sehr.
Nach fünf Runden endet das Spiel und alle Plus- und Minuspunkte werden aufgerechnet. Ihr wisst es wahrscheinlich schon, aber – Überraschung – wer die meisten sein Eigen nennt, gewinnt.
(Friedrich Wilhelm Hackländer – London 1851 Weltausstellung)
Wie oben bereits erwähnt, sind die Regeln von Crystal Palace nicht allzu schwer zu erlernen. Alles fasst gut ineinander. Dabei wird der Ablauf nicht durch viele unnötige Sondererregeln aufgebläht, die Komplexität vortäuschen sollen, ohne Tiefe zu bieten. Das ist ein großer Pluspunkt von Crystal Palace gegen ähnliche Schwergewichte.
Dazu hat mich das Thema sofort abgeholt, was aber, wie so häufig, eher an der Optik liegt, als am Spielgeschehen selbst. Aber, wenn ich eine bekannte Persönlichkeit nach der anderen entdecke (ob fiktiv oder mal real existierend), freue ich mich darüber, ohne groß darüber zu sinnieren, ob sie alle tatsächlich zur entsprechenden Zeit gelebt haben oder auch tätig waren.
Das Spiel selbst ist geprägt von Zwängen. Denn Geld ist ein rares Gut, welches zwar über verschiedene Wege erlangt werden kann, jedoch stets Mangelware ist. Das treibt einen irgendwann immer in die Arme der Bank und es beginnt der Tanz, in dem man immer versucht, gerade genug Barschaft zu haben, und dennoch weniger Kredite, als die Mitspieler.
Was nicht ganz so gelungen ist, ist der vorhandene Glücksfaktor. Denn es kommen, vor allem im Spiel mit 2 – 3 Spielern, nicht alle nötigen Karten ins Spiel. So kann es vorkommen, dass einer der Mitspieler, ohne es zu wissen, gerade die richtigen Prototypen genommen hat. Seine verknüpften Unterstützer kommen ins Spiel, während die anderen in die Röhre schauen. Das gibt wertvolle Pluspunkte, die anderen eben fehlen. Andererseits habe ich auch bereits Partien gewonnen, ohne überhaupt einen Unterstützer einzustellen. Aber ich denke, hier macht die Dosis das Gift. Also, je nach Verlauf der Partie wirkt sich das mal mehr, mal weniger aus.
Die Würfel vor dem Zug in ihrem Wert einzustellen, ist für mich zwar interessant, aber nicht ganz so meins. Ich schaffe es einfach nie einen sauberen Mittelweg zu finden und biete meist zu viel oder zu wenig. Das führt zwar zu lustigen Momenten, aber so richtig gut fühlt es sich für mich nicht an, obwohl es realistischer ist, als manch hartes Wirtschaftsspiel.
Eines muss man noch wissen. Crystal Palace kann sehr böse sein. Denn die Interaktion beschränkt sich nicht darauf, dass Einsetzplätze weggenommen werden können. Nein, wir sind auch dazu in der Lage im Nachgang höherwertige Arbeiter zu verwenden, so dass ein Mitspieler, der die Aktion schon sicher eingeplant hatte, wieder verdrängt wird. Das liegt nicht jedem, denn manch Kette bricht einem Kartenhaus gleich zusammen, wenn eine einzelne Komponente entfernt wird. Aber dafür haben wir eine dichte Spielerinteraktion.
Auch, wenn Crystal Palace für mich nicht perfekt ist, ist es ein gutes Spiel, welches ich gerne auf den Tisch bringe. Aber nur bei Mitspielern, die über ein dickes Fell verfügen, da ein gut vorbereiteter Plan gerne mal in die Hose gehen und auch das Glück mal mehr in eine Richtung ausschlagen kann.
Crystal Palace von Carsten Lauber
Ein tolles Erstlingswerk, das einen genügend Steine in den Weg legt, um interessante Entscheidungen zu ermöglichen. Der Glücksfaktor, durch die Karten-Kombinationen, wie auch die Möglichkeit zerstörerisch zu spielen, liegt nicht jedem, sorgt jedoch für eine neue Geschmacksrichtung im Euro-Eintopf-Einerlei.
Christian:
Hinweis:
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Daniel Kießling
In der Zusammenfassung von Christian finde ich mich ganz gut wieder. Ich sehe das Spiel aber als Mischung aus Euro und Wirtschaftsspiel und möchte noch einmal betonen, dass es dabei knallhart ist. Damit ist auch die Einschätzung für „Fortgeschrittene“ für mich nicht passend und ich würde es eher „Experten“ empfehlen. Mögen die Regeln noch verhältnismäßig einfach sein, ist die Verzahnung, der permanente Geldmangel und die teils fiese Intteraktion gepaart mit dem moderaten Glücksanteil für unerfahrenere Spieler schnell extrem frustig.
Dazu kommt noch, dass die Punktevergabe genau entgegengesetzt zu den meisten Spielen verläuft. Es werden anfangs sehr viele Punkte ausgeschüttet und das nimmt zum Spielende hin ab, wobei es bei der Endwertung auch gerne noch einmal massive Minuspunkte hagelt.
Aber genau diese Punkte machen es für mich zu dem Euro-Kleinod der letzten SPIEL. Bekannte Mechanismen werden erfrischend anders präsentiert. Trotz der eigentlich recht niedrigen Komplexität braucht es eine gewisse Einarbeitungszeit, aber spätestens bei der vierten Partie wird es zu einem hoch interaktiven Hauen und Stechen. Ich würde es gerne viel häufiger auf den Tisch bekommen und kann es nur jedem empfehlen, der auf interaktive Euros steht!