SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Cole Wehrle
erschienen bei Spielworxx
Das Thema von Pax Pamir ist nicht ganz unbelastet und so möchte ich statt mit einer klassischen Einleitung vielmehr mit einem Disclaimer beginnen:
Pax Pamir behandelt den Machtkampf in Afghanistan zwischen Russland, Großbritannien und den einheimischen Afghanen um die führende Rolle beim Wiederaufbau und dem damit verbundenen Zugriff auf die Ressourcen des Reiches nach dem Fall der Durrani-Dynastie im neunzehnten Jahrhundert. Dies ist insoweit problematisch, dass diese Zeit auch „Das große Spiel“ genannt wird, in der europäische Mächte für ihre Rivalitäten Zentralasien als Schauplatz auserkoren haben.
Das Spiel ist mit dem Thema durchtränkt und handelt von Macht, Verrat, Bündnissen, Heimtücke, Beeinflussung und Mord, um die eigene Position zu stärken. Es ist laut Autor Cole Wehrle gegen den Trend designet, die Kolonialisten zu glorifizieren, sondern soll vielmehr den Konflikt aus Sicht der bereits ansässigen Fürsten darstellen. Ich maße mir nicht an zu beurteilen, ob dieser Spagat tatsächlich gelingt, möchte aber hiermit die Problematik zumindest ins Bewusstsein rufen.
(Napoleon Bonaparte)
In Pax Pamir handelt es sich neudeutsch um einen Tableau-Builder. Die Spieler können in ihrem Spielzug immer zwei Aktionen ausführen. Eine mögliche Aktion ist der Kauf von Karten aus der 2×6 großen gemeinsamen Marktauslage auf die Hand. Dabei sind weiter hinten befindliche Karten teurer, muss doch auf jede davor befindliche nicht gekaufte Karte eine der raren Münzen gelegt werden.
Die zweite Aktion ist das Ausspielen von Handkarten in den eigenen Bereich (Hof), die dann in der Regel eine Änderung der Verhältnisse auf dem Spielfeld auslöst. So werden etwa Armeen eingesetzt, Stämme platziert oder Spione ausgesandt. Zu guter Letzt können noch Kartenaktionen der eigenen Auslage genutzt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Karten immer einer Farbe zugeordnet sind. Eine ist immer die „bevorzugte Farbe“ und deren Kartenaktionen können jederzeit einmalig pro eigenem Zug als freie Aktionen genutzt werden.
Es gibt bis zu vier Wertungen, hier Dominanzchecks genannt, bei denen die Spieler Punkte erhalten können. Das Spiel endet entweder nach dem vierten Check, wobei dieser die doppelte Anzahl an Punkten bringt oder sofort, wenn jemand nach einem Check mindestens vier Punkte vor allen Mitspieler liegt.
Die komplette Spielregel zu Pax Pamir findet ihr hier. (externer Link)
(Abu Muhammad al-Qasim ibn Ali ibn Muhammad ibn Uthman ibn al-Hariri al-Basri, arabischer Dichter und Grammatiker (1054-1122))
Der Aufforderungscharakter beim Öffnen der Schachtel ist erst einmal sehr hoch. Ein Spielplan aus Stoff (Wow!), Spielsteine aus Resin und Holz und hochwertige Pappkomponenten befriedigen den haptischen Anspruch an ein Spiel in perfekter Weise.
Pax Pamir macht es euch dann aber nicht so leicht. Kann man bei der kurzen Regelbeschreibung noch denken, dass wir es hier mit einem Leichtgewicht zu tun haben, trifft einen bei den Kartenaktionen die volle Komplexitätskeule. Hier müssen verschiedene Details im Kopf behalten werden und regelmäßig der Spielplan, der eigene Hof und der der Mitspieler sowie die Marktauslage beachtet werden. Möchte ich beispielsweise jemanden besteuern, geht das nur, wenn ich eine Region beherrsche und der Mitspieler eine Karte dieser Region in seinem Hof hat.
Ihr könnt also davon ausgehen, dass es in den ersten Partien immer wieder zu Regelfehlern kommt. Die Lernkurve ist definitiv vorhanden und eher steil. Es gibt sicherlich Spiele mit einem deutlich einfacheren Einstieg auch im Expertenbereich. Nach ein paar Runden kommt ihr aber bildlich gesprochen nach einem harten Anstieg auf ein Plateau und es öffnet sich eine Ebene voller Möglichkeiten vor euch. Waren die ersten Partien schon gut, so beginnt es spätestens jetzt zu glänzen.
