SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Isaac Vega, J. Arthur Ellis, Mr. Bistro
erschienen bei Plaid Hat Games
Das Genre des Piratenfilms taucht immer mal wieder im Kino auf. Die Zeit dazwischen ist teilweise schon recht lang und bis der nächste Jack Sparrow heran segelt, werden die Gezeiten noch viele Male gewechselt haben. Zum Glück hat Plaid Hat Games „Forgotten Waters“ herausgebracht, um uns das Thema lebendig zu halten. Wirklich zum Glück?
(Captain Jack Sparrow)
Wir sind echte Haudegen, Rum Säufer und Rumsäufer, Kanoniere und was weiß ich noch alles, aber wir haben ein Ziel, das Szenario zu schaffen. Als Spieler schlüpft man in die Rolle eines Piraten einer Schiffscrew. Dabei fallen einem bei weniger als 7 Spielern mehrere Rollen (Kanonier, Ausguck…) zu. Bevor es losgeht, bekommt jeder Spieler noch einen eigenen Lebenslauf, der sein Sternzeichen und seine Vorgeschichte definiert. Die Vorgeschichte wird durch Schlüsselwörter, die jede Piratenanwärterin einfügen soll. komplettiert.
Das Szenario wird über eine App gesteuert, man braucht also irgendeinen Rechner mit Zugang zum Internet. Der Bildschirm sollte am besten größer sein als der eines Handys. Die App hilft beim Aufbau des Szenarios, steuert welche Seite im Szenariobuch bespielt wird und stellt die Texte zur Handlung dar.
Eine Runde beginnt durch den Start des Timers in der App. Jeder muss nun seine Figur auf dem Buch gesetzt haben, bevor die Zeit abgelaufen ist. Rote Felder müssen dabei immer belegt werden, auf blauen darf nur ein Pirat stehen, während auf grünen beliebig viele platziert werden dürfen. Danach werden die Effekte der Felder von oben nach unten und in Reihenfolge des höchsten Ansehens abgehandelt. Dabei kann man Proviant bekommen oder verlieren, Attribute verbessern, Schätze finden, Crewmitglieder dazubekommen oder Schaden am Schiff nehmen. Hier bin ich jetzt absichtlich ungenau, weil ich damit schon spoilern würde.
Verloren hat man zum Beispiel, wenn die Schiffshülle bei null ist, die Zufriedenheit geringer ist als die Anzahl der Crewmitglieder, aber auch das Szenario selbst bietet schöne Möglichkeiten, versenkt zu werden. Gewonnen hat man, wenn das Ziel des Szenarios erreicht ist. Wer nicht alles auf einmal spielen möchte, kann zwischendurch auch speichern.
Die komplette Spielregel zu Forgotten Waters findet ihr hier. (externer Link)
(Fluch der Karibik)
Forgotten Waters ist eine Schatzkiste voller skurriler Charaktere, bekloppter Geschichten und abgedroschener Klischees, aber das so herrlich zusammengemixt wie unsere stinkende Crew. Das Spiel zitiert von allen wichtigen Piratenfilmen, aber vor allem von „Fluch der Karibik“ dem alles überragenden Paten. Wer zumindest einen der Filme aus der Reihe kennt und gut findet, hat sofortigen Zugang zur Welt des Spiels und kann an Bord gehen.
Forgotten Waters will Atmosphäre und überdrehten Spaß mit wenig Regeln transportieren und genau das schafft es. Schon allein das Ausfüllen des Spielerbogens stimmt auf das Kommende ein. Jede Geschichte wird durch die eigenen Schlüsselwörter einzigartig. Die vollständige Geschichte ist dann herrlich absurd, mit vielen platten Witzen, die aber gerne mal ein Schmunzeln hervorkitzeln. Während des Spiels darf man die Attribute seines Piraten fast in jeder Runde verbessern, was wichtig ist, denn gerade anfangs ist man richtig schlecht und verhaut etliche Proben. Je öfter man seine Attribute verbessert, umso mehr Felder streicht man auch in seinem Sternzeichen ab. Dies kann zu Sternzeichenereignissen führen, die einem eine weitere abstrus lustige Geschichte und auch Vorteile liefern. Am Ende des Szenarios erfährt man das weitere Schicksal seines Piraten und das ist besser je mehr Sternzeichenereignisse man hat. In unserem ersten Szenario sind wir alle auf sehr kreative Weise gestorben. Bei den Attributsverbesserungen ist es klug, wenn man sich etwas abspricht, sodass Piraten, die ein Attribut stark verbessern können, sich auch eher darauf spezialisieren.
Die 6 Szenarien sind stimmungsvoll, witzig und interessant und sogar auch mal spannend gestaltet. Bei all dem steht immer die Stimmung im Vordergrund, denn große Strategien muss man beim besten Willen nicht aufbauen. Wer die Möglichkeit hat, sollte auf jeden Fall in der App mal versuchen, sich die Texte vorlesen zu lassen. Der Sprecher hatte, glaube ich beim Einlesen der Texte ebenfalls seinen Spaß. Die App ist dabei angenehm zurückhaltend und dominiert das Spiel nicht, man startet den Timer, gibt eine Nummer ein und hört zu bzw. liest vor. That’s basically it. Prima.
Die Auswahl der Aktionen auf dem Buch finden unter Zeitdruck statt, da passieren auch mal Fehler. Wobei wir das nie als kritisch sahen, es hat die Sache eher angenehm beschleunigt. Man sollte sich aber schon ungefähr überlegen, wohin die Reise geht, denn sticht man völlig unüberlegt in See, erleidet man schneller Schiffbruch als einem lieb ist und das Szenario geht gleich mit unter. Mit dem Schiffbruch kommt dann auch der größte und im Wesentlichen einzige Kritikpunkt: Der Wiederspielwert. Die Lust, ein schon mal gespieltes Szenario erneut anzugehen, war bei uns nicht besonders hoch. Die Reise an sich wird durch die gezogenen Plättchen immer etwas anders sein, trotzdem die Geschichte bleibt dieselbe. Zudem kennt man die Seiten im Szenariobuch und weiß oft schon, was da kommt das lässt dann die Motivation schon mal kielholen.
Wir haben Forgotten Waters nie mit der maximalen Anzahl von 7 Leuten gespielt. Es war bis vor Kurzem sowieso kaum möglich. Zum einen fanden wir nicht, dass es mit mehr Leuten so viel lustiger wird oder dass das Spiel so deutlich gewinnt. Zum anderen wird es irgendwann einfach eng und noch chaotischer um das Szenariobuch, weil jeder seine Figur rechtzeitig auf ein gutes Feld setzen will. Eine zusätzlich übernommene Rolle war aber auch nie ein Problem, zu keiner Zeit hat es belastet.
Mir hat Forgotten Waters mit seiner Leichtigkeit, den schrägen Geschichten und dem Humor, der oftmals nicht so trifft, gut gefallen. Die spielerischen Untiefen waren mir manchmal zu viel. Ich weiß, das Spiel will das gar nicht, trotzdem hätte ich es gut gefunden, wenn man etwas mehr Strategie hätte anwenden dürfen.
Forgotten Waters von Isaac Vega, J. Arthur Ellis, Mr. Bistro
Eine lustig verrückte Fusion aus szenariobasiertem Spiel und „Fluch der Karibik“
Robert:
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