SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Hermann Luttmann
erschienen bei Frosted Games
Alle paar Jahre passiert es wieder. Es scheint ein ganz normaler Tag zu werden, ich stehe auf, füttere unsere Katzen und gehe in die Küche, um einen Kaffee zu kochen. Doch dann ahne ich das drohende Unheil schon ob der verdächtigen Leichtigkeit der Kaffee-Dose. Der Löffel poltert laut herum und das kann nur eines bedeuten:
DER KAFFEE IST ALLE!!!
Oh nein! Der Kaffee ist alle… der Kaffee… ohne Kaffee arbeitet mein Gehirn doch nicht richtig… mein Gehirn… Kaffee… Gehirn…
„Gehirn!!! … Kaaaff…Eeeee!! Hiiirn…“
Meine Frau kennt das zum Glück schon und hat immer einen Notvorrat löslichen Néscáfé Góld (Ich kann mir einfach nicht merken, wohin dieser verdammte Accent aigu gehört) gebunkert, den sie schnell aufgießt, ehe ich den Weg aus der Haustür finde und wieder die Nachbarin erschrecke, weil es dort so gut nach Kaffee riecht. Um die Zeit zu überbrücken, bis die heiße Instant-Brühe trinkbar ist (wir reden von der Temperatur; nicht dem Geschmack…), wirft sie mir schnell die Schachtel von Dawn of the Zeds auf den Tisch. Dort ist immerhin der Spielplan auch kaffeebraun…
(Norddeutscher Zombie)
Bei Dawn of the Zeds haben wir es mit einem klassischen „Tower Defense“ Spiel in Brettform zu tun. Das Prinzip ist denkbar einfach: Wir sitzen in der Mitte (im Phantasie-Ort „Farmingdale“) und über 4 beziehungsweise 5 verschiedene Routen rücken Horden von Zombies heran. Erreichen diese das Stadtzentrum, haben wir sofort verloren. Um zu gewinnen, müssen wir diesem Ansturm der hirnlosen Toten nur lange genug standhalten.
Damit es die schlurfenden Leichen nicht gar zu leicht haben, über die Vororte von Farmingdale herzufallen, stellen sich 4 Helden gegen die Horden. Diese kommen mit einer ganzen Palette an besonderen Fähigkeiten, kämpferischen Spezialitäten und ungewöhnlichen Sonderregeln daher. Kein Wunder, dass jeder Held eine große Karte hat, auf der all diese Fähigkeiten detailliert aufgelistet sind. Diese tapferen Menschen (meistens – es gibt auch Hunde und Pferde!) bewegen sich nun den Zombies entgegen und können mit eigenen Aktionen versuchen, diese zu schwächen oder gar auszuschalten. Dabei haben wir nur wenige Aktionen in jeder Runde zur Verfügung, die wir auf unsere Kämpfenden aufteilen können. Mit diesen Aktionen bewegen wir uns auf den Routen den Zombies entgegen und Kämpfen (mit Würfeln) gegen sie. Dabei sind diese Kämpfe immer ein zweischneidiges Schwert: Haben wir nicht eine überwältigende Übermacht, kann es passieren, dass nicht wir die Zombies verwunden und zurückdrängen – sondern das Gegenteil eintritt! Die Entscheidung trifft hier der Würfel; das Ergebnis lesen wir aus einer Tabelle ab, die vor allem Cosim-Fans kennen dürften.
Sind die Helden (und damit die Spielenden) mit ihrem Zug fertig, agieren die Zombies. Hierfür gibt es einen Stapel an Karten, welche zum einen bestimmen, wo sich Zombies bewegen oder auch neu auftauchen; zum anderen hat jede Karte ein besonderes Ereignis, welches uns das Leben leicht oder schwer machen kann. Außerdem dient dieser Stapel als Zeitmesser: Haben wir die letzte Karte überlebt, wird Farmingdale von der Armee befreit und wir haben die Partie gewonnen!
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Regeln – das Spiel kommt in 5 Schwierigkeitsgraden daher und mit jeder Stufe kommen neue Details hinzu. So kann man Heilmittel oder Waffen erforschen, muss flüchtende Dorfbewohner aus den umliegenden Gemeinden retten oder bekommt es gar mit den höllischen Helden Schurken der Zombies zu tun! Ein fünfter Weg wird hinzugenommen und die Zombies verursachen Chaos und Panik, welche einen auch das Spiel verlieren lässt, bekommt man sie nicht unter Kontrolle!
