SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Bruce Glassco
erschienen bei Asmodee, Hasbro, Wizards of the Coast
Ihr kennt das. Ihr habt einen kleinen Wochenendausflug mit Freunden geplant, fahrt durch die Gegend und habt urplötzlich eine Autopanne. In der Nähe findet ihr ein altes Haus auf dem Hügel. Als ihr es betretet, wirkt noch alles normal, doch aus dem Nichts verwandelt sich einer eurer Freunde in einen Werwolf (gut, haarig war er schon immer, aber nun hat er auch spitze Zähne) und will euch fressen. Also ein ganz normales Wochenende hier auf dem Land.
Bevor Cabin in the Woods das Horrorgenre auf die Schippe genommen hat und dabei die Maschinerie dahinter inklusive den Zuschauern vor die Kamera zerrte, gab es bereits ein Brettspiel, das zwar ohne diese Meta-Ebene auskam, aber dennoch eine Fülle an „Monstern of the week“ Momenten in der Schachtel bereit hielt. Die Rede ist natürlich von Betrayal at House on the Hill. Ein Spiel, das ich schon lange auf meiner Jagdliste hatte. Bereits zu Zeiten, in denen es den Titel nur auf Englisch gab und dadurch eine natürlich (Sprach-)Barriere für meine Spielrunden aufbaute.
Doch das ist Vergangenheit. Inzwischen liegt mir die deutsche Version vor. Aber wir alle wissen, dass eine über Jahre hinweg aufgebaute Erwartungshaltung auch gefährlich sein kann. Ist das Spiel tatsächlich so gut, wie ich es mir in meinen Träumen immer ausgemalt hatte? Und hat es der Mechanismus geschafft, in der langen Zeit nicht vollkommen zu veralten? Nehmt also Taschenlampen und genügend Batterien mit und begleitet mich in das Haus auf dem Hügel. [Hier müsst ihr jetzt für mich schaurig Lachen]
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Eine Partie Betrayal at House on the Hill besteht stets aus zwei Akten. Im ersten Akt erkunden wir gemeinsam als Gruppe das Haus. Hierbei bauen wir Stück für Stück den Grundriss auf, der jedes Mal vollkommen zufällig zusammengestellt wird. Zusätzlich rüsten wir uns aus und müssen auch mal gruseligen Ereignissen oder Gefahren trotzen. Während wir so ziellos durch das Haus wandern, kann es stets passieren, dass der Spuk zuschlägt und wir dadurch in Akt zwei gelangen.
Eine Tabelle gibt nun vor, wer der Verräter ist und welcher Spuk auf die Gruppe einwirkt. Die verratende Person verlässt nun mit dem zugehörigen Begleitheft den Raum, während die übrige Gruppe im anderen Heft liest. Hier gibt es neben einer kleinen Hintergrundgeschichte auch die jeweiligen Ziele. Wichtig man weiß nie genau, welches Ziel die Gegenseite verfolgt.
Danach geht es wie zuvor weiter. Wir bewegen uns weiterhin durch das Haus, entdecken Räume und versuchen zusätzlich unsere Mission zu erfüllen. Ab nun dürfen wir auch kämpfen. Gegen alles, was die Geschichte uns in den Weg stellt oder – im Falle des Verräters – gegen unsere ehemaligen Freunde.
Alle Proben – sei es durch Kämpfe oder andere Ereignisse – werden mit Würfeln durchgeführt. Hier werden dann die Werte der Charaktere wichtig, da die Proben den Eigenschaften Tempo, Stärke, Verstand oder Wissen zugeordnet sind. Wandert irgendwann eine der Eigenschaften – nach Beginn des Spuks – auf 0, stirbt unser Charakter und wir scheiden aus.
Es gewinnt die Seite, die das Szenarioziel erreicht.
Die komplette Spielregel zu Betrayal at House on the Hill findet ihr hier. (externer Link)
(Henrik Ibsen)
Solltet ihr in den Genuss kommen Betrayal at House on the Hill spielen zu können, solltet ihr zuerst einmal nicht allzu genau auf die Schachtel blicken. Von einem „Strategiespiel“ ist hier die Rede, doch davon sind wir Meilen, wenn nicht sogar Lichtjahre entfernt. Dieses Spiel ist Ameritrash in seiner Reinkultur. Es tropft aus jeder noch so kleinen Pore und klassifiziert den Titel dadurch direkt in die „Beer & Bretzel“ Ecke, in der es sich so richtig gemütlich macht. Ist das schlecht? Nein. Aber ein Spiel, das einem vorgaukelt, etwas zu sein, was es nicht ist, könnte zu Enttäuschungen führen.
Denn Betrayal at House on the Hill ist vieles. Mit einer lustigen Gruppe spaßig, voll B-Movie Horror und einer Möglichkeit, auch Nichtspieler an den Tisch zu bekommen, aber eben mechanisch gesehen nicht sonderlich gut. Denn es ist im Kern unausgegoren, unfair und meist unbalanciert. Aber stört das? Nein, denn ich weiß, auf was ich mich einlasse. Betrayal at House on the Hill ist wie mit Freunden SchleFaz anzusehen. Eigentlich alles verkörpernd, was man am Medium nicht mag, aber dennoch durch die Gruppe unterhaltsam.
Wer also vorhat, dieses Spiel ernsthaft zu spielen, sollte gleich einen weiten Bogen drum herum machen. Denn man wird keinen Spaß daraus ziehen. Wer aber darüber lachen kann, direkt nach Beginn des Spuks zu sterben, ohne eine Möglichkeit gehabt zu haben zu agieren, ist hier genau richtig.
Das macht es aber ein wenig unfair, das Spiel an sich zu bewerten. Denn weder mechanisch noch thematisch ist es etwas Besonderes. Es gleicht mehr einem Sandkasten, bei dem vor allem ich selbst verantwortlich bin, ob ich Freude daran habe oder nicht. Und genau so muss es eben auch bewertet werden. Ich selbst kann es je nach Tageslaune und habe dann auch eine gute Zeit. Aber genauso häufig blicke ich auf Betrayal at House on the Hill und denke mir: „Ne! Heute nicht.“
Betrayal at House on the Hill von Bruce Glassco
Ein trashiges Festival des B-Horrors, den man nicht allzu ernst nehmen wollte. Es kann ein lustiges und unterhaltsames Spiel sein, das mit der richtigen Gruppe sogar über seine mechanischen Schwächen hinwegtäuscht.
Christian:
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