Auf das abgefahrene Szenario von „Tsukuyumi“ muss man erst einmal kommen. Der Mond fällt auf die Erde. Darin lebt ein Drache, der uns nun allen ans Leder will. Zusätzlich kommen nun die wildesten Völker, um ihren Anspruch an die Erde zu fordern. Von riesen Kampfmaschinen bis zu mutierten Tieren ist dabei alles dabei. Doch kann das Spiel neben der Idee auch mit dem Inhalt punkten?
Fair Play bedeutet, das Foul so versteckt zu machen, dass der Schiedsrichter es nicht sieht.
(Dieter Hildebrand)
In Tsukuyumi erobern wir Gebiete und kämpfen gegen unsere Gegner. Behilflich dabei sind Aktions-, Kampf- und Ereigniskarten, die das Spielgeschehen maßgeblich beeinflussen. Dabei bringt jedes Volk eigene Sonderfertigkeiten und Missionen mit, um für Abwechslung zu sorgen. Das Spiel kommt bei der Jagd nach Siegpunkten komplett ohne Würfel aus. Dennoch bleibt ein gewisser, wenn auch geringerer Zufall bestehen.
In dieser Galerie zeigen wir euch eine Runde als Beispiel zum Spielablauf:
Man liebt weit mehr das Bild, das man sich macht, als den Gegenstand, auf den man es anwendet.
(Jean-Jacques Rousseau)
„Tsukuyumi“ macht es mir nicht ganz leicht. Ich liebe abstruse Szenarien, wie sie hier erschaffen wurden. Die Hintergrundwelt wurde mit viel Liebe bedacht. Da stimmt einfach jedes Detail. Auch die popkulturellen Anspielungen (ob bewusst oder nicht) gefallen mir. Da finde ich einen Lt. Dan, den ich sofort mit Forrest Gump in Verbindung bringe, oder Testuo und Kaneda, die mich an Akira denken lassen. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob das absichtlich war, aber gewirkt hat es.
Es ist dann doppelt schade, dass das Spiel zwar ok ist, jedoch viel mehr Feinschliff vonnöten gewesen wäre, um es wirklich gut zu machen. Dabei hat es genau die richtigen Ansätze. Vor allem die Völker, die sich nicht nur optisch unterscheiden, sondern jeweils eine andere Spielweise benötigen. Die sind das große Herz, das „Tsukuyumi“ einen gewissen Charme verleiht. Doch leider haben wir auch Elemente, die dem Spielgefühl eher schaden.
Die Aktionskarten zum Beispiel sind zwar in der Idee nett, hätte es aber nicht gebraucht. So haben wir nun ein Element, welches den Spielfluss ruckeln lässt, aber keinen wirklichen Mehrwert bringt. Denn auf der einen Seite kann ich durch die ganzen Veränderungen während einer Runde eh nicht bis zum Schluss abschätzen, was ich wohl brauchen werde. Auf der anderen Seite zieht das „was benötigt mein Gegner“ Element, welches in „7 Wonders“ hervorragend funktioniert, hier eben nicht. Dafür sind sich die meisten Karten zu ähnlich. Die wenigen Abweichungen, die unserem Gegner vorenthalten werden müssten, blockieren einen selbst zu sehr, so dass es einen lachenden Dritten gibt.
An den Ausspruch „diese Regel gilt für mich nicht, weil…“ hat man sich bald gewöhnt. Die unterschiedlichen Einheiten mit ihren vielen Fähigkeiten sind natürlich Fluch und Segen. Man wird sich nie alles merken können und so immer wieder ins offene Messer laufen, weil man etwas übersehen hat. Das muss man abkönnen, denn es gehört zum Spielerlebnis dazu. Genauso die Willkürlichkeit, in der sich die Partien entwickeln. Es hat wenig Strategisches, wenn einem durch riesige „Take That“ Elemente die Suppe gehörig versalzen wird. Das geht so weit, dass ein Mitspieler mal meinte, dass „Tsukuyumi“ „Munchkin“ in Komplex sei.
