SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 10 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Retro Studios
erschienen bei Nintendo
Meine erste Begegnung mit Samus Aran dürfte ich Ende der 80er oder Anfang der 90er gehabt haben. So richtig erinnere ich mich nicht mehr, obwohl diese Zeit meines Lebens gefühlt maximal zehn Jahre entfernt liegt. Aber ich muss der Realität ins Auge blicken. Ich bin alt und deswegen vermische ich manch Erinnerung gerne mit dem, was ich mir einrede, dass ich erlebt habe. Zumindest bei relativen Nichtigkeiten. Aber ich weiß noch, dass eine Klassenkameradin in meiner Grundschule ein NES hatte.
Ich, der ich nur ein Atari 2600 mein Eigen nannte, war natürlich fasziniert von diesem Stück Videospielgeschichte. Wir verbrachten viele Nachmittage an der Konsole. Ich kann mich noch an Super Mario Bros. 1 – 3, Little Nemo, Swords & Serpents und Chip & Chap erinnern. Aber nein, Metroid war nicht dabei. Wieso denke ich also, dass ich damals dieses NES Kleinod bereits erlebt haben sollte?
Ganz einfach. Ich war Fan des Club Nintendo Magazins. Einem sehr cleveren Schachzug des Videospielgiganten, mit dem man hinter vielen Screenshots versteckt Werbung platzieren konnte. Bei mir hatte sie jedoch etwas anders funktioniert. Denn wenn ich mal nicht den bunten Bildern am Fernseher folgte, spielte ich einfach gedanklich während der Lektüre des Club Nintendo Magazins. Das hatte mit vielen Titeln wunderbar funktioniert. Schließlich gab es weite Bildstrecken, die man vollkommen analog erkunden konnte. So schlug ich mich bereits als Link durch die ersten Dungeons oder ballerte mich eben als Samus Aran durch die Höhlenwelten. Natürlich immer alle Gegner besiegend und jegliche Stelle problemlos meisternd.
Meine erste echte Begegnung mit einer digitalen Samus Aran war dann auf dem Game Boy. Metroid 2 hatte ich zwar nicht selbst – schließlich hatte mir meine Mutter Ballerspiele verboten – aber über den Freundeskreis hatte man doch Zugriff auf den einen oder andern Titel. Außerdem waren wir immer daran, uns gegenseitig alles zu leihen, was uns nur so in die Finger kam. Also ballerte ich mich durch die Gänge und stellte dabei fest, dass alles gar nicht so einfach war, wie es im Nintendo Magazin immer wirkte.
Es sollte noch einige Jahrzehnte dauern, bis ich es endlich schaffte und Metroid 2 beendete. Das machte aber nichts, schließlich waren bereits die nächsten Spiele im Modulschacht gelandet und der Kampf im All erst einmal vergessen. Dann kam natürlich irgendwann Super Metroid, welches ich mir gebraucht aus einer Videothek gekauft hatte. Die Hülle meines Exemplars war zwar nicht schön – schließlich steckte das Spiel in einer rosa VHS Verpackung – aber selten. Außerdem kann man dieses Ausnahmespiel nicht in Worte fassen. Wie herrlich alles war, wie toll die Erkundung. Alles schien perfekt.
Der nächste Ausflug ins All kam dann auf dem GameCube. Ein Spiel namens Metroid Prime, nach dem ich mich schon lange sehnte, wurde zum Release gekauft. Was soll ich sagen? Veni, Vidi, Violini! Ich kam, sah und vergeigte. Der Metroid Prime Schwierigkeitsgrad war zu diesem Zeitpunkt viel zu hoch. Ich tat mir mit diesem Spiel unglaublich schwer. Alles schien viel zu schnell, viel zu ausufernd, viel zu zielgenau. Gerade so schaffte ich es bis zum ersten Boss, dann fasste ich das Spiel nicht mehr an. Einige Zeit später startete ich einen zweiten Anlauf und kam zwar ein gutes Stück weiter, aber erneut gab ich auf.
Aber nun, 2023 war meine Zeit gekommen. Mein Geist von dreidimensionalen Spielen gestählt, meine Finger bis aufs äußerste gedrillt und ich selbst voller Tatendrang. Diesmal sollte ich es schaffen und Metroid Prime bezwingen. Doch auch in der heutigen Zeit war der Weg zu steinig.
