Mit #BG2GETHER wollen wir uns, genau wie jeden anderen Monat, gemeinsam mit Kolleg*innen einer weiteren Frage stellen. Diesmal werden wir wieder einmal zurückblicken. Uns selbst analysieren und auch das eine oder andere Geständnis abliefern. Denn wir fragen uns:
Frage des Monats März 2025 – Gestellt von Fjelfras
Hand aufs Herz! Ihr schaut nicht nur kritisch auf Spiele, sondern seid insgeheim auch Autor*innen. Wie sieht das also bei euch aus? Kribbelt es in den Fingern? Liegen Prototypen in irgendwelchen Schubladen? Habt ihr etwa schon was veröffentlicht und wenn ja, wie vereint ihr das mit eurem Job als Kritiker*in?
Oje, da ist sie. Die Frage nach der Ambition, ein eigenes Brettspiel zu entwickeln. Ich bin immer wieder ein klein wenig neidisch, wenn ich auf ein interessantes Projekt stoße und sehe, wie fortgeschritten manch Prototyp bereits ist. Hier haben wir in den letzten Jahren so manch schmackhaften Leckerbissen zu Gesicht bekommen. Nicht alle wurden veröffentlicht. Vor allem traurig, dass Building Fairyland immer noch keinen Verlag gefunden hat. Ich werde die Hoffnung zwar nicht aufgeben, aber ich glaube, ich werde fragen, ob ich die Druckdaten bekomme, damit ich das Spiel wenigstens im Prototypenstadium genießen kann.
Aber das ist nicht die Frage. Schließlich geht es um meine eigenen Projekte. Und wie es sich für mittelalte Typen gehört, werde ich euch hier auf eine Reise nehmen, die weit in die Vergangenheit reicht. Wir schreiben das Jahr 1991. Ich hatte zu Weihnachten ein Wunderwerk der Technik bekommen. Einen Game Boy, der bis zum Zeitpunkt der Geschichte schon viele Batterien gefressen hatte. Nichts desto trotz liebte ich den Handheld von Nintendo. Und vor allem einen Titel. Super Mario Land. Ein Spiel, das für mich in jungen Jahren unglaublich schwer war. Aber zum Glück hatte ich die Anleitung, in der ich auch einen Blick auf Gegner in späteren Leveln werfen konnte.
Die ersten Schritte
Nun gab es in meiner Kindheit eine Regel. Unter der Woche durfte ich keine Videospiele zocken. Und am Wochenende auch nur einen Tag. Ok, es gab ein paar Ausnahmen, aber häufig habe ich mich an die Regel gehalten. Zumindest dann, wenn ich mich im Dunstkreis meiner Eltern befand <hüstel>. Nun hatte ich dank Videospielsperre viel Freizeit, die es zu füllen gab. Damals habe ich mit zwei Dingen begonnen. Zum einen mit dem Schreiben von richtig schlechten Horrorgeschichten (sollte ich sie jemals finden, werde ich sie Blumhouse zum Kauf anbieten) und Brettspielen. Natürlich mit den ganz einfachen und manchmal auch sehr trashigen wie der Jagd nach dem blutrotem Juwel. Und es kam, wie es kommen musste. Ich dachte mir, dass ich Super Mario Land in ein Brettspiel umwandeln muss, damit ich auch unter der Woche Abenteuer in der Welt von Nintendo erleben konnte.
Heraus kam ein Würfel-Laufspiel mit abgezeichneten Grafiken aus der Anleitung und dem Club Nintendo Magazin. Alles liebevoll in Handarbeit hergestellt. Viel ist mir nicht mehr bekannt, aber so richtig gut kann es nicht gewesen sein. Denn ich habe es dann doch ziemlich schnell links liegen lassen und mich dann lieber wieder meinen Geschichten gewidmet.
Brettspiel Renaissance
Viele Jahre war ich dann reiner Konsument. Ich lernte immer weitere Spiele kennen und wechselte als Teenager zum Rollenspiel. Dort hatte ja irgendwie jeder irgendwann sein eigenes System entwickelt. Ich zum Glück nicht. Diese Jugendsünde blieb mir erspart. Dafür habe ich eine andere begangen. Nämlich meinen zweiten Versuch, ein Spiel zu gestalten.
Ich hatte für damalige Verhältnisse richtig Arbeit hineingesteckt. Bei Pearl hatte ich mir ein Druckset für Spielkarten gekauft, welches noch von Hand mit Folie überklebt wurde und entsprechen schlecht zu mischen war. Aber wir wissen auch eines. Manchmal reicht es nicht, einen Fehler einmal zu begehen. Also habe ich erneut ein Würfel-Laufspiel entwickelt. Diesmal mit kleinen Rollenspielelementen in Form von Proben, die es zu bewältigen galt. Die Idee lautete, dass man als Spieler in ein Haus eindringen und Schätze stehlen musste. Leider war der Eigentümer des Hauses sehr misstrauisch, weswegen er überall Fallen eingebaut hatte.
