SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Emmanuel Aquin
erschienen bei Giant Roc
Das Thema „Zweiter Weltkrieg“ ist ein eher schweres Thema. Dennoch wird es immer wieder in Spielen aufgegriffen, und zwar auch abseits der Cosims (Konflikt-Simulationen), bei denen die Spieler stapelweise Pappcounter auf sechseckigen Schlachtfeldern hin und her schieben. Nicht immer ist das Thema dabei ernst genommen – so gibt es zum Beispiel aus dem asiatischen Raum vom Verlag Japanime Games das eher absurde Spiel Barbarossa, bei dem leicht bekleidete Manga-Girls als Repräsentation der deutschen Wehrmacht gegen Russland in den Krieg ziehen. Doch es gibt auch deutlich düstere Szenarien, wie zum Beispiel Black Orchestra, bei dem es das Ziel ist, Adolf Hitler zu ermorden, um das dritte Reich zu Fall zu bringen. Einen deutlich leichteren, distanzierteren Ansatz hat das hier betrachtete D-Day Dice. Hier erstürmen wir mit den alliierten Truppen die Normandie – wie der Namen des Spiels auch schon vermuten lässt.
(Albert Schweitzer)
In diesem Fall wird die Landung in der Normandie als kooperatives Würfelspiel umgesetzt. Wir haben vor uns einen Plan des Strandabschnittes, den es zu erstürmen gilt. Am Ende steht ein deutscher Bunker, welcher erobert werden muss. Unsere Einheit, die wir nun Sektor für Sektor voran bewegen, wird mit einem Würfel dargestellt, welcher auch anzeigt, wie lange wir uns bereits in diesem Sektor befinden – denn wir dürfen nicht lange verharren und müssen spätestens nach 3 Runden weiter. Das bedeutet in der Regel: Weiter voran, in Bereiche, die härter sind als der vorige, denn zurück in bereits besuchte Sektoren dürfen wir nicht.
Dabei kennt das Spiel im Grunde nur vier Arten von Ressourcen: Truppenstärke, also die Anzahl der Soldaten, die uns zur Verfügung stehen; Ausrüstungspunkte, von welchen wir uns nützliche Hilfsmittel kaufen können (welche aber nach einmaliger Benutzung hinüber sind); Auszeichnungen, die es uns erlaubt, Offiziere oder Spezialisten als permanente Verbesserung zu erwerben; und schließlich natürlich Mut – den unsere Einheit dringend benötigt, um weiter vor zu stürmen.
All diese Ressourcen füllen wir Runde um Runde weiter auf, indem wir – ähnlich wie bei Kniffel – mit Würfeln versuchen, gleiche Symbole mit zwei Wiederholungen zu würfeln. Schaffen wir es, mit drei verschiedenen Farben dasselbe Symbol zu würfeln, bekommen wir sogar einen Bonus. Aber natürlich gibt es auch Gegenwehr: Jeder Sektor gibt einen Wert an, um den wir unsere Soldaten am Ende der Runde reduzieren müssen. Fallen wir dabei auf null, war es das, und der Angriff ist gescheitert. Dasselbe gilt, wenn wir nach drei Runden in einem Sektor nicht den benötigten Mut gesammelt haben, um weiter voran zu schreiten. Sind wir im Bunker angekommen und haben diese Runde überlebt, gewinnen wir.
Die komplette Spielregel zu D-Day Dice (Second Edition) findet ihr hier. (externer Link)
(Iulius Cesar)
Womit fange ich am Besten an?
Spiele über den 2. Weltkrieg (oder Kriege im Allgemeinen) sind immer ein wenig schwierig, weil das Thema ja durchaus nah ist – sowohl geographisch, als auch chronologisch. Am einfachsten fährt man hier bislang, indem man möglichst abstrakt von dem Thema abrückt und sich rein auf die Spielmechanismen konzentriert. Das ist bei D-Day Dice auch geschehen – und zwar so weit, dass die Soldaten, welche wir beim Sturm auf die Normandie „anführen“ nicht mehr sind, als eine kleine Nummer, die wir per Rädchen hoch oder runter drehen. Der Fakt, dass am Ende jeder Runde durch den „Defense“-Wert ja eigentlich entsprechend viele Menschen ihr Leben verlieren – und bei gutem Würfeln in der nächsten Runde neue Soldaten nachrücken (und eventuell gleich wieder fallen werden) – wird hier entsprechend überspielt. Passend dazu sind auch die gedruckten Schlachtfelder sehr… sauber. Dort gibt es keine Leichen, Blut, oder zumindest Soldaten, die sich hinter Deckung kauern oder auf dem Boden voran robben. Selbst die Spezialisten-Karten haben nur Rangabzeichen – aber keine Gesichter, die den Soldaten zu einer Person machen würden. Diese Sterilität nimmt für mich auch eine ganze Portion Emotion und Spannung aus dem Spiel, leider.
Uns stehen hier vier verschiedene Nationen zur Verfügung, was ja im Grunde sehr toll ist – denn jede dieser Nationen hat eigene Sonderregeln, was den Bonus bei drei verschiedenfarbigen, erwürfelten Symbolen betrifft – das bedeutet auch Abwechslung bei den Partien. Aber wieso denn nicht auch bei den Spezialisten, die man sich über die Orden kaufen kann? Die Karten sind 1:1 komplett identisch. Gerade hier wären ja Besonderheiten der Armeen hervorragend abzubilden gewesen! Und sei es nur in den Kosten, eine solche Karte zu erwerben. Das ist meiner Meinung nach die größte vertane Chance dieses Spieles.
Und da wir gerade von den Würfeln reden: Ja, es ist ein Würfelspiel. Und ja, dabei spielt immer auch der Zufall eine Rolle. Aber wieso gibt es nicht mehr Möglichkeiten, die Würfelwürfe zu manipulieren? Würfel zu drehen, beliebig auszusuchen oder Ähnliches. Das höchste der Gefühle ist dann noch einmal ein Extra-Wurf, nachdem die Würfel am Ende liegen. Damit wird es für mich stark auf ein Glücksspiel reduziert. Ich schaue mir die Karte an, rechne die Verteidigungs-Werte zusammen, weiß also, was ich in Summe an Soldaten und Mut erwürfeln muss, um den Bunker zu „knacken“ – und spiele los. Dabei gibt es auf dem Spielfeld selbst eigentlich keine großen Überraschungen mehr. Einzig in späteren Szenarien gibt es dann noch einmal Felder mit Ereignissen, die man im Szenario-Heft nachschlägt. Aber das war es dann auch schon.
So bleibt am Ende zu sagen, dass es ein sehr schönes Spiel ist, welches auch gut funktioniert. Für meinen persönlichen Geschmack ist es zu viel Zufall und zu wenig Strategie – aber wer zum Beispiel Sagrada mag, den wird der Zufall hier nicht stören. Das Material ist sehr hochwertig – einzig die Steckverbindungen für die Drehscheiben sind zu locker und neigen dazu, auseinanderzufallen. Hier musste ich vor fast jeder Partie die Stecker erneut zusammen drücken…
D-Day Dice (Second Edition) von Emmanuel Aquin
Spiel mit sehr schönem Material und vielen Szenarien, allerdings massiv vom Würfelglück abhängig.
Thomas:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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