SPIELSTIL Artikel

Glosse: Vom armen Fachhandel und reichen Verlagen

Lesezeit: 5 Minuten

Alle paar Monate ist es soweit. Pegasus wagt es ein neues Spiel oder eine Erweiterung zuerst einmal Fachhandelsexklusiv auf den Markt zu bringen. Wieder einmal Zeit für einen Aufschrei in der Community der geprellten Kunden. Derjenigen, die die wahren Absichten hinter einer solchen Aktion erkennen können. Schließlich geht es nur darum mehr Geld einstreichen zu können. Denn die Stärkung des Fachhandels, das Motto dieser Aktion, ist nur ein Märchen und Augenwischerei. Die bösen Verlage scheffeln immer noch mehr Geld in die eigenen Taschen, während die armen Spieler eben diese geleert bekommen. Ich persönlich sage… Ja und?


Wir reden bei Spielen von Luxusgütern. Heißt, niemand ist gezwungen diese zu kaufen oder konsumieren. Keine Getreidepreise, die von Spekulanten künstlich nach oben getrieben werden, während auf der anderen Seite Menschen verhungern. Keine Abfüllanlagen in Dürregebieten, nur damit der geneigte Deutsche sein vollkommen überteuertes Wasser kaufen kann.

Klar kann ich auch eine gewisse Enttäuschung verstehen. Man hat bereits lange auf eine bestimmte Erweiterung für sein Lieblingsspiel gewartet und kommt nun nicht ran. Aber ist das tatsächlich so? Gefühlt jede Stunde werden auf Boardgamegeek, Facebook, Spiele-Offensive und Co. neue Sammelbestellungen für Kickstarterprojekte eröffnet. Warum funktioniert das hier? Warum gibt es niemanden der eine Fachhandelsaktion-Sammelbestellung startet? Jemanden der sich Interessenten sucht, das Geld von Ihnen erhält und dann vor Ort im Fachhandel einfach mal 20 Erweiterungen kauft. Eventuell sogar noch mit einem Rabatt? Oder ist es einfacher seine Zeit und Energie in Beschwerden zu investieren? Im Internet, wo jeder andere Recht hat, sofern er die eigene Meinung vertritt. Einem Reich, in der anders denkende alles nur inkompetente Idioten sind? Einem Ort, an dem der arme, kleine Bürger sich endlich gegen die Elite wehren kann!


Ich bin mal so frei und zitiere hier einen gelungenen, wenn auch recht sarkastischen Beitrag von „Meister Yoda“ auf unknowns.de.

***********

Gerüchten zufolge sind die Inhaber der 20 größten Spieleverlage der Welt deswegen nicht in der Forbes-Liste aufgeführt weil sie neben ihrem Geld so viel Einfluss haben dass sie das verhindern können. Bill Gates soll gelegentlich nach einem Albtraum schwitzend aufwachen und stammeln: „Spieleverleger…wäre ich doch nur Spieleverleger geworden…“

Das größte Geheimnis ist aber natürlich der Exklusiv-Parkplatz in Essen. Dort kann man jedes Jahr eine stattliche Sammlung der größten und schnellsten Sportwägen der Welt bestaunen. Leider gibt es davon kein Bild aber ich habe gehört dass die Autos dort über einen roten Teppich einfahren während die Hostessen eine Verkleidung aus dem Bestseller des Verlagsprogramms tragen…

Quelle: https://www.unknowns.de/wbb4/index.php?thread/10025-die-azteken-f%C3%BCr-imperial-settler-sind-erh%C3%A4ltlich-aka-pegasus-fachhandelsaktion-k/&postID=175181#post175181

