SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jenna Felli
erschienen bei Corax Games
Cosmic Frog – ich weiß nicht ob oder was Jenna Felli geraucht oder geschluckt hat, als sie auf die Idee für Cosmic Frog kam. Das soll keine Unterstellung sein, es ist schlicht der Neid, wie man auf solch eine Spielidee kommen kann. Eine völlig überbordende Phantasie war definitiv am Werk. Für Cosmic Frog wurde alles jemals angeeignete Wissen über Amphibien über Bord geworfen, dafür umso mehr Retro – Science Fiction mit hineingenommen. Corax Games macht uns jetzt auf Deutsch zum kosmischen Frosch. Es ist für 2 bis 6 Spielende, eine Partie geht typischerweise 45 bis 90 Minuten.
Ich habe mir das nicht ausgedacht – Ehrlich! Hier übernehmt ihr die Kontrolle über zwei Kilometer große Frösche (ist doch klar!) mit dem Auftrag, Landmasse aus einer zerstörten Dimension zu schlucken, sie in eurem interdimensionalen Schlund zu speichern und zuhause wieder auszukotzen. Gleichzeitig versucht ihr eure Gegner daran zu hindern, das Gleiche zu tun. Absurd? Völlig – aber auf eine Art, die sich wie eine Mischung aus epischem Weltraumabenteuer und absurdem Cartoon anfühlt. Cosmic Frog – The game of interdimensional boulimic frogs. Wohl bekomm’s!
(frei nach Johann Wolfgang von Goethe)
In Cosmic Frog spielt jeder einen gigantischen, zwischen Dimensionen umher hüpfenden Frosch. Hauptsächlich spielt man auf der “Scherbe” genannten Landmasse. Das Ziel ist es, Landplättchen von der Scherbe in eurem Schlund zu sammeln und diese in eurem Lager zu sichern. Diese Plättchen gibt es in 4 Farben mit jeweils zwei unterschiedlichen Höhen (Hoch-/Tiefland).
Ein Partie läuft über eine sehr variable Anzahl von Runden. Vor jedem Zug zieht ihr eine Karte, die bestimmt welcher Frosch am Zug ist. Dieser führt dann eine, maximal zwei Aktionen aus. Die zweite Aktion kostet jedoch wertvolle Energie. Je nach dem ob sich der Frosch auf der Scherbe oder im Äther befindet, stehen unterschiedliche Aktionen zur Verfügung.
Auf der Scherbe springt unser Frosch von Hexfeld zu Hexfeld, die Strecke ist abhängig von der Last die er im Schlund trägt, Landmasse wiegt. Er kann die Landschaft auf der er sitzt verschlingen und in seinem Schlund verwinden lassen.
Im Äther würgt unser amphibischer Freund die Landmassen eine nach der anderen wieder heraus und platziert sie geschickt im Sternenlager um am Ende Siegpunkte zu erhalten. Sollte ein anderer Frosch sich in der äußeren Dimension befinden, kann man dessen Sternenlager jetzt räubern.
Einen anderen Frosch kann man, sowohl auf der Scherbe als auch im Äther angreifen. Gewinnt man den Angriff, greift man beherzt in den Schlund des Verlierers und holt aus ihm die verschlungen Landmassen wieder heraus. Hat man sich bedient, entledigt sich der Triumphator des “erleichterten Losers” und schleudert ihn von sich. Im Äther landet dieser dann in der äußeren Dimension.
Sonstige Besonderheiten? Die Spielfläche ändert sich ständig. Die Frösche fressen sie, zusätzlich schlagen Splitter auf der Scherbe ein. Dadurch bricht sie nach und nach auseinander und verschwindet in den interdimensionalen Abgrund. Manche abgeräumten Plättchen haben auf der Rückseite einen Bruch. Sind insgesamt 6 dieser Plättchen aufgedeckt worden endet die Partie sofort.
Am Ende der Partie gibt es Punkte für die angeordneten Landmassen im Sternenlager.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Cosmic Frog, allein der Titel lies mich aufhorchen. Dann die Story! Man spielt einen alles verschlingenden Frosch im All. Das war schlicht bescheuert und gleichzeitig ganz wundervoll. Ich musste das Spiel mit absoluter Dringlichkeit haben. Cosmic Frog habe ich in vielen, sehr unterschiedlich besetzten Runden gespielt. Nach der Partie reden wir darüber und ich mache mir öfter mal Notizen. Dabei bin ich es gewöhnt, dass es unterschiedliches Feedback gibt. Jeder hat eben seine Meinung. Meistens streut das von “ganz nett” bis “echt gut”. Bei Cosmic Frog streute das auch so. Einzig “ganz nett” war das beste was ich zu hören bekam. Mehr als okayes Mittelmaß war nie drin. Das fürchterliche daran, mir ging es ganz genauso, und das bei wirklich jeder Partie. Cosmic Frog hätte alle Zutaten, um kosmischen Spaß zu haben, aber warum wollen die Frösche keine Freudensprünge machen?
