SPIELSTIL Rezension

Tsukuyumi – King Racoon Games – 2018

Lesezeit: 5 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Felix Mertikat
erschienen bei King Racoon Games

Auf das abgefahrene Szenario von „Tsukuyumi“ muss man erst einmal kommen. Der Mond fällt auf die Erde. Darin lebt ein Drache, der uns nun allen ans Leder will. Zusätzlich kommen nun die wildesten Völker, um ihren Anspruch an die Erde zu fordern. Von riesen Kampfmaschinen bis zu mutierten Tieren ist dabei alles dabei. Doch kann das Spiel neben der Idee auch mit dem Inhalt punkten?

 


Fair Play bedeutet, das Foul so versteckt zu machen, dass der Schiedsrichter es nicht sieht.

(Dieter Hildebrand)

In Tsukuyumi erobern wir Gebiete und kämpfen gegen unsere Gegner. Behilflich dabei sind Aktions-, Kampf- und Ereigniskarten, die das Spielgeschehen maßgeblich beeinflussen. Dabei bringt jedes Volk eigene Sonderfertigkeiten und Missionen mit, um für Abwechslung zu sorgen. Das Spiel kommt bei der Jagd nach Siegpunkten komplett ohne Würfel aus. Dennoch bleibt ein gewisser, wenn auch geringerer Zufall bestehen.

In dieser Galerie zeigen wir euch eine Runde als Beispiel zum Spielablauf:

Wir spielen eine Partie "Tsukuyumi" zu dritt.
Beteiligt sind die Kampfgruppe 3, die Nomads und die Boardlords. Wir spielen erstere und sind laut Initiative als erster an der Reihe.
Wir platzieren unser Landemodul und markieren die ersten drei Gebiete, die uns gehören sollen.
Danach stellen wir die Start-Einheiten auf.
Die Nomads machen es gleich, müssen jedoch am Spielfeldrand starten.
Zuletzt sind die Boarlords an der Reihe. Neben Einheiten dürfen sie auch die ersten Terraformings platzieren.
Jeder Spieler erhält nun sechs Aktionskarten, von denen er eine auswählt. Den Rest gibt er an den Mitspieler zur Linken.
Die Runde beginnt mit der weißen Phase. Hier darf jeder Spieler insgesamt zwei Standardaktionen ausführen.
Wir beginnen erst einmal mit der Produktion. Hierfür steht uns ein Punkt zur Verfügung, welchen wir in einen Erzengel investieren.
Diesen platzieren wir angrenzend an unsere Basis.
Als zweite Aktion wählen wir einen Angriff gegen die dort stehende, neutrale Einheit. Hierfür nehmen wir diese Karte.
Unser Erzengel hat 10 Angriffspunkte (Wert ganz rechts). Der Freischütz bringt dadurch, dass er angrenzend steht, 20 weitere Punkte. Diese werden mit den Lebenspunkten der gegnerischen Einheit verglichen. Wir haben die insgesamt 30 Angriff gegen 20 Leben und vernichten die Einheit.
Nun darf ein Mitspieler für die neutralen Oni einen Konter wählen. Da jedoch nur der Lebenspunktebonus vorhanden ist und Oni über keinen verfügen, passiert nichts. 
Diese Kampfkarte dürfen wir lediglich einmal je Runde verwenden und legen sie erst einmal zur Seite.
Nun sind die Nomads am Zug und wählen eine Ereigniskarte, die sie sofort ausspielen.
Mit dieser dürfen sie ein Geländefeld beliebig drehen.
Das nutzen sie sofort, um die Barriere anders auszurichten.
Als zweite Aktion wählt der Spieler eine Bewegung und verteilt seine Einheiten neu.
Der Spieler der Boardlords beginnt mit einer Produktion.
Er gibt einen Produktionspunkt aus, um einen Squeaker in einen Boarrior zu verwandeln.
Danach bewegt auch er sich. Er steht nun bei diversen gegnerischen Einheiten, jedoch wird nie automatisch ein Kampf ausgelöst.
Nun gehen wir in die blaue Phase über. Laut gewählter Aktionskarte dürfen wir hier eine Ereigniskarte ziehen und ausspielen, sowie unseren Fraktionseffekt nutzen. Leider hat die Kampfgruppe 3 keinen Fraktionseffekt, wodurch diese Aktion entfällt.
Wir nehmen uns also nur eine Ereigniskarte und spielen diese.
Um die Nomads zu ärgern platzieren wir in ihrem Gebiet ein Tsukuyumi-Symbol. Dort können nun Oni erscheinen.
Der Nomad Spieler ist an der Reihe und führt diese blauen Aktionen aus.
Zuerst wandert er in der Initiativereihenfolge nach oben.
Danach nimmt er sich diese Ereigniskarte und spielt sie aus.
Er wählt ein Schwemmland aus dem Vorrat und platziert dieses an seine Basis.
Zuletzt darf er seinen Fraktionseffekt nutzen. Er produziert alle Pistolen.
Außerdem platziert sein Staff Sergeant eine Mine.
Zuletzt führt der Boardlords Spieler seine blaue Phase durch.
Er steigt in der Initiative nach oben.
Und bewegt seine Einheiten auf das Mondfeld.
Zusätzlich dürfen seine Boarriors in der blauen Phase jeweils zwei Terraformings platzieren. Dies nutzt er, um das Mondfeld zu befestigen.
Außerdem schirmt er sich gegen den Nomad Spieler ab.
Zuletzt verstärkt er die Einheit, die im Gebirge steht.
Nun kommen wir in die grüne Phase. Der Nomad Spieler ist nun auf Rang eins der Initiativeleiste und beginnt.
Zuerst produziert er. Er wählt den Special Deal für 2 Einheiten und eine Granate.
Den letzten Punkt gibt er für eine weitere Einheit aus, die er um seine Basis herum platziert.
Außerdem darf er eine Oni Eroberung durchführen.
Er zieht den Oni in das Schwemmland von uns und erobert es.
Nun ist der Spieler der Boarlords an der Reihe. Auf die Bewegung verzichtet er, da die Einheiten bereits so stehen, wie sie sollen.
Er verwendet einen Produktionspunkt um ein Boarmaiden in einen Boarmaster umzuwandeln.
Danach lässt er einen Oni im Schwemmland der Nomads erscheinen. Da dies keine Bewegung war, darf der Nomads Spieler die Minen nicht auslösen.
Nun sind wir in der grünen Phase angelangt.
Die zwei Produktionspunkte verwenden wir um Ragnarök zu entwickeln. Wir schalten dadurch eine neue Kampfkarte frei.
Außerdem führen wir drei Oni Eroberung durch, von denen wir euch eine zeigen. Die Oni bringen genügend Eroberungspunkte (Wert ganz links) mit, um das Gebirge einzunehmen.
Wir geben dem Boarlords Spieler die zugehörige Kampfkarte.
Er wählt als Konter den Rückzug.
Nun ist die rote Phase. Die Nomads sind immer noch erster in der Initiative.
Sie versuchen diese zwei Gebiete zu erobern.
Normalerweise laufen Kämpfe nacheinander ab, wir beschleunigen das für dieses Beispiel jedoch. Der Spieler wählt die Eroberung aus, um die Gebiete einzunehmen. Der Mitspieler zu seiner linken wählt jeweils einen Konter für die Oni. Er entscheidet sich bei beiden für "Gegenschlag".
Die Oni verursachen Schaden (Wert ganz rechts). Beim linken Feld reichte dies, um eine Einheit zu vernichten. Beim rechten Feld genügen die Angriffspunkte nicht, so dass Lt. Dan stehen bleibt.
Dafür haben die Nomads eine der ausliegenden Missionen erfüllt. Sie haben zwei Tsukuyumi-Gebiete erobert.
Die Boardlords lassen ihre rote Phase verfallen, da sie die Bewegung nicht brauchen.
Nun sind wir an der Reihe. Wir dürfen uns zwei Gebiete weit bewegen und zweimal angreifen.
Wir platzieren unsere Einheiten auf und neben dem Mond.
Danach spielen wir den Atomschlag.
Wir verursachen durch unseren Angriff 165 Schadenspunkte, was ausreicht, um alle dort befindlichen Einheiten zu vernichten.
Jeder beteiligte Spieler darf nun einen Konter wählen. Die Oni wählen "Beschädigte Schutzverkleidung", die Boardlords "Gegenschlag". Danach wird die Kampfkarte weggelegt, sie muss neu gekauft werden, bevor sie wieder eingesetzt werden kann.
Der Gegenschlag der Boardlords reicht aus, um die "Marduk" Einheit der Kampfgruppe drei zu vernichten. Für uns werden zusätzlich alle gegnerischen Einheiten entfernt und der Mond ist ab jetzt radioaktiv.
Wir erhalten einen Siegpunkt, da wir drei gegnerische Einheiten vernichtet haben.
Als zweiten Angriff wählen wir Eroberung. Da kein Feind mehr vor Ort ist, wird auch kein Konter gewählt.
Der Mond gehört nun uns.
Das Ende der Runde ist erreicht. Alle Einheiten, die auf radioaktiven Feldern stehen und nicht immun sind, werden getötet. Da der Oni Spieler im Kampf als Konter die Immunität unseres Erzengels aufgehoben hat, wird auch er entfernt.
Am Rundenende erhalten wir noch einen Siegpunkt, da wir aktuell Besitzer des Mondfeldes sind. 
Nun beginnt alles von vorn. Nach vier Runden gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten. 

Man liebt weit mehr das Bild, das man sich macht, als den Gegenstand, auf den man es anwendet.

(Jean-Jacques Rousseau)

„Tsukuyumi“ macht es mir nicht ganz leicht. Ich liebe abstruse Szenarien, wie sie hier erschaffen wurden. Die Hintergrundwelt wurde mit viel Liebe bedacht. Da stimmt einfach jedes Detail. Auch die popkulturellen Anspielungen (ob bewusst oder nicht) gefallen mir. Da finde ich einen Lt. Dan, den ich sofort mit Forrest Gump in Verbindung bringe, oder Testuo und Kaneda, die mich an Akira denken lassen. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob das absichtlich war, aber gewirkt hat es.