Als ich mit dem Metroid Prime Test begann, wusste ich noch nicht, wie sehr es mir auf die Nerven gehen würde. Dabei sieht das Remastered sogar gut aus. Nicht perfekt und auf Hochglanz poliert, aber stets hübsch anzusehen. Allein der Start, in dem wir Samus durch einen Tutorialabschnitt begleiten, um all ihre Fähigkeiten zu testen, wusste mich bereits in die Welt zu ziehen. Was uns damals vollkommen wegfegte, war der Umstand, dass wir es bei Metroid Prime mit einem Ego-Shooter zu tun hatten.
Heutzutage nicht mehr ganz so überraschend, aber immer noch gut spielbar, denn die Schusseinlagen unterstützt eine Lock-On Taste, mit der wir das Fadenkreuz an einen Gegner heften und diesen unter Dauerbeschuss nehmen können. Das harmoniert wunderbar mit Ausweich- und Sprungbewegungen, in der Hoffnung nicht getroffen zu werden. Wobei hier der Gedanke hinter der Mechanik besser funktioniert, als es im Spiel tatsächlich der Fall ist.
Unsere Waffe können wir nach bester Metroid Manier upgraden. Beziehungsweise wir finden drei weitere Schussmöglichkeiten, zwischen denen wir stufenlos hin- und herschalten können. Der Ice Beam lässt uns dabei Gegner einfrieren, der Wave Beam hat einen breiteren Schuss und der Plasma Beam schafft es, vieles in Brand zu stecken. Zusätzlich gibt es dann noch die Raketen und Bomben, mit denen wir uns unserer Haut erwehren können.
Enge Passagen meistern wir wieder, indem wir uns zu einem Ball zusammenrollen. Zusätzlich sind wir in dieser Form auch schneller unterwegs und können im späteren Spielverlauf mit der Verbesserung an bestimmten Pfaden die Wand und Decke entlangrollen.
Unsere Aufgabe führt uns über Talon IV und dessen weit vernetztes System an Höhlen und Oberweltgebieten. Wir können uns beinahe frei durch das Labyrinth bewegen und werden immer wieder neue Fähigkeiten und Gegenstände finden, die uns an anderen Orten einen neuen Weg eröffnen. So weit, so bekannt. Schließlich heißt das Genre nicht umsonst Medroidvania. Da man nicht immer erahnen kann, wo es denn nun weitergeht, erhalten wir immer wieder optionale Hilfe. Ein Signal auf der 3D-Karte, das uns anzeigt, wo wir hinmüssen. Den Weg müssen wir uns dennoch selbst erarbeiten.
Die Aufgaben selbst sind recht abwechslungsarm. Man könnte auch einfach straight forward sagen. Bewege dich durch die Gebiete, knalle alles ab und versuche die nächste Verbesserung zu finden. Zwischendurch legen wir immer wieder einen der Bosse, welche durchaus interessant geworden sind. Außerdem können wir mit unserem Visor alles scannen und so Hinweise erhalten, Schalter aktivieren oder einfach nur Hintergrundgeschichte erfahren.
Trotz der eher mauen Erinnerungen an meine Zeit mit dem Spiel – ich war nie der Metroid Prime Maniac -, habe ich mich auf das Remastered sehr gefreut. Zum einen, weil ich die Spieleserie sehr liebe, zum anderen, weil ich mir sicher war, dass ich inzwischen als Gamer mehr auf dem Kasten habe als bei unserer letzten Begegnung. So startete ich dann auch ein neues Abenteuer auf der Nintendo Switch und war erst einmal begeistert. Die Musik und die ersten Bilder erzeugten eine tolle Stimmung. So, wie ich sie mir erhofft hatte. So, wie ich Metroid ins Herz geschlossen habe.
Dann begannen meine ersten Schritte im Tutorial Abschnitt, den ich streckenweise genau wieder erkannte. Einen ersten Dämpfer bekam ich nur durch die Schuss-Steuerung, die dann doch anders funktionierte, als ich es gewohnt bin. Schließlich sollte ich nur ungefähr in die richtige Richtung zielen und dann eben das Ziel per Taste markieren und ballern. Hier musste sich mein Muskelgedächtnis, das durch andere Shooter anerzogene Vorgehen erst einmal umstellen.
