Marcel Straub - Portrait - Strohmann Games - Vorschau

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Interview Marcel Straub – Strohmann Games

Lesezeit: 11 Minuten

Strohmann Games ist der Name eines noch recht jungen deutschen Verlags. Der Gründer und Inhaber Marcel Straub hat sich auf die Fahne geschrieben besondere Spiele nach Deutschland zu bringen. Hoffen wir mal, dass ihm das gelingt.

Mit Flotilla und Formosa Tea hatte er bereits zum Start zwei sehr interessante Titel in Vorbereitung. Da ein Interview einige Zeit zur Vorbereitung und Durchführung braucht, hat uns inzwischen die Spiel-Ankündigung überholt. Denn nun macht Fantastische Reiche das Trio komplett.

Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen und erfahren, warum man Marcel mit Twilight Struggle am besten quälen kann, wie weit er die Anleitungen verbessern kann und warum der Verlag eigentlich Strohmann Games heißt.

Hallo Marcel, du hast vor Kurzem den Verlag Strohmann Games gegründet. Was hat dich dazu bewogen, diesen Schritt zu gehen?

Ich hatte schon länger überlegt, das Hobby zum Beruf zu machen, und irgendwann kam dann der Punkt: Jetzt machst Du es einfach und schaust mal, was draus wird. Zunächst hatte ich noch überlegt, was unser Hobby denn an beruflichen Möglichkeiten so hergibt: Händler? Autor? Und zuletzt habe ich mir dann gedacht, dass Verlag vielleicht am besten passt.

Marcel Straub - Portrait - Strohmann Games

Du hast dir dabei auf die Fahne geschrieben fremdsprachige Spiele, die dich interessieren und gleichzeitig positives Feedback erhalten haben lokalisiert zu veröffentlichen. Wie schwer ist es, da passende Titel zu finden?

Naja, meine Liste ist wahrscheinlich länger, als das, was ich dann auch tatsächlich umsetzen kann und darf. Ich war ja auch schon vorher bei den einschlägigen internationalen Bloggern unterwegs, habe Kickstarter interessiert beobachtet und auch in Essen immer mal einen Fokus auf neue interessante internationale Titel gehabt. Da kommt dann schon was zusammen. Ob ich dann auch das nötige Händchen habe, die richtigen Titel zu finden, wird sich zeigen. Für meine ersten Spiele scheint es, dem ersten Feedback nach, ganz gut gelungen zu sein.

Was muss man tun, um die Rechteinhaber davon zu überzeugen, dass du die Lizenz erhältst? Klopft man da einfach kurz an und sagt, lasst mich das mal machen?

Das ist natürlich als Neueinsteiger nicht so einfach. Viele suchen verständlicherweise einen Partner, der auch schon erste Erfolge oder zumindest bereits ein Vertriebsnetzwerk vorweisen kann. Bei vielen ist auch das Interesse für eine Lokalisierung gar nicht ausgeprägt vorhanden, sodass eventuelle Erstgespräche rasch im Sand verlaufen. Ich hatte dargestellt, dass ich den Verlag nicht nur als Hobby betreiben möchte, sondern schon nachhaltig als ernsthaftes Business aufbauen möchte. Ob das aber ein relevanter Faktor war, ist schwer zu beurteilen. Und dann braucht es eben auch noch ein Quäntchen Glück.

Mit Flotilla und Formosa Tee hast du bereits zwei interessante Titel, die im Herbst auf uns alle warten. Wie kam es dazu, dass du gerade diese Titel ausgesucht hast, und wie haben die Macher auf deine Anfrage reagiert?

Beide Spiele hatte ich auf meiner Essen-Liste letztes Jahr. Bei Flotilla konnte ich allerdings keinen Platz ergattern, während ich Formosa Tea gleich als erster am Donnerstagvormittag gespielt hatte und sofort kaufen musste. Es war ja dann auch recht schnell ausverkauft und mein positiver Ersteindruck hat sich in den ersten Runden nach Essen bestätigt, auch durch positives Feedback der Mitspieler. Als dann auch die ersten Reviews im Netz, zum Beispiel bei Heavy Cardboard, sehr positiv waren, habe ich gedacht: Das frage ich mal an. Es hat sich dann zwar einige Zeit hingezogen, aber schließlich ja geklappt.