Cosmic Frog hat eine Mission, es möchte Chaos am Spieltisch verbreiten. Wer bei einer Prämisse mit 2km großen Fröschen auf Planbarkeit oder Strategie hoffte, den muss ich völlig enttäuschen. Schon die Zugreihenfolge wird über einen Kartenstapel festgelegt. Der Frosch, dessen Farbe gezogen wurde, ist an der Reihe. Das funktioniert ähnlich wie bei Aeons End. Man ist sich also selten sicher, wer an der Reihe ist. Man weiß nur, dass beispielsweise 4 Karten der eigenen Farbe im Stapel sind. So springen die Frösche in völlig chaotischer Reihenfolge über die Scherbe. Das ist witzig, vor allem hat man immer das Gefühl bei weitem nicht oft genug am Zug gewesen zu sein. “Wann komme ich mal dran?” war ein oft gehörter Satz. Ist man am Zug geht es sehr schnell. Es kommt nie vor, dass man länger überlegen muss, was man mit seinem Frosch macht. Grübelstarre habe ich nie erlebt. Downtime ergibt sich eher durch den Kartenstapel. Hat man den Stapel einmal durch kommen zwei weitere Karten dazu. Die eine erzwingt einen Wechsel der individuellen Froschfähigkeit (außer man bezahlt Energie), die andere bringt Splittereinschläge.
Züge verändern sehr oft das Spielfeld. Wie Kühe grasen die Frösche die Scherbe nach leckeren Landmassen ab. Sie verflacht so immer mehr. Splittereinschläge reißen zusätzlich echte Löcher in die Scherbe. Diese sich dauernd verändernde Spielfläche hat mir sehr gut gefallen, dadurch passiert dort sehr viel. Man kann sich nicht sicher sein, dass die Landmasse noch da sein wird, wenn man das nächste Mal drankommt. Die Splittereinschläge bringen einen oft genug in Richtung Partieende.
Varianz kommt auch schon beim Setup herein. Man kann Cosmic Frog auf viele verschiedene Arten spielen. Einzeln oder Froschteams gegeneinander. Die Partielänge, je mehr Brüche im Spiel sind umso kürzer ist die Partie (wahrscheinlich!).
Der Bühnenbau für unsere laichlegenden Freunde gestaltet sich leider etwas fummelig. Man muss die Landmassen abzählen, mischen, auslegen und stapeln. Gerade beim Stapeln sollte man den inneren “Monk” entspannen, sonst schiebt und korrigiert man die Plättchen noch ewig. Apropos ewig, das kann in kosmischen Dimensionen alles heißen. Partien können extrem schnell vorbei sein oder sich auch mal ziehen. Es kommt einfach darauf an wo die Brüche sind und wo Splitter einschlagen. Liegt der sechste Bruch ist die Partie vorbei – sofort. Hat der Frosch den Schlund auch voll, er wird nicht mehr die Gelegenheit zum Kotzen finden, vielleicht wird man es eher nur so empfinden. Aber das hilft nicht, Cosmic Frog darf zu keiner Zeit irgendwie ernst genommen werden. Für mich eine der Schwächen am Spiel, es gibt eigentlich keine oder selten eine Fallhöhe. Gewinnt man eine Partie hat man oft einfach nur Glück gehabt.
Cosmic Frog bietet eine gute Plattform für Chaos und um sich gegenseitig die Hammel- Verzeihung die Froschbeine lang zu ziehen. Es ist zu weiten Teilen eine schöne Umgebung, mit tollen Materialien. Die Frösche kommen in drei Ausführungen. Die Illustrationen der Karten sind toll und geben mit ihrer Farbenpracht genau den Vibe des Spiels wieder. Andererseits hätten das Spielfeld und die Spielertableaus etwas mehr Liebe und Gestaltung verdient.
Zurück zur Chaos-Plattform. Man kann sie nutzen oder es auch lassen. Tatsächlich haben wir es fast immer gelassen. Klar, jeder wollte es mal “ausprobieren” und es gab auch den einen oder anderen Kampf. In keiner Partie fanden wir, dass es das Spiel in irgendeiner Art besser gemacht hätte. Es erzeugte weder Spannung noch irgendwelche interessante Situationen. Es sei noch angemerkt, dass der Spaß mit weniger Spielenden immer löchriger wird. Eine Partie zu zweit ist eine Mogelpackung, da jeder 2 Figuren spielen soll. Hier könnte die Regel etwas früher darauf hinweisen. Erst mit vieren kommen die Frösche langsam aus dem Knick. Die extrem variable Partielänge zahlt zusätzlich darauf ein. Es macht Cosmic Frog eben noch beliebiger und damit auch belangloser. Ich kann einem rein vom Spaß getriebenen Spiel sehr viel abgewinnen, wenn es denn genau das liefert, doch der kosmische Frosch ist eben nie höher als “ganz nett” gesprungen.
Cosmic Frog von Jenna Felli
Cosmic Frog kommt mit einer irrsinnigen Geschichte, spannende Mechaniken die Chaos und Spaß verbreiten sollen, doch das springt nicht auf die Spielenden über.
Robert:
Hinweis:
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Lieber Spiele mit Interaktion als stundenlanges solitäres Tüfteln. Gerne auch komplexes. Eher eine lange Partie als viele kurze. Kooperativ ist fein, wenn man sich nicht gespielt fühlt - Rollenspieler - Brettspielsammler mit Hang zum Minimalismus Ansonsten: Hobbykoch und ProfiEsser - softwarebegeistert - Sportlaie auf dem Mountainbike - Musikkonsument
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