SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Richard Garfield
erschienen bei Amigo-Spiele
Ob Richard Garfield Montage hasst, ist mir nicht bekannt. Dafür weiß ich, dass dieser Mann einen großen Einfluss darauf hatte, was mit meinem Taschengeld passierte. Denn bevor überhaupt an Carnival of Monsters zu denken war, hatte er Magic the Gathering erfunden. Ein Sammelkartenspiel, das man nicht vorstellen muss. Denn auch, wenn man selbst der Versuchung widerstehen konnte, ist einem der Name ein Begriff.
Mit Carinival of Monsters hatte ich auf der Spiel 2018 den ersten Berührungspunkt. Dort hingen am Stand von Amigo Spiele diverse Ankündigungen für den neuen Richard Garfield. Ein Drafting Spiel, in dem wir in den hintersten Winkeln der Welt auf die Jagd nach Monstern gehen, um sie auszustellen und damit Ruhm und Geld zu verdienen. Nun haben wir in vielen Partien geprüft, ob der Stardesigner sein Handwerk noch versteht oder ob man sicherheitshalber noch viele namhafte Künstler engagieren musste, um zu kaschieren.
(Pablo Picasso)
Das Grundprinzip von Carnival of Monsterst ist durch die vielen Kopien von 7 Wonders bereits bekannt. Wir erhalten Karten, von denen wir eine wählen und den Rest an einen Mitspieler weitergeben. Von den so erhalten Karten wählen wir wieder eine und so weiter. Neu ist, dass wir uns nun entscheiden müssen, ob wir Karten direkt ausspielen oder sie doch erst einmal gegen einen kleinen Obolus parken möchten.
Dabei entscheidet die Kartenart, wie wir sie auszuspielen haben. Während normale Länder einfach in die Auslage wandern, benötigen entfernte Länder bereits eine bestimmte Anzahl Gegenden der gleichen Art. Monster wiederum müssen wir mit Länderpunkten aus unserer Auslage bezahlen. Mitarbeiter kosten Geld, bringen aber individuelle Vorteile, wie zum Beispiel Geld, wenn wir bestimmte Monster ausspielen. Dann gibt es noch Eventkarten, die uns einen kleinen Bonus bescheren und zuletzt geheime Missionen, die am Ende des Spiels Siegpunkte über uns ausschütten.
So wird das Spiel über vier Runden gespielt. In jeder von ihnen liegt eine Karte aus, die angibt, für welche Monstergattung aktuell eine Belohnung ausgelobt ist. Außerdem müssen wir zwischen den Runden jeweils dafür sorgen, dass unsere Monster im Zaum gehalten werden können. Schließlich finden wir auf unserer Reise richtig gefährliche Biester, die zwar nie ausbrechen, aber unser Konto ganz schön belasten können. Denn es wird gewürfelt und je fehlendem Käfig, den wir nicht anders kompensieren können, müssen wir 3 Kronen Strafe zahlen, was uns zwingt, Kredite aufzunehmen, die am Spielende massig Minuspunkte bringen.
Ist das Spiel vorbei zählen alle Spieler die Siegpunkte, die sie gesammelt haben. Wer dann die meisten Punkte hat, gewinnt.
(Friedrich Wilhelm Nietzsche)
Ich bin kein Fan von Drafting Spielen. Bereits das oftmals gefeierten 7 Wonders fand ich ganz nett, aber nicht besonders unterhaltsam. Auch die vielen Kopien – ob mit Drafting als Hauptmechanismus oder als Nebenschauplatz – fühlten sich irgendwie nie so richtig gut an. Dementsprechen skeptisch bin ich an Carnival of Monsters herangegangen. Während ich also, vor der ersten Partie, die schön sortierten Karten immer und immer wieder mischte, dachte ich schon, dass das Spiel genauso wird, wie die vielen davor. Und ja, es hat natürlich alles, was ein Drafting Spiel ausmacht und ein klein wenig mehr.
Zuerst fallen natürlich die phänomenalen Illustrationen auf. Besonders die Monster sind, als Stars des Spiels, fantasievoll gestaltet. Mal gruselig, mal irgendwie süß. Auch die Optik des restlichen Materials weiß zu begeistern, obwohl die schiere Menge an Münzen mit hohen Beträgen fast schon einer Farce gleich kommt. Im Spiel selbst kämpft man derart mit den Finanzen, dass es uns nie gelungen ist, auch nur eine der 20er Münzen einzuheimsen. Und, wenn man es ganz eng betrachtet, ist das zentrale Spielbrett vollkommen überflüssig. Denn außer der Optik bietet es keinerlei spielerischen Mehrwert. Dafür sind die Spielertableaus, wie in letzter Zeit in vielen Spielen, sehr labbrig. Hier hätte man besser das Brett weggelassen und richtige Spielertableaus spendiert. Aber dann hätte man es auch nicht als großes Spiel verkaufen können. Vielleicht ist es auch eher ein Marketing-Ding. Für diesen Preis benötigen wir eine große Spielschachtel, damit es im Massenmarkt eine Chance hat. Schade eigentlich, aber verständlich.
Carnival of Monsters ist vom Regelumfang her direkt auf Familien zugeschnitten, sodass man auch mit weniger passionierten Spielern Spaß haben kann. Dennoch bietet das Spiel genügend interessante Entscheidungen, um nicht beliebig zu wirken. Fast jede Kartenhand zwingt mich dazu meinen Weg zu überdenken. Das geht aber Hand in Hand mit einer gehörigen Portion Zufall. Spezialisiere ich mich zum Beispiel auf Wälder und es kommen keine entsprechenden Monster ins Spiel, schaue ich in die Röhre.
Schön ist auch, dass keinerlei Downtime aufkommt, was natürlich ein Grundsatz der Drafting Mechanik ist. Dennoch sorgen die vielen Mikro-Entscheidungen dafür, dass das Spiel spannend bleibt. Vor allem dann, wenn gefühlt von allem zu wenig da ist und man überlegt, was man den Mitspielern überlassen kann, beziehungsweise, was hoffentlich wieder bei einem selbst ankommen wird. Gleichzeitig ist der Kampf ums Geld ständig präsent und treibt dadurch unser Handeln an. Wann kann man sich leisten noch einen Kredit aufzunehmen? Wie zwinge ich meine Gegner dazu?
Carnival of Monsters ist für mich ein tolles Gateway Spiel. Eigentlich kann man jeden sofort ins Geschehen integrieren, ohne gnadenlos zu überfordern. Alle haben ihren Spaß und eine Revanche wird gefordert. Perfekt wäre natürlich, wenn man die verfügbaren Karten auf die Spieleranzahl anpassen würde. Da jedoch alle mit den Gegebenheiten zu kämpfen haben, ist das schon ok. Ab und an wird man zwar abstruse Spielkonstellationen erhalten, aber das lässt sich verschmerzen.
Carnival of Monsters von Richard Garfield
Ein wahrer optischer Leckerbissen, der gerne genutzt werden kann, um Nichtspieler, die bereit sind etwas Zeit zu investieren, ins schönste Hobby der Welt einzuführen.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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