SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von David Somerville, Patrick Leder
erschienen bei Leder Games
Spiele ich heute den Ritter? Die Goblins? Oder nein besser den Drachen, die Höhle will ich nicht spielen, das will doch sowieso keiner…. Mit solchen Gedanken geht man in eine Partie Vast – The Crystal Caverns. Mehr Variable Player Power war selten.
(Vast Regeln)
In jeder Partie Vast suchen sich die Spieler zuerst aus, welche Rolle sie übernehmen wollen. Es gibt den Ritter, die Goblins, den Drachen, die Höhle (ja wirklich!) und den Dieb. Dabei gibt es Kombinationen, die mehr Sinn ergeben als andere, aber eigentlich kann man kombinieren wie man will. Jede dieser Rollen hat ein eigenes Regelwerk. Konzepte unterscheiden sich dabei völlig. Bewegung, Kampf, Siegbedinungen und auch das Spielmaterial sind völlig verschieden und für jede Rolle angepasst. Die gemeinsamen Regeln decken zum Beispiel den Spielaufbau und Details für den Kollaps der Höhle ab, mehr nicht.
Zufall kommt in diesem Spiel meistens durch Nachziehen von Karten oder Tokens, dies zumeist am Anfang des Zuges. Der Zug selbst wird dadurch planbarer. Zum Beispiel kann ein Goblin Stamm die Ritterin nur angreifen, wenn seine Stärke größer ist als die der Ritterin ist. In dem Fall macht der Stamm einen Schaden, ohne Würfeln. Das größte Wagnis geht jedoch die Ritterin ein, wenn sie die Höhle weiter erforscht, denn diese liegt im Unbekannten und die Plättchen müssen umgedreht werden. Dabei gibt es die eine oder andere Überraschung.
Die Höhle gibt es jedoch immer, denn sie ist das Rahmenwerk in dem alles geschieht. Wenn es keinen Höhlenspieler gibt, wird sie von allen gesteuert.
(Martin Mohr)
Ich tat mir mit dieser Rezension schwer und war am Rumeiern, weil ich nicht wusste wie ich mich dem Spiel nähern sollte. Es rührte noch mehr an meinen Spielgewohnheiten als Root das schon tat. Ich habe schon einige Spiele gesehen, aber Vast ist dochbesonders. Es ist von den Regeln her nicht sehr kompliziert. Das Regelheft ist schlank. In der Expertenklasse ist man da deutlich mehr gewohnt. Das große Erstaunen kommt mit der Erkenntnis, dass es genau zwei Seiten Regeln gibt, die für alle gelten. Danach kommen immer 2 Seiten, für jeweils eine der 5 Rollen. Spielt man also zu zweit, reichen prinzipiell 6 Seiten des Regelwerks. Die Rollen in Vast könnten kaum unterschiedlicher sein.
Damit ihr ein Gefühl dafür bekommt hier ein paar Beispiele:
Der Ritter, sorry die Ritterin(!) spielt sich wie eine klassische Heldin im Rollenspiel. Sie sammelt Grit (Schneid), den sie für gelöste Questen und erfolgreiches Erforschen der Höhle bekommt. Grit kann man mit den klassischen Erfahrungspunkten aus Rollenspielen vergleichen. Je mehr sie davon Ritterin hat, umso mehr Würfel stehen ihr für Aktionen zur Verfügung, damit wird sie immer mächtiger. Wenn der Drache mitspielt, gewinnt sie, wenn sie ihn tötet, ohne Drachen gewinnt sie mit 5 zerstörten Kristallen. Ich würde mal sagen, dass sich diese Rolle am normalsten spielt und damit für einen Einsteiger gut geeignet ist.
Die Goblins sind die Chaoten in dem Reigen. Sie wollen die Ritterin töten, machen das aber auf sehr eigenwillige Art. Man spielt insgesamt 3 verschiedene Stämme, jeder Stamm hat seine Spezialitäten. Einer ist besonders kräftig, der andere hat ein Monster mehr, das er halten kann. Die Stämme wachsen mehr oder weniger ständig. Als Spieler hat man immer die Größe der Population im Auge, da sie nicht zu gross werden darf. Wenn sie die Ritterin angreifen richten sie einen Punkt Schaden anund rennen dann im wilden Chaos auseinander. Der Stamm muss erneut geformt werden, damit sie wieder angreifen können. Klingt nach Sisyphusarbeit, macht aber richtig Spass.
