Charterstone - Vorschau

SPIELSTIL Rezension

Charterstone (App)

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Jamey Stegmaier
erschienen bei Acram Digital

- 12.Okt.2020

Dass sich bei einem Computerspiel nach und nach die Spielwelt und die Möglichkeiten des gesteuerten Protagonisten verändern, ist ja keine Neuheit – seit Jahrzehnten kennen wir solche Kampagnenspiele. Mit den Legacy-Spielen wurde dieser Mechanismus dann (mal mehr, mal weniger erfolgreich) in die Brettspielwelt getragen; angefangen mit Risk und Pandemic Legacy, dann sehr bekannt mit dem Dungeoncrawler Gloomhaven.

Mit dem Legacy-Brettspiel Charterstone wird nun ein solches Spiel wieder zurück in die digitale Welt portiert – was irgendwie schon ironisch ist: Ein Mechanismus der Computerspiele wird als Brettspiel umgesetzt und dann wieder zurück auf den Bildschirm getragen. Ob das so gut funktioniert, haben wir uns mal angeschaut.

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.

(Mahatma Gandhi)

Eigentlich besteht eine Partie Charterstone nicht aus einer einzelnen, sondern aus 12. Mit jedem gespielten Spiel verändern die Mitspieler dabei die Welt, in der sie agieren. Sie bauen Gebäude mit neuen Aktionsmöglichkeiten, führen neue Spielregeln ein und versuchen dabei, möglichst effektive Siegpunkte-Maschinen zu erstellen. Nach diesen 12 Partien gibt es eine Gesamtabrechnung, um zu sehen, welcher Spieler das komplette Spiel gewonnen hat.

Charterstone - Spielerauswahl

Im Grunde bleibt Charterstone jedoch erst einmal ein simples Worker-Placement-Spiel, bei dem man nach einfachen Regeln verschiedene Rohstoffe sammelt, diese umwandelt und damit schließlich neue Gebäude errichtet. Diese wiederum erlauben andere Arten der Umwandlung, die lukrativer oder effektiver sind – und so weiter und so fort: Dabei ist nichts wirklich Neues zu entdecken.

Jedoch bleiben einmal errichtete Gebäude auch für die folgenden Partien bestehen, während die errungenen Rohstoffe (oder Siegpunkte) am Ende einer Partie verfallen. Für die Partie jedoch sind sie wichtig; denn an deren Ende wird ein “Abschnitts-Sieger” ermittelt. Dieser bekommt nun Punkte, um damit permanente Sonderfähigkeiten freizuschalten, wie zum Beispiel mehr Karten auf der Starthand, zusätzliche Arbeiter oder auch die Mitnahme von Ressourcen in die nächste Partie. Auch die anderen Spieler gehen dabei nicht leer aus – lediglich bekommen sie weniger Punkte zu Verteilen, als der Sieger.

Charterstone Spielsituation

Sehr schön ist natürlich, dass man das Spiel sowohl mit Freunden in einer asynchronen Online-Partie (bzw. mehreren Online-Partien) als Kampagne spielen kann – oder auch gegen den Computer mit wahlweise bis zu 5 AI-Spielern in individuell einstellbaren Schwierigkeitsgraden für jeden Gegner. Und natürlich auch in einer Mischung aus beidem – also mit einem Freund online spielen und dabei zwei AI-Gegner dazu nehmen.

Schuster, bleib bei deinem Leisten.

