SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Tomáš Uhlíř
erschienen bei Czech Games Edition, HeidelBÄR Games
Schon 1996 wurde uns gezeigt, wie uns die Aliens angreifen würden: Eine gigantische Untertasse, ein großes UFO, also „Das Mutterschiff“ dringt in unsere Atmosphäre ein, positioniert sich über einem taktisch total sinnlosen Ziel, wie zum Beispiel New York oder Washington (wieso auch über einer Militärbasis, einem Luftwaffenstützpunkt oder einem Raketensilo angreifen, wenn man das weiße Haus haben kann?!) und beginnt damit, scheinbar endlose Wellen von Luft-Raum-Jägern auszusenden, um die Erde – oder zumindest eine Metropole – zu vernichten.
Zum Glück hatten wir 1996 Will Smith, der uns in Independence Day zur Seite stand. Und praktischerweise gilt USB als intergalaktischer Standard – und 32bit-Systeme sowieso! Damit konnten wir also die bösen (logisch!) Aliens zurückschlagen!
Dass die Aliens nicht klüger werden, zeigte sich 2020, als mit Attraction (Teil 2) quasi dieselbe Schiene gefahren wurde, um die Erde anzugreifen – gut, ok, dieses Mal ein weitaus wichtigeres Ziel: Moskau. Immerhin. Da könnten die Aliens Putin ausschalten, ehe dieser mit bloßer Brust auf seinem Space-Tiger hochgeritten kommt und die Aliens mit ein paar Judo-Moves unschädlich macht.
Was lernen wir daraus? Genau – Aliens greifen an. Mit einem Mutterschiff werden Metropolen attackiert. Also nur folgerichtig, dass wir dieses Konzept auch als Brettspiel zu sehen bekommen werden…
(Captain Steven Hiller, Independence Day)
…und zwar mit dem (reinen Solotitel!) Under Falling Skies.
Das Setting habe ich ja schon beschrieben: Wir befinden uns in einer Metropole der Erde, und Aliens greifen an. Dies tun sie (natürlich!), indem sie ihr Mutterschiff über der Stadt in Position bringen und dann Welle um Welle von Raumjägern auf uns loslassen, während das Mutterschiff tiefer und tiefer sinkt, bis es seine Massenvernichtungswaffe einsetzt (wahrscheinlich ein unglaublich großer Laser) und wir das Spiel verloren haben.
Dagegen können wir nur eines tun: Fieberhaft forschen, um so schnell wie möglich herauszufinden, wie wir diese Bedrohung ausschalten können! Was genau wir erforschen, ist eher vage gehalten – wir tun es einfach, bis wir das Ziel der Leiste erreicht haben, dann besiegen wir die Aliens und gewinnen das Spiel.
Aber um zu forschen, benötigen wir eine Basis. Diese befindet sich in einem Bunker unter der Stadt, und wird von uns kontinuierlich ausgebaut. Auf diese Weise können wir Energie produzieren, mit welcher wir unsere eigenen Abfangjäger starten, die eben erwähnte Forschung vorantreiben oder sogar Roboter einsetzen können, um unsere Basis zum Teil zu automatisieren. All dies erfolgt durch den Einsatz von Arbeitern – in Form von Würfeln. Wie gut diese arbeiten können, also wie effektiv, wird durch die erwürfelte Augenzahl festgelegt. Eine 6 produziert uns sehr viel Energie, eine 1 gerade genug, um unser Mobiltelefon wieder aufladen zu können. Doch alles hat seinen Preis!
So auch hier: Je emsiger oder effektiver unsere Arbeiter zur Sache gehen, umso mehr strengen sich die Aliens an. Bedeutet: Je höher die Zahl des Würfels, umso mehr Felder sinken alle gegnerischen Angriffsjäger ab. Erreichen sie unsere Basis, verursachen sie mit einem Angriff Schaden und kehren zum Mutterschiff zurück: Um aufzumunitionieren und erneut gegen unsere Basis zu starten!
Immerhin haben wir eine Möglichkeit, diese Angriffe abzuwehren: Wir können unsere eigenen Abfangjäger starten lassen, und wie auch bei allen anderen Feldern kommt es auch hier auf die Augenzahl des Arbeiterwürfels an: Die Aliens sind auf einer handvoll Felder verwundbar für unsere Angriffe. Diese Felder haben quasi einen Abwehr-Wert – und unsere Abfangjäger schalten alle Aliens aus, deren Abwehr gleich oder niedriger ist als der Wert des Arbeiters. So müssen wir also sorgfältig den Moment vorbereiten, wenn möglichst viele Gegner getroffen werden können und dann unsere eigenen Jäger starten.
Die komplette Spielregel zu Under Falling Skies findet ihr hier. (externer Link)
(Deutsches Sprichwort)
Nun; ich mag keine Würfelspiele. Und noch weniger mag ich Solo-Würfelspiele. Da denke ich immer: Was muss ich tun, um besser zu werden? Die Antwort: Besser würfeln! Das finde ich eher langweilig; das Spiel verkommt für mich dabei zu einer Beschäftigungstherapie – Spielen um des Spielens willen.
