Mit #BG2GETHER wollen wir uns, genau wie jeden anderen Monat, gemeinsam mit Kolleg*innen einer weiteren Frage stellen. Diesmal werden wir wieder einmal zurückblicken. Uns selbst analysieren und auch das eine oder andere Geständnis abliefern. Denn wir fragen uns:
Frage des Monats September 2025
Sollten Brettspiele eine stärkere moralische oder politische Botschaft vermitteln oder sollte der Fokus rein auf Unterhaltung liegen?
Disclaimer: Dieser Beitrag kann politische und kontroverse Themen enthalten. Wer das mit Brettspiel nicht verbinden möchte, sollte schnell wegklicken, bevor der Puls steigt.
Ich halte mich selbst für einen ziemlich normalen Menschen. Das große Problem ist, dass jeder sich dafür hält. Egal, welche Meinung man vertritt, man selbst ist sozusagen der Eichstrich, um Meinungen und Handlungen anderer zu beurteilen. Viele treten – ich würde mich selbst nicht ausschließen – in eine Falle hinein. Man fragt sich selbst viel zu selten: „Warum?“ und vor allem „Könnte das, was mein Gegenüber vorschlägt, doch sinnvoll sein?“.
Ich bin mir sicher, dass der Versuch die Frage des Monats zu beantworten, ein kleiner Ritt auf dem Pulverfass ist. Nicht, weil ich eine extreme Einstellung dazu hätte, sondern weil diese bestimmt im ersten Moment falsch aufgefasst wird. Lieber aufregen als nachvollziehen. Das Vergnügen hatte ich schon ein paar Mal und wir kennen es aus dem alltäglichen Leben. Es gibt Reizthemen, in denen sofort losgeschossen wird. Reflexartig. Beispiele? Vegan und Gendern!
Extreme Aussagen haben es bereits in den Lebensalltag der „Mitte“ geschafft und wird von dieser auch ungeprüft herausposaunt. Nein, ich möchte jetzt keine Verschwörungstheorien verbreiten. Nur dazu anregen nicht nur ein per Messenger zugesandte Meme als Wahrheit aufzufassen oder Bierzeltpossen vom Söder eins zu eins zu übernehmen. Niemand möchte euch etwas wegnehmen, niemand dazu zwingen etwas zu ändern.
Ich merke gerade, wie ich abweiche, aber eigentlich diente das vorher gesagte nur ein wenig der Ausrichtung des Kompasses der Antwort. Denn ich werde gleich diverse Sachen sagen, die vielen nicht schmecken werden. Und bevor hier gleich wieder die Wokeness-Keule herumwirbelt, möchte ich doch darum bitten kurz einen Schritt zurückzugehen und eines zu verinnerlichen. Ich fordere hier erstmal nichts ein oder möchte anderen etwas verderben.
Brettspiele sind lehrreich!
Es gibt einen Punkt, der mir auch erst vor einigen Jahren richtig bewusst geworden ist. Medien und dazu zähle ich Brettspiele auch, beeinflussen unser Weltbild. Verwende ich also ein verfälschtes Bild, wird sich dieses in den Köpfen breit machen. Gehen wir hier mal zum Lieblingsbeispiel im Brettspielbereich. Der Kolonialismus. Oft und häufig herangenommen, neigen Brettspiele dazu diesen zu glorifizieren. Vielleicht nicht einmal mit Absicht, aber schon dadurch, indem bestimmte Aspekte weggelassen oder schöngeredet werden.
Möchte ich jetzt, dass man keine Spiele mit entsprechendem Thema mehr macht? Das wäre absolut falsch! Ich persönlich hätte nur gerne, dass auch die Schattenseiten vorhanden sind. Und das egal bei welcher realen geschichtlichen Epoche. Klar sind Brettspiele nur eine Abstraktion daraus. Aber wäre es nicht richtig, die Auswirkungen meines Handelns aufzuzeigen? Nicht, um sich daran zu ergötzen, sondern, um zu lernen?
Das ist ein Punkt, den ich in der Rezension zu East India Companies auch schon eingefordert hatte. Mit einer Aktion, die übertragen nur bedeuten kann, dass ich Menschen vor Ort ausbeute. Diese Aktion wurde nett Handelsposten benannt. Aber warum bringt mir dieser in Zukunft dann kostenlose Waren? Wo sollen die denn logisch herkommen, außer ich zwinge vor Ort Menschen dazu für mich zu arbeiten? Und das auch nicht auf bezahlte Art und Weise.
Mir wurde damals vorgeworfen, dass ich Geschichte beschönigen möchte oder picky in meiner Forderung wäre. Nein, das wollte ich nie. Aber warum verklären Verlage diese Aktion, anstatt sie als das zu benennen, was dargestellt werden soll? Naja, Spielen soll ja auch Spaß machen. Man soll sich wohlfühlen am Spieltisch. Das kann ich auf gewisse Art und Weise auch verstehen. Aber wenn ich eine geschichtliche Epoche als Thema auswähle, dann doch auch mit allen Konsequenzen?
Ansonsten gibt es so viele Möglichkeiten thematisch andere Wege zu gehen. Oder wie es mir mal jemand ins Gesicht sagte: „Dieser ganze Wokeness Mist mit seinen Gender-Sternchen sorgt dafür, dass nur noch Spiele mit Tieren herauskommen.“ Ähm… nein.
Und hier sind wir dabei, ob Spielen nur Spaß machen oder auch etwas vermitteln soll. Spielen vermittelt immer etwas. Und ich glaube auch, dass man mit Spielen Themen gut vermitteln kann und auch sollte. Geschichtlich, wie politisch. Aber dann mit allen Konsequenzen. Damit sich kein falsches Bild festsetzt. E-Mission hat bewiesen, dass Lernspiele fordern und spannend sein können. Weimar die Vergangenheit lebendig gemacht.
Ich empfinde den Ansatz als interessant genug, um ihn zu verfolgen. Doch ist das möglich? Wie bekommt man in den Griff, dass Spiele wahres Wissen vermitteln und keine Ideologien? Darauf habe ich keine Antwort. Ich weiß nur eines, dass Menschen, die die Wahrheit vermitteln möchten, sich dann wieder vor weit größeren Skrupeln stehen, als diejenigen, die polemische Lügen reinbasteln, um ihre Agenda weiter zu untermauern.
So schön die Vorstellung ist Menschen im Spiel erleben zu lassen, was es zum Beispiel bedeutet von einer rechtsextremen Partei regiert zu werden, so sehr befürchte ich, dass auch hier wieder vieles wegignoriert wird, weil Fakten inzwischen mit Meinungen gleichgesetzt werden. Vielleicht ist es dann doch besser, wenn wir in Zukunft Tiere pflegen, bevor wir an unserer eigenen mangelnden Medienkompetenz scheitern.
Horst
Moin Christian, so kontrovers finde ich deinen Artikel gar nicht. Vielleicht sind die beiden letzten Absätze etwas deprimierend. Aber wir lassen uns einfach nicht untergehen!