(Apelles)



Thomas meint:

Die Änderungen werden im Brettspiel selbst mit Umschlägen, beschreibbaren Karten oder abkreuzbaren Erfolgstafeln umgesetzt. Es ist auf gewisse Weise aufregend, dass man “Kisten” öffnen darf, darin neue Karten für die Gesamtpartie findet! Man ist quasi der Entdecker von Neuem, man verändert das Spiel dauerhaft. Anfangs gab es in der Szene der Brettspieler Vorbehalte und Unbehagen gegen eine solche “Zerstörung” des Spiels (wie es manche sehen) – doch schnell gab es eine große Fangemeinde, die diese Aufregung des Entdeckens und Veränderns zelebrierten.
Wir erhalten zu Spielbeginn direkt eine Kiste.
Die Spannung steigt.
Wir haben eine neue Regel.
Aus diesen Emotionen zieht auch Charterstone sehr viel seines Erfolges. Doch muss ich leider sagen: Während auch ich am Tisch aufgeregt bei diesen Legacy-Spielen mitfiebern kann, entlockt mir das Öffnen oder Freischalten von neuen Inhalten am Bildschirm nur ein müdes Gähnen. Das ist nichts Neues bei Computerspielen; eher im Gegenteil: Es ist quasi schon der Urschleim eines Computerspiels. Somit kann Charterstone damit also wenig bei mir punkten – eher im Gegenteil! Da die App das Brettspiel sehr exakt umsetzt (was ich ja sonst sehr begrüße!), ist der gesamte Mechanismus rund um das Freischalten unnötig aufgeblasen – natürlich, weil er in einem Brettspiel bestimmte Vorgehensweisen benötigt. Doch hier umständlich eine Kistenkarte zu erwerben, die man dann mit einer eigenen Aktion öffnen muss, woraufhin neue Karten ins Spiel kommen, erscheint unnötig kompliziert.
Charterstone - Story
Und das ist dann letztendlich auch das Gefühl, wenn man das Spiel spielt: Unnötig kompliziert. Die vielen, vielen kleinen Details, die nur dem Legacy-System geschuldet sind, blasen ein im Kern eigentlich sehr simples und banales Worker-Placement-Spiel auf zu einem unübersichtlichen Monstrum, welches aber nicht sonderlich originell ist. Am Tisch ist das Aufregendste das Verändern des Spiels selbst – am Bildschirm fällt dies weg und damit klappt auch das Kartenhaus in sich zusammen und spätestens nach 6-7 Partien wird es eher ermüdend und anstrengend und man wünscht sich eigentlich nur noch, dass es bald vorbei ist.
Charterstone - Spielsituation 2

Der Siedler Wuselfaktor.

Fairerweise möchte ich aber betonen, dass das Spiel unglaublich niedlich und schön umgesetzt worden ist. Das Spielfeld ist immer in Bewegung und es entsteht ein Siedler-Wusel-Faktor, was toll anzusehen ist und Spaß macht. Und es wurde auch der Legacy-Faktor berücksichtigt: So kann man in der Tat wie im Brettspiel auch allen Karten ihre eigenen Namen geben und der Partie seinen persönlichen Touch geben – wenn man denn möchte.

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.

Charterstone (App) von Jamey Stegmaier

Charterstone - Vorschau

Ein extrem genau umgesetztes Spiel mit wunderschöner Grafik und guter UI – welches aber den Reiz der Veränderung der Brettspielvorlage nicht einfangen kann, weshalb es leider in der Langeweile abstürzt.

  • Erscheint bei Acram Digital
  • Für 1 – 6 Spielende und dauert 20 Minuten je Partie
  • Am besten geeignet für Experten

Spielstil – Wertung

Thomas:

5/10
Das gefiel uns
  • Gute User Interface.
  • Tolle Grafik.
  • Sehr genaue Umsetzung.
Das nicht so
  • Es gelingt nicht, den Reiz der Vorlage einzufangen.
  • Zu viele Einzel-Partien, um schließlich ein komplettes Spiel abzuschließen.

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

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Thomas Büttner

Tom schätzt neben komplexen Euros auch thematisch satte Solitär-Meisterwerke - und natürlich feine App-Umsetzungen. Dabei wird er schon mal ungehalten, wenn die Steuerung umständlich ist oder das User Interface unintuitiv.

So erreicht ihr Thomas:

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