***********

So lustig dieser ist so sehr zeigt er vielleicht auf, dass sich mancher in seiner Opferrolle schon so weit zurückgezogen hat, dass ihm ein gewisser Blick fehlt? Eventuell, ich möchte hier niemanden vorwerfen dumm zu sein, nur vielleicht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Ihr kauft ein Spiel im Laden. Von diesem Preis gehen erst einmal 19 % MwSt an den Staat. Dann bleibt vom Verkaufspreis noch eine Marge für den Ladenbesitzer, der davon Strom, Wasser, Müll, Miete, Gewerbesteuer, Angestellte und im besten Fall noch ein Gehalt für sich bezahlt. Das Restgeld landet nun im gierigen Schlund des Verlages. Stimmt nicht ganz. Schließlich haben der Autor oder der Lizenzgeber noch nichts erhalten. Des Weiteren fehlen noch die Produktionskosten. Haben wir es selbst produziert wollen Grafiker bezahlt werden. Ist es eine Lizenzarbeit benötigen wir Übersetzer. Außerdem Material, Umkarton und vieles mehr. Da Verlage natürlich auch nicht dumm sind bleibt ein gewisser Rest übrig von dem lustige Sachen bezahlt werden müssen – ja ihr habt es wahrscheinlich bereits erraten – Strom, Wasser, Müll, Miete, Gewerbesteuer, Angestellte und im besten Fall noch ein Gehalt für den Geschäftsführer. Da bleibt wahrscheinlich in den seltensten Fällen Geld für einen Porsche.


Andere Denkansätze sind dann neue Brettspiel-Weltordnungen, in denen der böse Verlag dem Kunden alles diktiert. Wann er wo und wie einzukaufen hat. Natürlich zu den möglichst schlechtesten Bedingungen für den Spieler. Aber ob das eventuell einfach auch eine Gegenreaktion zum Schnäppchenjäger ist? Wenn ich teilweise in bestimmten Gruppen sehe, dass jemand ein Spiel nicht kauft, weil es ihm noch 2,- € zu teuer ist und er auf die nächste kombinierte Rabatt-Aktion mit zusätzlichen %-Gutscheinen wartet stellt sich mir die Frage, ob wir bereits an einem Punkt sind, an dem man nicht mehr sieht, dass ein Spiel nicht nur dazu gemacht ist, um Spaß zu haben. Eine ganze Branche lebt davon euch mit immer neuen Ideen zu versorgen. Ja, ich weiß, wir Brettspieler sind eine große Familie, aber das hört doch bei den Verlagen nicht auf. Oder gilt das für sie nur, wenn sie sich vollkommen aufopfern würden?


Also, was lernen wir daraus. Einfach mal tief durchatmen. Man muss nicht immer alles sofort und als erster haben. Manchmal muss man halt etwas warten. Ich glaube nicht, dass hier irgendwer mitliest, der von sich nicht behaupten kann, dass er die neue Erweiterung unbedingt braucht, weil er alle anderen Spiele in seiner Sammlung bereits so häufig gespielt hat, dass sie ihm vollkommen zum Hals raushängen. Wenn Pegasus denkt hiermit den Fachhandel zu unterstützen ist das ihr gutes Recht. Selbst, wenn sie entschließen, dass die Spiele in den ersten 3 Wochen nur nach 20:00 Uhr in Berliner Tankstellen verkauft werden, deren Hausnummer gerade ist. Es ist ihre Entscheidung. Eure ist es das zu unterstützen oder eben nicht. Ihr Entscheidet mit eurem Geld, ob eine Aktion eines Händlers/Verlages erfolgreich ist. Wie häufig lese ich, dass der Fachhandel geschützt werden müsse, damit sie nicht von den bösen Konzernen zerstört werden. Denn nur dort erhalte ich kompetente Beratung und treffe Gleichgesinnte. Ob das auf euch zutrifft müsst ihr entscheiden.

Ich selbst werde es weiterhin so handhaben, wie bisher. Ich kaufe mir Spiele, die mich interessieren zu Preisen, die ich bereit bin zu zahlen. Verpasse ich dabei was ist das auch egal. Es kommt schon bald das nächste Spiel, das ich unbedingt haben muss.

Portrait-Christian Renkel-quadratisch-2
Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Danke für deine Meinung