Bei Flotilla war es etwas anders, das konnte ich in Essen ja nicht spielen und hatte zunächst auch kein Exemplar. Da mich aber Thema und auch die Systematik mit den unterschiedlichen Seiten im Spiel, die man im Verlauf einmalig wechseln kann, sehr angesprochen haben, habe ich mir dann doch ein Exemplar besorgt und nachdem es mich überzeugt hatte, bei Wizkids angefragt. Ich war etwas überrascht, dass es noch keinen deutschen Lizenzpartner hatte, und habe dann gleich zugeschlagen. Wahrscheinlich war ich hier einfach schnell genug. Da Wizkids je ohnehin sehr stark mit internationalen Partnern zusammenarbeitet, war der Prozess dann recht unkompliziert, außer, dass ich recht lange auf die Unterschriften warten musste.

Formosa Tee - Cover

Gibt es eigentlich spezielle Vorgaben, die man als Lizenznehmer erfüllen muss? Wie stellst du sicher, dass du diese einhältst?

Mal mehr, mal weniger. In den Lizenzverträgen steht da manchmal schon eine ganze Menge an Vorgaben drin. Ich hoffe, dass ich es schaffe, alle einzuhalten, aber da man ja ein Spiel produziert, für das es bereits eine frühere Version gab, und in der Regel auch vom gleichen Hersteller, sind viele Vorgaben, was die Produktion betrifft, bereits erfüllt. Ich denke, das wird dann anspruchsvoller, wenn man eine komplett neue eigene Version erstellt, aber das war bei mir ja, zumindest bis jetzt, noch nicht der Fall. Frag mich aber ruhig nächstes Jahr noch mal, ob ich damit auch richtig gelegen bin. Aber man bleibt ja auch im Kontakt mit dem Lizenzgeber, sodass man offene Punkte recht informell regeln kann.

Über Formosa Tee habe ich immer wieder gelesen, dass die Anleitung nicht das Gelbe vom Ei sein soll. Hast du als Lizenznehmer die Möglichkeit, diese bei der Übertragung ins Deutsche zu verbessern?

Das habe ich jetzt schon von mehreren Seiten gehört, muss aber sagen, dass ich sie so schlecht gar nicht in Erinnerung hatte. In jedem Fall hat man bei der Lokalisierung ja den Vorteil, dass das Spiel bereits in einer ersten Version erschienen ist und etwaige Fehler in der Anleitung oder Regelunklarheiten bereits aufgetaucht sind. Entsprechend recherchiere ich auch bei der Lokalisierung immer in den einschlägigen Foren, zum Beispiel bei Boardgamegeek, und lasse notwendige Klarstellungen oder Korrekturen mit in die deutsche Regel einfließen. Insofern gehe ich davon aus, dass die Regel bei der Übertragung ins Deutsche auch tatsächlich besser wird und speziell bei Formosa Tee, aber auch bei Flotilla, über das man ja ähnliches gesagt hat, auch besser wurde.

Du fertigst selbst die Übersetzungen an. Warum bist du genau der richtige Mann für den Job und wie stellst du ein bestmögliches Ergebnis sicher?

Ich bin ja schon recht lange in dem Hobby unterwegs und lese Spielregeln, bzw. erkläre Spiele, seit über 30 Jahren. Ich denke, das ist zumindest schon mal sehr hilfreich. Zusätzlich habe ich längere Zeit in den USA gelebt und die entsprechenden fließenden Englisch-Kenntnisse. Das ist vielleicht keine hinreichende aber meiner Meinung nach zumindest eine notwendige Bedingung für eine gute Übersetzung. Natürlich lasse ich dann meine Übersetzung auch noch mal von mehreren Seiten Lektorieren/Korrekturlesen. Ich habe zumindest den Anspruch, dass das Ergebnis dann auch das bestmögliche ist.

Flotilla - Cover

Wie hoch sind die Erwartungen an dich selbst und befürchtest du manchmal daran zu scheitern?