Jedoch muss man „Tsukuyumi“ eines lassen. Mindestens ein epischer Moment ist in jeder Partie dabei. Dennoch bietet es für die Spieldauer ein zu unrundes Erlebnis. Dieser Titel ist ein Beispiel, wo redaktionelle Arbeit unnötigen Ballast über Bord geworfen und ein rundes Spielerlebnis erschaffen hätte.
Paul meint:
Als Christian mir das erste Mal von „Tsukuyumi“ erzählte, klang das für mich sehr verheißungsvoll. Area Control, konfrontativ und stark asymmetrisch sind Zutaten, die in einigen meiner Lieblingsspiele enthalten sind. Die Neugierde war da.
Nach der ersten Partie gab es die erste Ernüchterung. Direkt überzeugen konnte mich das Spiel nicht, aber ich hatte noch Hoffnung. Die unterschiedlichen Fraktionen konnte ich noch nicht überblicken, ein echtes strategisches Spiel war deswegen in der ersten Partie also sowieso nicht möglich. Also hoffte ich auf die nächsten Male.
Leider hat das nichts gebracht. Das Spiel fühlt sich weiterhin für mich nach einem typischen „Take That“ Spiel an. Nicht nach einem strategischen. Wie kommt das?
In „Tsukuyumi“ gibt es nur wenig echte Zufallselemente. Dennoch ist es alles andere als ein planerisches Spiel. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie man seinen Mitspielern in die Suppe spucken kann und genau das fühlt sich leider manchmal recht willkürlich an. Bei vergleichbaren Spielen, die mir besser gefallen, kündigt sich eine starke Intervention durch die Mitspieler bei einem selbst über einen längeren Zeitraum an. Man kann also darauf reagieren – sich verteidigen oder falls man schon erkennt, dass das aussichtslos ist, sich neu positionieren und neue Ziele in Angriff nehmen. In „Tsukuyumi“ gibt es diese Vorankündigung häufig nicht. Hier kann man in seinem letzten Zug noch eine sehr massive Verteidigungsposition gehabt haben und hat dabei keine Infos auf einen baldigen Übergriff und bis man wieder dran ist, ist nichts mehr übrig. Dieses Gefühl der Willkürlichkeit, wird durch die Aktionskartenmechanik noch verstärkt, die teilweise starke Effekte beinhalten.
Die Aktionskartenmechanik fand ich zunächst interessant, gefällt mir letztlich aber nicht. Sie sind von der Mechanik darauf ausgerichtet, dass man seinen Zug über alle 4 Phasen vorplant. Die Aktionen der Mitspieler kann man bei der Planung aber nur in der ersten der vier Phasen mit berücksichtigten. In den späteren Phasen können dann völlig unterschiedliche Dinge passieren. Ob man dann seine Planung durchziehen kann oder es völlig anders aussieht, liegt nur an den Mitspielern. Ein starker Königsmacher ist vorprogrammiert.
Die Kombination aus sehr starkem „Take That“, kaum Zufall und einer Mechanik, die eigentlich auf Vorplanung ausgelegt ist, harmonisiert für mich nicht. Wenn asymmetrisch und „Take That“ dann bitte weniger kompliziert und gerne auch mit mehr Zufall oder Verhandlungen (ein schon lange nicht mehr gespieltes „Cosmic Encounter“ würde ich hier jederzeit vorziehen). Und wenn eine große Vorplanung in einem stark konfrontativen asymmetrischen Spiel enthalten ist, dann sollten für mich die Mitspieleraktionen weniger unvorhergesehen sein (hier würde ich beispielsweise „Verbotene Welten“ jederzeit vorziehen).
Nach den ersten Partien war ich noch wegen der hohen Asymmetrie neugierig. Mittlerweile würde ich nur noch meinen Mitspielern zuliebe weiterspielen.
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Tsukuyumi
King Racoon Games
Autor: Felix Mertikat | |
Dauer: ca. 45 Minuten je Spieler | |
Spieler: 3 – 5 | |
Schwierigkeit: Fortgeschrittene – Profis |
Anmerkungen
Tsukuyumi – King Racoon Games – 2018
- Erscheint bei King Racoon Games
- Für 3 – 5 Spielende und dauert ca. 45 Minuten / Spieler
- Am besten geeignet für Fortgeschrittene
Spielstil – Wertung
Hinweis:
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