Doch auch wenn bei „Under Falling Skies “ die Würfel quasi die Hauptrolle spielen, ist dieses Spiel mein neuer Favorit unter den Solo-Spielen! Denn ja – ich würfle – aber es gibt kein „gut“ oder „schlecht“ bei den Ergebnissen. Würfle ich hoch, ist es gut für den Einsatz in meiner Basis, weil ich viel Energie generiere oder einen großen Schritt auf der Forschungsleiste machen kann – aber es ist auch schlecht, weil nun die Aliens in dieser Spalte sehr weit voranschreiten! Dagegen bringt mir eine 1 sehr wenig, doch rutscht auch das Alien nur einen Schritt vor. So geht es also weniger darum, ob ich hoch oder niedrig würfle – es geht eher darum, ob ich passende Zahlen für meine Strategie würfle. Und hier habe ich meist genug Optionen, um flexibel zu planen. In all meinen Partien kam es selten auf einen einzigen Würfelwurf an. So etwas finde ich toll!
Wer nach meiner Beschreibung denkt: Ach, das ist ja ein nettes, kleines Spiel, der irrt: Das Grundspiel besteht aus drei Städten, jede dieser Städte kommt mit eigenen Sonderfähigkeiten daher. Außerdem kann ich das Spiel auf diese Weise schon auf 5 Schwierigkeitsstufen spielen: Je nachdem, wie viele der vier den Luftraum ausmachenden Spielplanteilen ich wende, wird das Spiel sukzessive schwerer. Immer noch nicht genug Abwechslung?
In der Box befindet sich eine Kampagne, bestehend aus 7 Kapiteln. In jedem Kapitel habe ich die Wahl zwischen zwei Szenarien und außerdem kommen nun weitere Sonderräume in der Basis hinzu und Ereignisse am „Himmel“. Außerdem gibt es alle 2 Kapitel einen Comic, der die Geschichte weiter erzählt! Und mehr noch: Es kommen unzählige weitere Städte hinzu, wie auch Helden, deren Fähigkeiten mir den Kampf gegen die Aliens erleichtern. All diese Komponenten kann ich danach auch im normalen Spiel verwenden: Ich kann Szenarien verwenden, ich kann mit meinem Lieblingshelden spielen oder auch eine der vielen neuen Städte auswählen – damit all dies auch in irgendeiner Weise „messbar“ bleibt, kann man anhand von schwarzen und goldenen Sternen auf den Komponenten die effektive Schwierigkeit der gespielten Partie festhalten.
Kommen wir zu den Komponenten: Alle Pappteile sind auf dicker, stabiler Pappe gedruckt. Das betrifft sowohl die Spielplanteile des Himmels, der Stadt und der Basis, als auch die Helden und Szenarien – hier hätte man auch Karten nehmen können, aber die Wahl für die Papptafeln war gut – es fühlt sich alles aus einem Guss an. Auch die Grafiken sind sehr schön geworden und auf der einen Seite funktional und klar erkennbar mit den Symbolen. Auf der anderen Seite sehr schön thematisch. So hat jede Stadt auch ihre typische Skyline mit den Gebäuden, die man mit dieser Stadt in Verbindung bringt. Also dem Eiffelturm in Paris oder dem Opernhaus in Sydney. Die Aliens sind kleine Plastik-Raumschiffe, unser Tunnelbohrer ein bedruckter Holzmeeple. Die Würfel sind vielleicht die einzige Komponente, die ein wenig billig wirkt – es sind recht einfache Holzwürfel. Aber das Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau.
Die kleine Box ist also randvoll mit Spiel – sowohl physisch (die Komponenten passen gerade so wieder hinein) als auch im eigentlichen Sinne des Spiels – man kann hier unzählige Partien absolvieren, bei denen keine der anderen gleicht und man immer wieder ein episches Erlebnis hat, wenn man seine Stadt verteidigen konnte!
Under Falling Skies von Tomáš Uhlíř
Ein flott gespieltes Solospiel mit sehr viel Abwechslung und tollem Spielmaterial.
Thomas:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Ralf Brechtel
Hallo Thomas, schöne Rezi. Hab das paarmal gespielt und stimme dir zu. Für mich ist das Spiel nichts. Nicht weil ich es schlecht finde, sondern weil ich würfeln auf den Tod nicht ausstehen kann. Das ist aber mein Problem.
Thomas Büttner
Guten Morgen Ralf,
Hui – da wird die Luft aber dünn, wenn Du keine Würfel magst.
Ich habe es ja geschrieben – ich mag es nicht, wenn Würfel Glück bedeuten, so wie bei Mensch-Ärgere-Dich-Nicht: Eine 6 ist sehr gut, eine 1 ist sehr schlecht.
Bei Under Falling Skies bedeuten Würfel erstmal nur Zufall. Also auch nicht anders, als bei einem Deck Karten, von dem ich blind eine ziehe. Daher mag ich die Würfel bei Under Falling Skies… 🙂
Andreas
Habe ich vorbestellt. Freue mich, wenn es kommt.
Neben Black Sonata, Freitag, Orchad und Wolkenbruch soll es meine „kleine Solospiele“-Sammlung ergänzen. 🙂
Dan für die Rezi.
Thomas Büttner
Da nennst Du auch meine Lieblings-Solo-Spiele! (Außer Wolkenbruch – das kenne ich noch nicht… ?)
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