Was tun, wenn man in der Stadt, in der man lebt, plötzlich erhöhte Polizeipräsenz ausmacht? Unsereiner würde sich natürlich wundern, aber erst mal nichts weiter unternehmen. Nicht so unsere Alter-Egos in „Escape Plan“. Denn diese haben vor einiger Zeit einen erfolgreichen Bankraub durchgeführt und entsprechend ein schlechtes Gewissen. Also, schnappen wir uns unsere sieben Sachen und den Zaster. Wobei sich letzteres als größeres Problem darstellt. Denn das Geld ist investiert. Da unsere Geschäftspartner keine Überweisungen machen (warum eigentlich nicht?) und Cryptowährungen auch keine Lösung darstellen, müssen wir persönlich vorstellig werden.
Die folgende Rezension wurde mit einer Leihgabe von Skellig Games erstellt, welche wir intensiv bespielen durften.
Und wenn ihr das Ding durchziehen wollt, dann braucht ihr eine Crew die genauso krank ist wie ihr! An wen habt ihr so gedacht?
(Ocean’s Eleve)
In „Escape Plan“ bauen wir Stück für Stück eine Stadt auf. Dort finden wir Orte, die wir besuchen müssen, um unser Geld zu sichern, bevor wir aus der Stadt fliehen können. Dabei nutzen wir diverse Tricks, um der Polizei durchs Netz zu schlüpfen. Am dritten Tag ist es soweit. Wir hauen mit vollgestopften Taschen ab. Aber vergesst das nötige Kleingeld nicht, um die Wachen am Ausgang zu bestechen.
Wer am Spielende entkommen konnte und das meiste Geld sein Eigen nennt, gewinnt das Spiel.
In dieser Galerie findet ihr ein paar Beispiele für den Spielablauf:
Endlich wieder ein Job mit vernünftigen Kriminellen!
(Ocean’s Eleven)
Christian meint:
Vor dem Genuss der ersten Runde „Escape Plan“ werdet ihr einige Zeit für die Erklärung der Regeln verwenden. Nicht, weil das Spiel hochkomplex ist, sondern weil es viel zu beachten gibt. Und so braucht man selbst gut strukturiert 45 Minuten, um neuen Spielern die einzelnen Elemente zu vermitteln. Und auch, wenn diese zu diesem Zeitpunkt nicht glauben wollen, dass sie das alles verinnerlichen werden, ist alles halb so schlimm und mit den beiliegenden Spielübersichten und den verwendeten Symbolen sehr gut zu meistern.
Das Spiel selbst läuft recht flüssig und kommt kaum ins Stocken. Geübt braucht eine voll besetzte Partie kaum länger als 90 Minuten. Dabei hat man im schlechtesten Fall gerade sieben Aktionen, die man das Spiel über macht. Zumindest dann, wenn man unbedingt als erster aus der Stadt fliehen möchte. Durch das nötige Kleingeld und Nachtaktionen kann man das zwar erweitern, hat aber dennoch keine Zeit für sinnlose Züge.
Wobei man sich bereits eines klar machen sollte. Bei „Escape Plan“ handelt es sich um keine actionreiche Flucht, sondern mehr um eine Geschichte von Gentlemen-Gangstern, wie wir sie in „Ocean’s 11“ vorfinden. Dementsprechend tricksen wir uns ein wenig durch die Stadt und versuchen dabei unsere Wege zu optimieren. Wobei wir aber kaum Berührungspunkte mit unseren Mitspielern haben. Eigentlich ist uns die komplette Partie über relativ egal, wer was macht. Schließlich können wir keinen großen Einfluss darauf nehmen. Wir können uns keine wirklichen Steine in den Weg legen oder uns auf irgendeine Art gegenseitig ärgern. Das fehlt mir hier etwas. Mehr Interaktion hätte dem Spiel gut getan.
„Moment!“, wird der ein oder andere jetzt sagen. „Was ist damit, dass Läden schließen, wenn genügend Spieler Geld herausgezogen haben oder die Wahl, wann ich fliehe, um andere unter Druck zu setzen.“ Ja, die Elemente sind vorhanden, aber nicht so ausschlaggebend, wie man denkt. Es gibt immer Alternativpläne und Möglichkeiten, die man nutzen kann. Und wer sich nicht das passende Kleingeld zum Spielende bereitlegt, um auch die teuerste Flucht bezahlen zu können, ist selber schuld.
