SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jeppe Norsker
erschienen bei Game Factory
Escape-Games sind meistens mit einer eher harmlosen Story versehen. Nicht die Leopold-Trilogie, die aus gutem Grund ab 16 Jahren ist. Mein ausdrücklicher Warnhinweis bereits an dieser Stelle. Die Altersangabe ist vollkommen ernst gemeint. Warum erkläre ich euch später.
(Berthold Auerbach)
In der Leopold-Trilogie verkörpern wir Maria, die Leopold zur Strecke bringen muss. Aufgeteilt in drei Abenteuer bahnt sie sich ihren Weg voran auf ihr großes Ziel zu. Wie das Ganze endet, verraten wir hier natürlich nicht.
Jeder Teil der Trilogie umfasst etwas mehr als 50 Karten. Auf diesen finden wir Gegenstände, die wir, wenn wir sie entdeckt haben, an uns nehmen dürfen. Außerdem gibt es rote Zahlen, die auf eine Kombination mit anderen Gegenständen hinweisen und schwarze, die Teil eines Codes sein können.
Die Spieler werden durch eine Browser-App durch die Spiele geleitet. Es ist kein Download, jedoch eine aktive Internetverbindung, vonnöten. In die Anwendung geben wir entweder zwei rote Zahlen ein, wenn wir Gegenstände verwenden oder eine schwarze, wenn wir einen Code lösen möchten. Außerdem ist es über sie möglich, Hinweise zu erlangen. Wie das Ganze genau funktioniert, und was euch in etwa an „Storyhärte“ erwartet, könnt ihr hier in diesem Tutorial des Verlages sehen.
Eine wichtige Information, die auf der Schachtel noch fehlt, ist, dass man natürlich alle drei Teile der Leopold-Trilogie spielen muss, da diese storytechnisch aufeinander aufbauen. Außerdem befindet sich in der Schachtel jeweils eine Seriennummer, mit der sich das Spiel 30-mal aktivieren lässt. Das dürfte ausreichend sein, da während eines Durchgangs zwar nichts zerstört wird, aber man eben die Lösung der Rätsel kennt. Jedoch lässt sich das Spiel komplett zurücksetzen, wodurch auch Freunde in den Genuss kommen können.
(Ovid)
Betrachtet man die Leopold-Trilogie muss man dies aus zwei Blickwinkeln. Denn Rätsel und Geschichte sind zwar miteinander verwoben, bringen jedoch jeweils genügend eigene Aspekte mit sich, über die man sprechen sollte. Damit sich auch Spieler, die sich nicht spoilern lassen möchten, informieren können, beginnen wir bei den Rätseln.
Diese haben mir außerordentlich gut gefallen. Manch Escape-Game-Veteran mögen sie vielleicht zu einfach sein, aber für mich waren sie die perfekte Mischung. Selbst die Logik-Rätsel sind nicht so abstrus, dass man nicht mit normalem Denken und Beraten auf die Lösung kommt. Zumindest, wenn man sich darauf einlässt. Garniert wird dies durch Inventarrätsel, bei denen man sein Wissen der realen Welt gut einbringen kann. Sehr selten fragt man sich, welche Drogen der Autor denn genommen hat um auf gerade diese Kombination zu kommen.
Dabei hat das System der App einen kleinen, aber entscheidenden Fehler. Sie speichert keinen Fortschritt. Soll heißen, wenn wir an einem Rätsel nicht weiterkommen, zwischendurch andere Rätsel lösen und in der Story vorankommen, dann erst das alte Rätsel bewältigen, denkt die App, dass wir im alten Bereich sind, und gibt Hinweise auf Rätsel, die wir längst gelöst haben. Einzig die Eingabe der bereits entdeckten Codes behebt das Problem.
Technisch gesehen funktioniert die Anwendung, hat jedoch noch Verbesserungspotenzial. Auch in der Stimmungsbildung könnte man noch ein gutes Schippchen drauflegen. Warum gibt es keine musikalische Untermalung? Diese würde einen noch weiter in die Welt hineinziehen. Wenn dann Passagen kommen, in denen ein Timer Zeitdruck vorgaukelt, würde das Adrenalin so richtig durch den Körper rasen.