Pax Pamir schafft etwas, das nur ganz wenigen Spielen vorbehalten ist: Das Ergebnis ist für das Spielerlebnis vollkommen irrelevant. Zum einen ist durch die doppelte Punkteausschüttung zum Schluss der Sieg meistens noch für jeden möglich. Zum anderen erzählen die einzelnen Aktionen der Spieler jedes Mal eine kleine Geschichte in den Ränkespielen um Macht und Vorherrschaft. Das Thema kommt an jeder Ecke durch und zieht mich in das Geschehen hinein wie es vorher noch kein Spiel bei mir geschafft hat.
Dazu passiert trotz der recht schnellen Abfolge an Aktionen jedes Mal ungeheuer viel auf dem Spielfeld. Das ist vielleicht auch der Grund, warum Pax Pamir nicht bei jedem die gleichen Begeisterungsstürme auslösen dürfte. Durch die vielen Faktoren kann ein Zug von dem ein oder anderen auch einmal zerdacht werden, was das Spiel ordentlich in die Länge ziehen kann. Das wird durch einen nicht zu unterschätzenden Glücksfaktor bei der Kartenauslage noch verstärkt. In seltenen Fällen liegt einfach nichts Passendes aus oder der Dominanzcheck kommt einfach zum unpassendsten Moment.
Mir haben die Partien zu dritt oder viert am besten gefallen, Pax Pamir funktioniert grundsätzlich aber in jeder Spielerzahl. Zu fünft wird es nur recht chaotisch. Aber egal wie groß eure Spielgruppe auch ist, kann ich nur jedem empfehlen, es zumindest einmal auszuprobieren. Für mich ist Pax Pamir ein absolut herausragendes Spiel und derzeit ohne Frage Platz 1 unter meinen Lieblingsspielen.
Während dem Verfassen dieser Zeilen wandert mein Blick schon wieder ins Regal, meine Finger fangen an zu kribbeln und wollen die Schachtel herausholen, das Spielmaterial aufbauen und… Okay, ich bin weg! Wir treffen uns in Afghanistan!
Pax Pamir von Cole Wehrle
Jede Partie ein Erlebnis! Ein Muss für alle Liebhaber von Expertenspielen, egal welches Genre normalerweise bevorzugt wird.
Daniel:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar selbst gekauft.
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Martin Dinkelacker
Bringt das Spielgefühl super rüber 🙂
Ist außerdem genau meine Meinung zum Spiel, eine meiner wenigen 10/10.
Spielt sich überraschenderweise auch alleine und vor allem zu zweit sehr gut. Ein Fehler kann das Spiel allerdings entscheiden…
Daniel Kießling
Lob hört man immer gerne und diese Spiel hat es absolut verdient. Auch wenn es für mich in jeder Konstellation funktioniert ist meiner Meinung nach die Reihenfolge bei den Spielerzahlen so: 4=3>2>5>1
Bezüglich Fehler: Oft macht ja jeder mindestens einen pro Partie 🙂
RALF BRECHTEL
Hi, klingt interessant. Wir haben Pax Viking in Preorder hab noch nie ein „Pax“ gespielt. Schon neugierig.
Grüsse
Michael Bucke
Sehr gutes Spiel, aber die Einschätzung, dass es alleine und zu Zweit funktioniert teile ich nicht. Gerade zu Zweit steigt der Glücksfaktor, dass eine sehr wichtige Karte in Auslage kommt, wenn man am Zug ist und diese holen kann. Da im Zweierspiel sich die Auslage nicht so schnell ändert, ist es schwer aufzuholen, wenn der Gegner ein – nis zweimal Glück hatte.
Solo ist es ganz nett, aber es gibt solo vieles was deutlich besser ist.
Zu dritt und und zu viert aber tatsächlich eine Perle.
RALF BRECHTEL
Jetzt beides Mal gespielt Pamir und Viking. Mir gefällt Viking besser, weil es das straightere Design ist. Nicht so komplex, aber ebenso böse.
Eine stetes Ausloten der Möglichkeiten, den Mitspieler an den Karren fahren wenn nötig und möglich. Ich würd sagen, es ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, welches Spiel man bevorzugt.
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