Die Höhle ist die dunkle, geheimnisvolle Macht im Hintergrund, die man nie direkt wahrnimmt. Sie wächst am besten so schnell wie möglich, denn nur so kann sie einstürzen und alles unter sich begraben. Wenn sie während des Einstürzens 5 Felder mit Kristallen vernichtet hat gewinnt sie. Die Höhle bekommt Omen-Tokens, wenn Schätze oder Kristalle zu Begin ihres Zuges auf dem Spielfeld sind. Mit den Tokens kann sie ihre Macht ausspielen. Die Höhle ist der Feind von allen, sie schickt Fledermäuse, um Spieler zu verschleppen, sie hat giftige Pilze, um dem anderen zu schaden oder dreht die Ausrichtung bereits liegender Plättchen und ändert damit die Höhle. Sehr gemein, vor allem für die Ritterin 🙂
Diese ganzen Unterschiede machen eine Partie Vast zu einem Ereignis, an dem 1 – 5 Menschen zusammensitzen und ein und dasselbe Spiel spielen, jedoch dabei ein völlig unterschiedliches Spielerlebnis haben. Wenn man es genau betrachtet spielen sie unterschiedliche Spiele. Jede dieser Rollen hat ihren Platz und speziellen Beitrag in diesem „Ökosystem“. David Somerville und Patrick Leder haben es geschafft die Regeln so zu entwerfen, dass sich jede Rolle so spielt wie sie sich auch anfühlen müsste, thematischer gehts kaum.
Wir hatten mit Vast immer Spass, es spielt sich spannend und ist dabei nicht übermässig kompliziert. Trotzdem aber verkopft genug, um herauszufordern. Es ist faszinierend, wie stark die Konzepte und Regeln der einzelnen Rollen miteinander verschränkt sind. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Dabei ist auch die Interaktion zwischen den Spielern unterschiedlich, vor allem auch durch die Rollenwahl. Spielen zum Beispiel Ritterin und Goblins haben wir zwei echte Feinde, die sich regelmässig verhauen. Vast ist dabei kein Kampf- oder Kriegsspiel. Es gibt immer nur einen kurzen Schlagabtausch, dann geht es weiter.
In den ersten Partien gibt es immer wieder den Überraschungseffekt, in dem eine Rolle etwas macht, mit dem man nicht gerechnet hatte. Trotzdem hat Vast genug Substanz, um ohne diese Überraschungsmomente zu strahlen. Natürlich möchte man auch mal eine andere Rolle ausprobieren, trotzdem macht es Spass den Ritter oder die Goblins zum wiederholten Male zu übernehmen. Vast lebt also defnitiv nicht nur vom Neuigkeitsfaktor. Die Varianz hat natürlich auch den ganz klaren Nachteil, Spieler müssen sich die Mühe machen, die Regeln für ihre Rolle, zumindest teilweise, selbst zu erarbeiten. Denn gerade am Anfang hatte keiner von uns die Regeln von allen Rollen im Kopf. Das bedeutet auch, dass in den ersten Partien die Downtime grösser sein kann, das wird später deutlich flüssiger. Ausserdem liesst man öfter auf dem Referenzblatt nach, weil man die anderen oft nicht fragen kann. Aus diesem Grund empfehle ich das Spiel nur in einer Runde von Vielspielern, die sich das gerne antun.
Das Spielmaterial ist von guter Qualität, die Tableaus geben ziemlich genau Auskunft, was ich wann machen muss. Für die Rezension habe ich auch noch die Miniaturen Erweiterung verwendet. Im Original sind sowohl Pappaufsteller als auch sehr einfache Holzfiguren. Die Erweiterung ist nett (Pimp my game!) aber wirklich, wirklich nicht nötig.
Wir haben die englische Version rezensiert, Vast ist aber auch auf Deutsch erhältlich.
Vast – The Crystal Caverns von David Somerville, Patrick Leder
Ein Spiel für Experten, die Lust auf Asymmetrie (variable player powers) haben. Mit einer schönen Prise Interaktion, die aber nie ins üble Hau-Drauf ausartet.
Robert:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Thomas Büttner
Ich finde Vast wirklich großartig – allerdings nur zu viert und genau zu viert!
Das Dreieck Ritterin – Drache – Goblins harmoniert wunderbar, und das ausgleichende Faktor der Höhle – die ja Alles in die Länge zögern will – ist ein tolles Konzept! In unseren Runden wurden die Goblins Anfangs eher als schwach empfunden, weil der Drache sie so gerne „snackte“. Das führte als Konsequenz natürlich zu einer starken Ritterin, die damit den Drachen besiegen und gewinnen konnte… 😉
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