SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 9 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Nestore Mangone, Simone Luciani
erschienen bei Skellig Games, Thundergryph Games
Stellt euch einmal vor, ihr wärt bei der Fahrt der Beagle dabei gewesen. Ihr hättet Charles Darwin begleitet, wie er exotische Tiere entdeckt und sich fleißig Notizen darüber macht. Die Meeresluft kitzelt euch in der Nase und der Horizont verspricht immer weitere Abenteuer. Was für uns heutzutage spannend klingt, dürfte für manch Menschen damals aber garantiert als absolute Zeitverschwendung angesehen worden sein. Wir kennen solche Typen selbst aus der heutigen Zeit, aber das ist ein anderes Thema.
Ich wäre wahrscheinlich der arme Hund gewesen, der mit Darwin im Ruderboot sitzt und versucht mit einer Schildkröte Schritt zu halten, während mir der Forscher klarmacht, dass ich das Boot gefälligst stillhalten soll, während er seine Skizzen anfertigt. Und es wäre nur ein Gerücht gewesen, dass ich ihn direkt der Schildkröte hinterhergeworfen hätte. Garantiert.
Aber selbst das Szenario hat nur teilweise mit Darwin’s Journey zu tun. Denn wir befinden uns gar nicht an Bord er Beagle, sondern mit einem eigenen Boot im Fahrwasser derselben. Und wir haben allerhand Mühen mitzuhalten. Es gibt viel zu beachten, damit man seinen Teil beim Ruhm um die Forschung der Entstehung der Arten für sich beanspruchen zu können.
Doch eine Sache geht mir bei geschichtlichen Themen immer im Kopf herum. Was würden die Menschen von damals sagen, wenn sie erfahren, dass ihre mühevollen Unterfangen irgendwann in einem Spiel münden würden. Wären sie geehrt oder doch eher vor den Kopf gestoßen?
Aber kommen wir vielleicht lieber wieder zurück zum Wesentlichen, bevor wir uns in wilden Spekulationen verirren. Schließlich sind wir beim Brettspiel Darwin’s Journey und ob sich dieses für Liebhaber des Genres wirklich lohnt. Wir schlüpfen hier in die Rolle von Forschenden, die auf eine Entdeckungsreise gehen. Dabei haben wir es mit allem zu tun, was solch eine Reise mit sich bringt. Der Finanzierung, der Organisation und dem Ernten der Lorbeeren.
Gleichzeitig stellen wir fest, dass unsere Konkurrenz nicht schläft und jeden unserer Fehler für sich ausnutzen wird. Aber auch Darwin wird in den 20 Jahren, die er für seine Arbeit an der Entstehung der Arten gebraucht hat, Fehler gemacht haben. Zumindest bleiben uns schlechtes Wetter, raue See und hungrige Iguanas erspart!
Dafür dürfen wir unser Hirn zermartern und immer wieder feststellen, dass Pläne einfach nicht aufgehen werden. Denn eines ist gewiss. Egal wie gut wir uns darauf konzentrieren, was zu tun ist. Irgendein Mitspielender wird plötzlich eine brillante Idee haben und uns einen Strich durch die Rechnung machen.
Also schwingt euch an Bord und genießt eure Reise zu fremden Stränden. Bringt eure strategischen Fähigkeiten mit und zeigt euren Mitspielenden, dass auch ihr dazu bereit seid, anders zu handeln, als von ihnen erwartet wird.
(Charles Darwin)
In Darwin’s Journey versuchen wir über insgesamt fünf Runden die meisten Siegpunkte zu generieren. Hierfür haben wir Arbeiter, die wir auf die einzelnen Felder setzen, um die hinterlegte Aktion zu nutzen. So weit, so normal. Doch die Arbeiter haben eine Besonderheit. Denn jeder von ihnen verfügt über Wissen und ist somit darin eingeschränkt, wo er überhaupt eingesetzt werden darf.
Und noch wichtiger über die Partie erweitern wir das Wissen und schalten so nach und nach stärkere Einsetzfelder frei. Und damit noch nicht genug. Haben wir das passende Set an Markern für einen Arbeiter beisammen, können wir die zugehörige Charakterkarte von unserer Hand aktivieren. Somit ist Planung hier alles und endet nicht am Tellerrand des Einsetzfeldes selbst.