Ich stelle an meinen Verlag die Erwartung, die ich auch habe, wenn ich Spiele von anderen Verlagen kaufe. Also das bestmögliche Produkt herzustellen. Ich weiß aber natürlich auch, dass es immer Kompromisse geben muss, insbesondere spätestens dann, wenn es um den Preis geht. Ich befürchte aber nicht, an meinen hohen Erwartungen zu scheitern, mir ist aber durchaus bewusst, dass ich sie nicht immer zu 100% erfüllen kann und werde.

Du wirst ja parallel schon an weiteren Titeln arbeiten. Möchtest du uns schon einen kleinen Blick hinter den Vorhang geben?

Natürlich habe ich eine Liste mit „Wunsch“-Titeln, aber das sind alles bisher nur Optionen, für die es noch keine Verträge gibt und die ich entsprechend hier auch noch nicht nennen möchte, um keine falsche Erwartungshaltung zu geben. Gearbeitet habe ich bis jetzt tatsächlich nur an den drei Titeln, die 2020 bei Strohmann erscheinen werden.

Welche Spiele würdest du denn am liebsten machen, wenn es die Möglichkeit dazu gäbe?

Da fällt mir spontan ein spezielles Spiel ein, dessen Name ich hier aber auch noch nicht nennen möchte. Das Spiel selbst ist auch schon etwas älter, bisher noch nie auf deutsch erschienen und auch auf Englisch nicht mehr erhältlich. Leider hatte es aber in Deutschland nie jemand so richtig auf dem Radar, weswegen ich mir auch nicht sicher bin, ob es erfolgreich wäre. Aber verdient hätte es das Spiel allemal. Ich hatte auch schon mal grob angefragt, aber leider bis jetzt keine Antwort erhalten. Vielleicht starte ich ja einen neuen Versuch, wenn meine ersten drei Spiele in der Spur sind.

Warum hast du eigentlich genau den Namen Strohmann Games gewählt? Hat es damit eine besondere Bewandtnis?

Die Namensfindung hat sich recht lange hingezogen. Strohmann kam erst recht spät ins Rennen, kam aber dann bei allen Umfragen im Freundeskreis am besten an und ist es dann geworden. Eine Bewandtnis hat es dahingehend, dass ich für die ausländischen Verlage ihr Spiel quasi als „Strohmann“ für den deutschsprachigen Markt verlege.

Fantastische Reiche - Cover

Manch einer greift gerne zum englischen Original, weil er befürchtet, dass die Erweiterungen nie lokalisiert werden. Wie stehst du zum Thema Erweiterungen?

Das ist natürlich ein von allen Seiten nachvollziehbares Thema. Für den Spieler ist es ärgerlich, wenn er die deutsche Version hat und dann gegebenenfalls von den Erweiterungen abgeschnitten ist. Auf Seiten des Verlags kann ich es aber teilweise auch nachvollziehen. Du brauchst eine gewisse Mindestauflage, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Wenn das Grundspiel diese Auflage nicht oder nur knapp erreicht hat, ist es wirtschaftlich eben nicht zu rechtfertigen eine Erweiterung zu veröffentlichen. Aus diesem System kann ich auch nicht ausbrechen, entsprechend kann ich hier auch keine pauschale Aussage treffen. Was ich mir aber für Strohmann vornehme, ist, dass ich in Fällen, in denen es bereits eine oder mehrere Erweiterungen gibt oder sie zumindest angekündigt sind und ich mir nicht sicher bin, ob das Grundspiel eine ausreichend große Verkaufszahl erreicht, um diese Erweiterungen zu rechtfertigen, versuche die deutsche Grundversion so zu gestalten, dass sie zur Not auch mit einer englischen Erweiterung kompatibel ist. Das heißt den gleichen Hersteller, wie bei der englischen Version, zu verwenden, um Farb- und Maßabweichungen zu minimieren, ggf. Kartenrückseiten nicht zu verändern, usw. Dann wäre es mit Erweiterung zwar zweisprachig, was nicht optimal ist, aber zumindest ist die deutsche Version dann nicht obsolet.

Gibt es Sachen, die dich in der Vergangenheit an Verlagen gestört haben, die du jetzt besser machen möchtest?

Es gibt so viele Verlage, die alle unterschiedlich ticken. Natürlich werde ich manche Sachen anders machen als andere, manche auch gleich. An einzelnen Punkten möchte ich da jetzt eigentlich nichts festmachen.