Aber als ich mich daran gewöhnt hatte, lief es häufig recht gut. Ja häufig, denn nicht immer wird der Gegner anvisiert, den man jetzt eigentlich haben wollte. In seltenen Fällen schafft es Metroid Prime Remasterd sogar nichts zu erkennen und mich dann den Horden hilflos auszuliefern. Aber nicht nur das, auch das angekündigte actiongeladene Kampfsystem, in dem man geschickt ausweicht und angreift, klappt, nur selten. Viel eher sollte man sich angewöhnen, bei Feindkontakt Abstand zu halten und sich auch mal hinter einer Mauer zu verkriechen.
Zum Glück gibt es in Metroid Prime genügend Hilfsgegenstände, die einen wieder heilen. Einfach einen der Gänge mit den kleinen Insekten suchen, alles abballern und schon hat man wieder einen guten Teil seines Lebens wiederhergestellt. Aber das hilft leider nicht immer. Denn teilweise sind die Insekten nicht im Leveldesign vorgesehen und die Save Points extrem weit voneinander entfernt. Hier bekommt man dann Erinnerungen an Dark Souls oder Elden Ring. Wenn man wieder schweißgebadet das nächste Leuchtfeuer sucht, nur um die gesammelten Seelen nicht zu verlieren. Hier heißt es dann halt, stirbst du, verlierst du alle inzwischen errungenen Fortschritte. Und was soll ich sagen? Das ist dann meistens schmerzhafter, als es die Souls Spiele je waren.
Schließlich ist man dadurch gezwungen, dasselbe erneut zu spielen. Zum Glück lernt man dazu, sodass man mit manchen Hindernissen immer weniger Probleme hat. Aber das liegt dann eben auch daran, dass man die Räume immer und immer und immer wieder durchläuft. Und genau das ist das nervigste an Metroid Prime Remastered. Es zwingt Spielende zu extremsten Backtracking. Gefühlt gehen 80 % der Metroid Prime Spielzeit dafür drauf, dass man wiederholt durch dieselben Gänge rennt, um zum nächsten Ziel zu gelangen.
Da wäre zum einen, dass man mit neuen Fähigkeiten natürlich neue Gebiete erforschen kann. Leider werden einem diese erst nach einer bestimmten Dauer angezeigt. Das bedeutet, macht ihr euch in der Zeit selbst auf den Weg, kann es euch passieren, dass ihr am anderen Ende der Anlage seid und den kompletten Weg zurücklaufen müsst. Extrem nervig, da alle Gegner (selbst die stärkeren) immer wieder neu erscheinen. Ihr werdet dadurch nicht nur Deja vus haben, sondern euch wie in einem der Filme fühlen, an dem die Protagonisten immer wieder denselben Tag durchleben. Zumal es meines Erachtens einfach schlechtes Design ist.
Auf die Spitze getrieben wird die Sucherei dann gegen Ende, als es gilt, 12 Artefakte in der kompletten Landschaft zu finden! Nein, dies ist kein Bonus für besonders Fleißige, sondern eine Pflichtveranstaltung! Die Artefakte sind gut versteckt und nur über Tricks zu finden. Eure Hinweise bestehen aus kryptischen Botschaften, die die Orte umschreiben. Und genau hier habe ich das Spiel aufgegeben. Ich hatte keine Lust, nochmals alles mehrfach zu durchlaufen. Zumal es Abschnitte gibt, die mich einfach genervt haben. Allen voran den Wissenschaftsbereich, den man nur mit Thermalsensor durchlaufen kann, da alles dunkel ist.
Nein danke, dann schau ich mir lieber noch ein Video an, was ich verpasst habe und gut ist. Dabei macht Metroid Prime Remastered den größten Teil des Spiels Spaß. Zumindest dann, wenn man nicht wieder nach dem Weg sucht. Die Level sind intelligent gestaltet. Man findet immer wieder etwas Neues, schafft zuvor unmöglich Gedachtes und bestreitet interessante Bosskämpfe. Alles stets actiongeladen und spannend.