Mit den Aktionen können wir allerhand machen. Dass das Wissen erweitert werden kann, haben wir ja bereits erzählt. Aber es ist auch möglich, eine der Inseln zu erforschen, auf der man sich befindet. Dazu bewegt man den dort befindlichen Assistenten und löst den Bonus des Zielfeldes aus. Das können Geld, Siegpunkte, eine weitere Aktion oder aber auch ein Tier/Pflanze sein, die wir erforschen. Diese können wir dann später an das Museum melden, um dafür Geld und Wissen zu ergattern. Geld ist natürlich dazu da, um es auszugeben.
Über Wissen sammeln wir am Spielende viele Punkte. Je nachdem, wie viel wir davon anhäufen konnten und wie viele Plättchen dann im Museum liegen. Notizen über Tiere sind jedoch auch noch für einen anderen Punkt wichtig. Aufträge. Denn diese beziehen sich immer wieder darauf, dass wir bestimmte Notizen gesammelt haben müssen. Ob selbst erarbeitet oder im Museum abgeschrieben ist dabei egal.
Dann können wir noch unser Schiff bewegen. Auch hier können wir auf Aktionsfelder gelangen, aber eines ist viel wichtiger. Wir möchten mit der Beagle mithalten. Denn diese springt von Runde zu Runde. Liegen wir hinter ihr, werden wir mit Siegpunktabzügen bestraft. Außerdem sollten wir uns auch daran beteiligen, Briefe an die Heimat zu schreiben. Das klingt thematischer, als es eigentlich ist, denn hier geht es einfach um Mehrheiten und den Bonus daraus zum Rundenwechsel.
Um alles abzurunden, gibt es dann noch Sondereinsetzfelder, Auftragsfelder und den obligatorischen Startspieler. Jedoch sind noch nicht alle Felder zu Spielbeginn aktiv. Diese können wir durch einen Obolus freischalten und kassieren ab dem Zeitpunkt für jeden Mitspieler, der sich dort hinsetzt. Mit erfüllten Aufträgen schaltet ihr auf eurem Tableau noch weitere Bonusse für das Spiel selbst oder das Spielende frei.
Sind alle fünf Runden gespielt, gewinnt, wer die meisten Siegpunkte sammeln konnte. Das war jetzt nur ein ganz grober Überriss. Denn wir haben euch unter anderem unterschlagen, dass es Geld kostet, wenn man sich auf Felder setzt, in dessen Bereich schon Mitspieler stehen. Oder dass man noch Zelte aufstellen kann. Und so manches andere Detail, das ihr für diese Rezension nicht unbedingt wissen müsst.
Die komplette Spielregel zu Darwin’s Journey findet ihr hier. (externer Link)
(Artistoteles)
Ich muss jetzt kurz aus dem Nähkästchen plaudern. Und ich hoffe, dass Sandra das als das ansieht, was es ist. Nur eine ganz neutrale Feststellung ohne jegliche Wertung. Also Bussi aufs Bauchi, aber wir sind spielerisch manchmal nicht ganz kompatibel. Heißt in dem speziellen Fall, dass es diverse Spiele gibt, von denen Sandra extrem begeistert ist. Wenn wir diese dann spielen, bin ich manchmal etwas unterwältigt.
Das mag an der Fallhöhe liegen, die Sandras Begeisterung aufgebaut hat – und wer sie kennt, weiß, dass sie einen richtig mitreißen kann! So gab es dann diverse Erfahrungen, die wir einfach nicht teilen konnten. Als sie dann den internen Hype Train zu Darwin’s Journey startete, war ich schon auf alles gefasst. Doch auf das, was dann passierte, war ich nicht vorbereitet.
Wir haben bei ihr Darwin’s Journey gespielt und während der Erklärung dachte ich mir noch, dass sich das ja alles irgendwie ok anhört, es mich aber nicht so richtig mitreißt. Dann kam die Partie selbst und es war seit langem eines der besten Spielerlebnisse, die ich zu diesem Zeitpunkt hatte! Mein Gott war ich mitgerissen. So sehr, dass ich eines genau wusste. Ich muss das Spiel nicht nur haben, sondern ich möchte es noch viele Male spielen! Denn es hat mich thematisch und mechanisch voll getroffen. Ich liebe den Wettlaufcharakter, den das Spiel aufbaut.