Die komplette Spielregel zu Dawn of the Zeds findet ihr hier. (externer Link)
(Rick Grimes)
Ok, der Name ist wirklich nicht sonderlich innovativ, das gebe ich zu: „Dawn of the Dead“ meets „World War Zed“ – brrrrrzt – „Dawn of the Zeds“. Hätte auch „World War Dead“ heißen können, aber das hört sich nach Science Fiction Endzeit á la DOOM an… Also alles richtig gemacht, um ohne Lizenzgebühren das Publikum gleich mit dem richtigen Mindset abzuholen. Das es dann auch noch den Sheriff gibt und einen Typen mit Pfeil und Bogen tut sein übriges…
Und da sind wir auch gleich beim Thema des Spiels: Es nimmt sich nämlich selbst nicht wirklich ernst! Dawn of the Zeds betrachtet sich selbst als Zombie-Film. Das sieht man schon am Cover des Spiels und das zieht sich auch durch das übrige Spielmaterial, auf dem man immer wieder dezent die Filmrahmen platziert findet. Und so spult sich eine Partie auch filmreif vor meinem inneren Auge ab, wenn ich mit den tapferen Überlebenden Barrikaden baue, um die Horden der hirnlosen abzuwehren, aber dann doch Noelle aus der Hölle (die Zombie-Braut!) durchbricht und den Deputy frisst! Hoffentlich überlebe ich noch die letzten drei Karten, dann habe ich es geschafft… Schweiß steht auf meiner Stirn, als ich die nächste Karte umdrehe…
Aber trotz all der Spannung und thematischen Einbindungen bleibt doch viel in diesem Spiel dem Zufall (sprich den Würfeln) überlassen. Zum Beispiel können wir bei der Aktion „Suchen“ die überaus wertvolle – aber auch knappe – Munition aufstocken. Dies gelingt allerdings nur an besonderen Orten und auch dann nur mit einem Würfelergebnis von 6 auf einem sechsseitigen Würfel. Da wird schon klar, dass bei der geringen Anzahl an Aktionen oft viel daran hängt, ob ich in 5 Runden dreimal eine 6 würfle – oder in 10 Runden nicht ein einziges Mal. Das kann einen schon in den Wahnsinn treiben – auf der anderen Seite kann man bei den Kämpfen, die auch von Würfeln abhängen, immerhin die Wahrscheinlichkeiten zu den eigenen Gunsten verschieben.
Doch vor allem eines macht Dawn of the Zeds weit besser als Nemo’s War (beides sind Solo-Spiele aus dem Hause Frosted Games) – während bei Nemo’s War durch Würfel gesteuert wird, wie viele Aktionen ich überhaupt in meiner Partie habe, nutzt hier Dawn of the Zeds die Aktionskarten – und ja, die sind auch zufällig, aber nicht unbalanciert! Besonders üble Ereignisse für uns geben immerhin viele Aktionen. Positive Ereignisse, wie ein neuer weiterer Held, lassen uns meist nur eine oder keine Aktion in dieser Runde ausführen. Diese Balance gefällt mir unglaublich gut und macht das Spiel zumindest gefühlt – trotz der vielen Würfelwürfe – fairer!
Ok, sprechen wir über die Schwierigkeiten. Wenn man das erste Mal Dawn of the Zeds spielt, bleibt ein Großteil des Spielmaterials vorerst in der Schachtel. Und auch von den Ereigniskarten werden nur wenige benutzt. Zieht man dann den Schwierigkeitsgrad an, werden es mehr und mehr Karten, Helden, Counter und vor allem eines – Regeln! Das „voll ausgewachsene“ Dawn of the Zeds – quasi in Spielfilmlänge – besitzt ein dickes Referenzheft und genau detaillierte Regeln für Abfolgen von Angriffen, Spezialfähigkeiten, Ereigniskarten, etc, pp. Und da bin ich dem Spiel wirklich dankbar, dass es sukzessive an die volle Regelpackung heranführt. Sonst wären wahrscheinlich die meisten Spielenden hilflos überfordert mit dem, was da in und um Farmingdale passiert! Aber auf diese Weise bekommt man erst einmal ein Gefühl, wie man die Horden in den Griff bekommen kann – nur um mit der nächsten Schwierigkeit wieder ins Schwitzen zu kommen, weil neue Faktoren wie Forschung, Chaos oder auch eine weitere Route mit eingerechnet werden müssen.
Besonders liebevoll ist der „Abspann“ gelungen: Nach einer Partie werden verschiedene Parameter des Spielfelds abgefragt, und je nach Zustand/Wert gibt es Textbausteine, die sich zu einer abschließenden Story zusammenfügen und das Bild eines (epischen) Films abrunden.
Dawn of the Zeds ist ein tolles Solospiel: Es bietet eine schöne thematische Einbettung (wenn auch mit einem sehr klassischen Thema) mit einer gewissen Würze an Zufall, aber nicht unfairem Glück. Insbesondere der ausgleichende Faktor der Ereigniskarten ist hier lobend zu erwähnen. Es gibt sehr viel Abwechslung durch viele verschiedene Helden (und Spezialkräfte der Bürgerwehr) und natürlich Ereigniskarten. Je nachdem, wie müde ich bin, kann ich den Schwierigkeitsgrad so wählen, dass ich angenehm gefordert bin und Spaß an dem Spiel habe.
Dawn of the Zeds von Hermann Luttmann
Tolles Solospiel mit viel Abwechslung, einem sich steigernden Schwierigkeitsgrad und viel verstecktem Humor.
Thomas:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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