Nun noch ein paar persönliche Fragen. Jeder muss da durch. Was tust du, wenn du nicht spielst oder an neuen Spielen arbeitest? Hast du überhaupt Zeit für andere Hobbys?

Als Brettspielnerd fühle ich mich natürlich auch in der Welt der TV-Serien und Filme zuhause. Außerdem versuche ich mich auch hin und wieder als Hobbymusiker und setze mich ans Schlagzeug oder an die Gitarre. Früher war ich auch in mehreren Bands zugange, dafür hats allerdings leider schon länger zeitlich nicht mehr gereicht.

Welches Buch hat dich zuletzt fasziniert und was macht es besonders?

Ich lese eigentlich nur im Urlaub und entsprechend nicht viel. Ready Player One war das letzte Buch, das mich so richtig gepackt und fasziniert hat. Wahrscheinlich aufgrund der unendlich vielen Anspielungen auf die 80er Jahre, in denen ich ja aufgewachsen bin. Leider habe ich den Fehler gemacht und mir gleich danach den Film angeschaut. Das war keine gute Idee.

Erzähl uns von deinem absoluten Lieblingsfilm und warum wir ihn gesehen haben sollten.

Den kann ich hier ja nicht verraten, sonst können alle meine Sicherheitsfragen im Netz beantworten. Aber ich nenne gerne meine absolute lieblings TV-Serie: Six Feet Under. Ganz großartige Geschichte, grandios gespielt und mit dem besten und mit Abstand bewegendsten Ende aller Serien, zumindest derer, die ich gesehen habe.

Du strandest auf einer einsamen Insel. Welche 5 Spiele willst du bei dir haben und warum?

Schwierige Frage – besagt einsam, dass es Solo Spiele sein müssen? Ich lege das jetzt so aus, dass die Insel zwar einsam, wir aber zu viert gestrandet sind:

Caylus – weil es meine einzige glatte 10er-Bewertung bei Boardgamegeek ist.

Terra Mystica – weil es mehr meiner Meinung nach mehr direkte Interaktion als das Gaia Projekt hat und mir deswegen besser gefällt. Dass eins von beiden mitmuss, steht ja wohl außer Frage.

Hansa Teutonica – Weil es zeitlos und eines der am meisten unterschätzten Spiele ist.

Einfach Genial – Damit man auch mal was Leichteres, für zwischendurch, hat und in der Teamvariante ausspielen kann, welche beiden sich um das nächste Essen kümmern müssen.

Wasserkraft – Weil ich dann endlich genug Zeit habe, das Spiel auch ausreichend oft und tief zu spielen.

Du kommst in die Hölle. Welches Spiel musst du als Strafe immer und immer wieder spielen und warum quält es dich so?

Auch wenn ich damit polarisiere: Twilight Struggle – Ich akzeptiere vollumfänglich die hohe Qualität des Spiels und verstehe auch, warum spielmechanisch das Folgende so sein muss, aber es quält mich, in meinem Zug regelmäßig Karten ausspielen zu müssen, die meinem Gegner mehr helfen als mir. Aber wer weiß, wenn ich es immer und immer wieder spielen muss, erschließt es sich mir ja vielleicht doch irgendwann mal, und in diesem Fall halte ich es dann auch gerne mit AC/DC: Hell ain’t a bad place to be.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit Strohmann Games. Auf dass du uns viele Spieleperlen nach Deutschland bringst.

Wer möchte kann übrigens aktuell Fantastische Reiche vorbestellen. Dazu gibt es dann die exklusive Promo-Karte Hofnarr. Weitere Informationen dazu findet ihr direkt auf der Seite des Verlags: https://www.strohmann-games.de/news/

Wusstest du schon ...

dass du auf Spielstil.net noch viele weitere, interessante Interviews und Hintergrundberichte findest? Wie wäre es zum Beispiel mit einem Gespräch mit Alexander Pfister, in dem er erzählt, welche Marke „Monster Expedition“ eigentlich hätte werden sollen und wie er zum Thema Kolonialisierungsverherrlichung in Mombasa steht? Oder vielleicht doch lieber etwas Fachwissen durch einen Grundkurs in Wahrscheinlichkeitsrechnung?

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Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

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