Dabei meine ich nicht nur, dass ich mit der Beagle Schritt halten möchte, sondern auch, was meine Mitspieler so betreiben. Wo kann ich noch schnell einen Bonus abholen, bevor mir jemand dazwischenfunkt? Wann ist es besser auf einen meiner Aufträge hinzuspielen? Wo sollte ich meine Anstrengungen lieber auf anderes konzentrieren? Alles Entscheidungen, die für mich die besondere Würze darstellen.
Dabei ist Darwin’s Journey nicht unbedingt allzu zugänglich. Es gibt einiges zu erlernen, die Bildsprache ist nicht immer ganz eindeutig und das Spiel kann sich hart bestrafend anfühlen. Wenn man hinten liegt, mag es einem manchmal als unfair vorkommen. Zumindest dann, wenn man innerlich aufgegeben hat. Denn es gibt durchaus Möglichkeiten, sich wieder ins Spiel zu bringen. Man muss sie nur finden und für sich ausnutzen.
Aber das heißt auch, dass man vielleicht nicht direkt nach der ersten Partie verstanden hat, was man denn genau tut. Aber das ist wieder ein Punkt, der Brettspiele für mich reizvoll macht. Sie dürfen gerne eine Lernkurve bieten, mir die Möglichkeit geben, sie zu entdecken und immer besser darin zu werden. Hier macht das Spiel auch alles richtig. Es fordert mich heraus, es beim nächsten Mal besser zu machen und dennoch hatte ich mit jeder Partie einfach eine richtig gute Zeit.
Das einzige, was ich dem Spiel wirklich anlaste, ist, dass es manches eindeutiger hätte abbilden müssen! Wann kostete mich eine Aktion etwas? Wann ist der aufgedruckte Geldwert aber ein Rabatt? Das war für mich teilweise schwer nachvollziehbar, da man rote Zahlen in den Münzen nicht unbedingt gut sieht. Das ist ein unnötiger Stolperstein, den es nicht braucht. Ich möchte mich auf das Spiel und dessen Aufgabe konzentrieren und mich nicht ständig fragen, ob ich die Aktion gerade richtig behandle. Aber ja, das ist Jammern auf hohem Niveau.
Was ich dagegen liebe, ist die Möglichkeit, die eigenen Arbeiter zu spezialisieren. Durch die Wachssiegel schalte ich nicht nur immer besser Aktionsmöglichkeiten frei, sondern eben auch Wege, die ich in dieser Partie gehe. So fühlt sich dann jede Partie auch etwas anders an. Ich kann auf die neue Auslage reagieren und sehen, wohin mich mein Weg führt.
Unschön ist es dann nur, wenn der Zufall extrem zuschlägt und mir das Spiel unnötig erschwert. So hatten wir durchaus Partien, in denen die benötigte Wachsfarbe gar nicht auftauchte. Auch werde ich das Gefühl nicht los, dass manche Aufträge einfacher zu bewältigen sind als andere. Das gepaart mit einem starken Reihenfolgenbonus kann sich mitunter stark auswirken und nicht immer gibt es passende Gegenmaßnahmen, die man ergreifen kann.
Aber dennoch ist Darwin’s Journey für mich ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Es ist ein tolles Spiel mit einer tollen Aufgabe, das mich mitten ins Geschehen reinzieht. Dabei bringt es auch etwas mit, was vielen anderen Euros fehlt. Interaktion. Nur an der Bildsprache müsste man definitiv noch arbeiten. Das geht durchaus besser.
Darwin’s Journey von Nestore Mangone, Simone Luciani
Ich liebe Darwin’s Journey einfach! Es bietet alles, was ich von einem Spiel erwarte. Man hat etwas zu knobeln, interessante Entscheidungen und dennoch fühlt es sich unglaublich belohnend an. Leider ist die Symbolsprache nicht immer eindeutig.
Christian:
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