„Escape Plan“ ist eine gute Spielerfahrung. Aber es hätte gerne etwas mehr Zwänge haben dürfen. Etwas mehr Steine im Weg, die man gedanklich wegräumen muss. Denn so fehlt mir ein klein wenig die große Herausforderung, die aus einem guten ein hervorragendes Spiel macht. Und nein, damit meine ich nicht, dass noch mehr kleine, fitzelige Regeln hätten implementiert werden müssen. Davon hat das Spiel bereits genug.
Robert meint:
„Escape Plan“ war eine Erfahrung in mehreren Phasen. Der Anfang war die Vorfreude auf meinen ersten Lacerda. Er hat in der Brettspielszene durchaus einen Namen, eine Neuerscheinung von ihm hat die Aura des Besonderen an sich. Der erste Eindruck durch das Spielmaterial macht es dann auch nochmals klar, das ist tatsächlich nicht alltäglich. Ich habe selten so eine gute Aufmachung gesehen, auch der graphische Stil ist sehr eigenständig. Das gefällt mir richtig gut.
Die Regelerklärung bremste mich dann mal kurz aus, ich ging währenddessen in den „Overload“ und dachte, ob das heute noch endet? Ich war bereits vorgewarnt worden, Lacerda Spiele sind immer komplex oder irre komplex. Aber wenn das sein bisher einfachstes sein soll, dann weiß ich nicht ob ich die anderen kennen lernen möchte. Nach den ersten ein, zwei Runden kam die Überraschung, Das Regelknäuel entknotete sich wunderbar nach kürzester Zeit. Es spielte sich einfach organisch und natürlich. Ich wusste schnell was ich tun kann, was ich tun will oder muss. Sicher es gab ein paar Details die nachgefragt oder nachgeschlagen wurden, aber das war völlig zu vernachlässigen. Die Spielzüge gehen flott, die Downtime ist angenehm kurz.
Um zu gewinnen muss ich am Ende das meiste Geld haben und rechtzeitig mit meiner Beute aus der Stadt entkommen. Geld erhält man größtenteils über Investments, die man abgrasen muss. Es gibt noch ein paar Möglichkeiten weitere Boni zu bekommen aber der größte Batzen kommt daher. „Wo gehe ich hin?“ ist also die wichtigste Entscheidung, die man trifft, wenn man am Zug ist. Die Optionen sind breit gefächert. Gehe ich zu einem meiner Etablissements um „Siegpunkte“ zu holen und das bevor zu viele meiner Mitspieler dort waren – denn sonst wird es geschlossen? Oder nehme ich Einkommen, mit dem ich mir Ausrüstung hole, die mir Schutz gegen die Polizei gibt? Oder gleich eine Bikergang? Man braucht schon einen „Escape Plan“ um das Geld in den verbleibenden drei Tagen zusammenzutragen.
„Escape Plan“ ist wirklich unterhaltend ich würde jederzeit eine Runde mitspielen. Die Mechanik macht Spaß, alles ist schön ins Thema eingebaut, gut verzahnt und stimmig. Das Gefühl einer Flucht oder des Zeitdrucks hatte ich jedoch nie. Es ist eher ein Ausrechnen was kann ich noch machen bevor ich zum Ausgang gehen muss und reicht mein Geld dafür?
Die letzte Phase war eine gewisse Ernüchterung. Hatte ich zu viel erwartet? Die Umsetzung der Spielidee ist schön und elegant aber doch nicht so besonders, dass es mich umgehauen hat. Die Frage, die man sich also stellen muss, möchte ich so viel Geld für ein Spiel ausgeben, das nur gut ist, toll aussieht aber nichts wirklich neu macht.
Escape Plan
Eagle-Gryphon Games
Autor: Vital Lacerda | |
Dauer: ca. 60 – 90 Minuten | |
Spieler: 1 – 4 | |
Schwierigkeit: Experten |
Escape Plan – Eagle-Gryphon Games – 2019
- Erscheint bei Eagle-Gryphon Games, Skellig Games
- Für 1 – 4 Spielende und dauert ca. 60 – 90 Minuten
- Am besten geeignet für Experten
Spielstil – Wertung
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexpemplar als zeitlich begrenzte Leihgabe ohne Auflagen vom Verlag bekommen.
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