Die fanden sich auf den Händen der Mitspieler wieder. Gruppiert waren sie nach Fallen für innen und draußen. Mit jedem Schritt konnte eine Falle gespielt werden. Eine Probe entschied dann, ob man ausweichen konnte oder nicht. Thematisch ganz witzig sonnte ich mich in meiner Genialität. Bis wir dann die erste Partie gespielt haben und das Spiel einfach nur langweilig war. Die Wege viel zu weit, die Fallen witzlos und alles in allem eine reine Würfelorgie. Das Spiel landete erst irgendwo hinten im Schrank und verschwand bei irgendeinem Umzug.
Das letzte Aufbäumen
In den ersten Jahren von Spielstil hatte mein damals bester Freund einen Traum. Ein eigenes Brettspiel zu entwickeln. Ich weiß noch, dass wir uns über diverse Ideen ausgetauscht und unterhalten haben. Leider war der Zeitpunkt sehr ungünstig. Ein Schicksalsschlag hatte dafür gesorgt, dass ich in eine schwere Depression abgerutscht war, was nicht unbedingt dazu führte, dass ich mich bei der Hilfe mit Ruhm bekleckert hat. Im Gegenteil. Wenn man sich vor allem sozial abschottet, verkriecht und hofft, dass alles vorbei ist, bleiben wenige Gedanken für andere Dinge.
Aber eine kleine Erfolgsgeschichte habe ich dann doch noch. Später kam dann ein anderer Freund und Mitspieler mit einem Prototypen um die Ecke. Auch wieder ein Spiel, das mir bis heute gut gefällt und das auch keinen Verlag gefunden hat. Ein Expertenspiel mit Wettlaufcharakter und hohem Interaktionsgrad. Paul hatte hier ganze Arbeit geleistet. Und nun habe ich hierfür – Trommelwirbel bitte – eine kleine Idee beigesteuert! Ja, ich habe einen kleinen Aspekt des Spiels beeinflusst. Es spricht für Paul, dass er mich dafür gleich als Autor hätte mit auf die Schachtel schreiben lassen, aber den Ruhm kann ich nicht einstreichen.
Das Ende des Leidens
Ja, heutzutage weiß ich natürlich über das Vorgehen mit neuen Spielen Bescheid. Das Scheitern gehört zum Prozess, welcher zu steter Verbesserung führt. Aber habe ich deswegen große Ambitionen, ein eigenes Spiel zu entwickeln? Natürlich würde ich mich freuen, wenn irgendwann mal mein Name auf einer Brettspielschachtel stehen würde. Mitunter einer der Gründe, warum ich mich auch freute, als zwei meiner Bücher Verlage gefunden hatten. Aber seien wir ehrlich. Das Ziel werde ich wahrscheinlich nie erreichen.
Immer wieder sehe ich diverse Einfälle in meinem Geist aufkommen, aber häufig sind es vor allem eines. Kopien bekannter Elemente. Kurz darauf verliert sich dann das Denkexperiment verliert immer wieder. Okay, bis auf eine Idee, die ich hatte, als wir letztes Jahr in Essen waren. Die war eigentlich ganz witzig. Nur habe ich sie inzwischen wieder vergessen. Und wenn ich so weitermache, wird es nie etwas mit einem Millionenseller.
Bis dahin, liebe Verlage, sprecht mich unbedingt auf Building Fairylands und Jenissei an! Es ist eine Schande, dass diese tollen Spiele immer noch in einer selbst gebastelten Box versauern.
Horst
Hallo Christian,
da hast du es ja schon mal geschafft als Autor auf einem Karton abgedruckt zu sein 🙂
Wieder mal interessante Gedankenspiele … und irgendwie fehlt immer die Zeit.
Christian Renkel
Fast. 🙂
Wenn das Spiel herausgekommen wäre, wäre mein Name mit aufgedruckt gewesen. Bisher hat es ja noch nicht sollen sein.
Sevan
Hähä, ja crazy! Bei mir hat es für bisher nur für einen Solo Modus gereicht, wenigstens offiziell und Im Ausguck abgedruckt (für Tipperary).
Aber man darf ja noch träumen 🙂
Christian Renkel
Hey Sevan, wie bist du denn den Solo-Modus angegangen?
Simone
Hallo Christian,
ich bewundere alle Spiele-Autoren und beneide sie ein wenig um Ihre Kreativität. Schon so einige Male dachte ich mir: „Das ist so einfach und genial, warum bin ich da nicht draufgekommen?“ Tatsache ist, ich bin es nicht und werde es wohl auch nicht, damit muss man sich dann irgendwann abfinden. Ich glaube, ich wäre ein ganz guter Redakteur, aber für ein eigenes Spiel fehlt es mir da an Einfallsreichtum. Daher bin ich sehr froh, dass es Menschen gibt, die mich – auch nach mehr als 40 Jahren Spielen – immer wieder mit ihrer Genialität überraschen! Chapeau für alle (angehende) Spiele-Autoren!