Ist Metroid Prime Remastered also ein Meisterwerk? Nein. Defintiv nicht. Hier mag ich Fans des Ursprungstitels nun zwar gegen den Strich bürsten, aber so toll ist das Spiel nicht. Ja, es mag euch damals weggeblasen haben, aber für die Neuauflage hätte man ein paar Änderungen machen dürfen.
Wo ist die stete Anzeige des nächsten Ziels? Warum kann ich mich nicht zumindest zwischen den Savestates teleportieren? Einfach, damit man sich im Spiel weit weniger ärgern muss? Ich weiß, das ist nicht das Metroid Prime, das ihr von früher kennt, aber es hätte meines Erachtens ein weit besseres Spiel ergeben. Und nein, das hat nichts damit zu tun, dass man durch Schläuche geleitet werden soll, sondern um unnötiges Backtracking zu vermeiden.
So erkenne ich Metroid Prime an, dass es größtenteils ein wirklich cooles und gutes Spiel ist. Leider stellt es sich dabei aber auch immer wieder selbst ein Bein. Denn ist man begeistert, wird man im nächsten Moment wieder gedämpft werden, indem man sich eben doch wieder den kompletten Weg zurücklatscht, nur um weiterzukommen. Das ist einfach ein unnötiges Strecken eines ansonsten tollen Spiels.
Metroid Prime Remastered – Nintendo Switch von Retro Studios
Metroid Prime ist nicht in Würde gealtert. Zwar macht das Spiel oft eine gute Figur. Aber das extreme Backtracking nervt einfach nur. Schade, dass es zum Hauptkonzept erhoben wurde.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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tom
In dem Test kann man gut erkennen wie verbittert der Autor ist. Das Spiel ist ohne Zweifel immernoch ein Meilenstein, auch wenn das Backtracking nicht jedermans Sache ist.
wer Spielehilfen fordert sollte sich selbst fragen warum er das allein nicht hinbekommt… 😉 Die Steuerung hat bei uns perfekt funktioniert und die hier angekreideten Probleme können wir in keiner Weise bestätigen. Natürlich wären Schnellreisefunktion etc. für die heutzutage teils extrem verweichlichte Spielergemeinschaft etwas schönes gewesen – hätte ergo aber auch das Spiel(gefühl) massiv geschädigt. Nur weil der Autor mit dem Spiel nicht klarkommt, bedeutet es noch lange nicht, das es kein Meisterwerk ist. Im Gegenteil…
Jeder darf sich selbst von dem Spiel seine Meinung bilden – was aber garnicht geht ist, wenn der Autor seine subjektive Sichtweise als Wahrheit propagiert und ein Spiel damit unnötig schlecht macht.
Christian Renkel
Hi Tom,
ich kann dich beruhigen. Ich bin nicht verbittert. 😉
Metroid Prime mag zu seiner Zeit eine Art Meilenstein gewesen sein – wobei ich die Zeit miterlebt habe und frech behaupten würde, dass andere Shooter die größeren Meilensteine waren. Aber deswegen muss es bei einem Remastered auch ein wenig mehr aufweisen, als hübschere Grafiken. Spielerisch hätte man mit einfachen Tricks etwas mehr herausholen können. Und genau hier setzen Hilfssysteme an. Um jemanden nicht herumirren zu lassen, nur um mangelnde Spielzeit zu strecken. Aber ja, Metroid hatte schon immer Backtracking. Auf dem NES und dem GameBoy genauso, wie auf dem SNES. Wobei Super Metroid so aufgebaut war, dass man anhand der Karte immer gut erkennen konnte, wo es jetzt in etwa weitergehen wird.
Natürlich kann man vieles auf die verweichlichte Spielergemeinschaft schieben. Aber es gibt eben diverse Entwicklungen, weil sie sich als gut herausgestellt haben. Ich bin damals mit dem Schneider CPC, dem C64 und noch zu Atari 2600, NES und DOS Zeiten mit allerhand (damals) genialen Spielen konfrontiert worden. Würde ich mir hierzu ein 1:1 Remake wünschen? Nein. Die Welt hat sich gedreht und es gibt Gründe, warum Spieleentwickler tricks einsetzen, damit sich die Konsumenten besser fühlen.
Eines würde ich jedoch gerne wissen. Wo habe ich genau ausgesagt, dass meine subjektive Meinung die absolute Wahrheit darstellen soll?