Aber kommen wir zur Geschichte. Hier noch mit kleinen Spoilern versehen. Wer also komplett jungfräulich an die Leopold-Trilogie herangehen möchte, sollte die nächsten zwei Abschnitte überspringen. Wir verkörpern in diesem Escape-Spiel Maria, die versucht Leopold mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuhalten. Welche das sind, wird hier nicht erwähnt werden. Aber auf einen Punkt muss ich eingehen. Denn auf dem Cover der einzelnen Titel prangt groß das Stichwort Thriller und der Vermerk ab 16 Jahren. Das bezieht sich direkt auf Aktionen, die wir als Maria ausführen müssen, um in der Geschichte voranzukommen. Dabei sind Aktionen, die in einem Spiel nichts zu suchen haben. Und wieder andere, die uns schlichtweg keine Chance auf eine andere Lösung bieten. Was der Autor damit ausdrücken wollte, ist mir schon klar, aber dennoch schrammen wir hier mehrfach über die Grenze des guten Geschmacks hinweg.
Wer bis hierher gelesen hat, ist über die erste Spoilerwarnung bereits hinweg. In diesem Abschnitt werde ich noch weiter darauf eingehen und auch ein kleines bisschen ins Ende (oder besser, was danach kommt) linsen. Hier also die letzte Warnung für alle, die das nicht wissen wollen. Wie schon erwähnt dreht sich in der Leopold-Trilogie alles um Maria eine offensichtlich geistig sehr verwirrte Frau, der wirklich alle Mittel recht sind, um Leopold aufzuhalten. Warum? Keine Ahnung, das wird genauso wenig geklärt, wie ihre Taten Reaktionen hervorrufen. Hier hat der Autor meines Erachtens zu sehr auf den Ekel-Effekt in der Begleitung eines Amoklaufs – in Verbindung mit Gewalt gegen Kinder – gesetzt, als gerade das Stilmittel zu nutzen, um Spieler einen Twist zu servieren. Wäre es nicht interessanter gewesen, erst am Ende zu erfahren, was wir in den ganzen Rätseln denn tatsächlich gemacht haben, anstatt das plakativ voranzustellen? So fanden wir die Taten teilweise extrem abstoßend. Egal, ob aktiv on uns begangen oder bereits in der Vergangenheit von Maria vollbrachte. Und warum bitteschön endet die Geschichte so abrupt? Wäre es nicht sinnvoller, die Konsequenzen unseres Handelns zu zeigen, anstatt den Mantel des Schweigens darüber zu werfen?
Aber gut, das war es mit der Geschichte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich von den Rätseln der Leopold-Trilogie sehr begeistert bin, mich aber gleichzeitig die Geschichte nicht befriedigt (nein, im Gegenteil). Gut, sie passt dazu, scheinbar zusammenhangslose Aufgaben zu erklären, aber sie krankt an anderer Stelle. Das und die etwas komische, technische Umsetzung der App, mitsamt dem Fehlen der musikalischen Untermalung, sorgt dafür, dass eine richtig hohe Wertung verwehrt bleibt. Dennoch finde ich das 50-Clues Konzept sehr interessant und hoffe, dass das weiter verfolgt wird. Aber, wie für alle Escape-Spiele gilt für mich auch hier, dass man dieses am Besten zu zweit genießt.
50-Clues – Die Leopold-Trilogie von Jeppe Norsker
Eigentlich ein tolles Escape Spiel für die Hosentasche. Dabei schlagen die Verbesserungsmöglichkeiten für die Begleit-App weit weniger auf die Note, als die Schwächen der Story. Dennoch ein sehr interessantes Konzept, von dem wir gerne mehr sehen würden.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Markus Schäfer
Sehr schönes Review. Nach den ersten beiden Teilen kann ich nur zustimmen, abgesehen davon, dass wir kein Problem mit den Lösungshinweisen hatten (in Teil 1 ab und an gebraucht, in Teil 2 nicht)