Es ist dann doppelt schade, dass das Spiel zwar ok ist, jedoch viel mehr Feinschliff vonnöten gewesen wäre, um es wirklich gut zu machen. Dabei hat es genau die richtigen Ansätze. Vor allem die Völker, die sich nicht nur optisch unterscheiden, sondern jeweils eine andere Spielweise benötigen. Die sind das große Herz, das „Tsukuyumi“ einen gewissen Charme verleiht. Doch leider haben wir auch Elemente, die dem Spielgefühl eher schaden.

Die Aktionskarten zum Beispiel sind zwar in der Idee nett, hätte es aber nicht gebraucht. So haben wir nun ein Element, welches den Spielfluss ruckeln lässt, aber keinen wirklichen Mehrwert bringt. Denn auf der einen Seite kann ich durch die ganzen Veränderungen während einer Runde eh nicht bis zum Schluss abschätzen, was ich wohl brauchen werde. Auf der anderen Seite zieht das „was benötigt mein Gegner“ Element, welches in „7 Wonders“ hervorragend funktioniert, hier eben nicht. Dafür sind sich die meisten Karten zu ähnlich. Die wenigen Abweichungen, die unserem Gegner vorenthalten werden müssten, blockieren einen selbst zu sehr, so dass es einen lachenden Dritten gibt.

An den Ausspruch „diese Regel gilt für mich nicht, weil…“ hat man sich bald gewöhnt. Die unterschiedlichen Einheiten mit ihren vielen Fähigkeiten sind natürlich Fluch und Segen. Man wird sich nie alles merken können und so immer wieder ins offene Messer laufen, weil man etwas übersehen hat. Das muss man abkönnen, denn es gehört zum Spielerlebnis dazu. Genauso die Willkürlichkeit, in der sich die Partien entwickeln. Es hat wenig Strategisches, wenn einem durch riesige „Take That“ Elemente die Suppe gehörig versalzen wird. Das geht so weit, dass ein Mitspieler mal meinte, dass „Tsukuyumi“ „Munchkin“ in Komplex sei.

Jedoch muss man „Tsukuyumi“ eines lassen. Mindestens ein epischer Moment ist in jeder Partie dabei. Dennoch bietet es für die Spieldauer ein zu unrundes Erlebnis. Dieser Titel ist ein Beispiel, wo redaktionelle Arbeit unnötigen Ballast über Bord geworfen und ein rundes Spielerlebnis erschaffen hätte.


Paul meint:

Als Christian mir das erste Mal von „Tsukuyumi“ erzählte, klang das für mich sehr verheißungsvoll. Area Control, konfrontativ und stark asymmetrisch sind Zutaten, die in einigen meiner Lieblingsspiele enthalten sind. Die Neugierde war da.

Nach der ersten Partie gab es die erste Ernüchterung. Direkt überzeugen konnte mich das Spiel nicht, aber ich hatte noch Hoffnung. Die unterschiedlichen Fraktionen konnte ich noch nicht überblicken, ein echtes strategisches Spiel war deswegen in der ersten Partie also sowieso nicht möglich. Also hoffte ich auf die nächsten Male.

Leider hat das nichts gebracht. Das Spiel fühlt sich weiterhin für mich nach einem typischen „Take That“ Spiel an. Nicht nach einem strategischen. Wie kommt das?

In „Tsukuyumi“ gibt es nur wenig echte Zufallselemente. Dennoch ist es alles andere als ein planerisches Spiel. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie man seinen Mitspielern in die Suppe spucken kann und genau das fühlt sich leider manchmal recht willkürlich an. Bei vergleichbaren Spielen, die mir besser gefallen, kündigt sich eine starke Intervention durch die Mitspieler bei einem selbst über einen längeren Zeitraum an. Man kann also darauf reagieren – sich verteidigen oder falls man schon erkennt, dass das aussichtslos ist, sich neu positionieren und neue Ziele in Angriff nehmen. In „Tsukuyumi“ gibt es diese Vorankündigung häufig nicht. Hier kann man in seinem letzten Zug noch eine sehr massive Verteidigungsposition gehabt haben und hat dabei keine Infos auf einen baldigen Übergriff und bis man wieder dran ist, ist nichts mehr übrig. Dieses Gefühl der Willkürlichkeit, wird durch die Aktionskartenmechanik noch verstärkt, die teilweise starke Effekte beinhalten.

Die Aktionskartenmechanik fand ich zunächst interessant, gefällt mir letztlich aber nicht. Sie sind von der Mechanik darauf ausgerichtet, dass man seinen Zug über alle 4 Phasen vorplant. Die Aktionen der Mitspieler kann man bei der Planung aber nur in der ersten der vier Phasen mit berücksichtigten. In den späteren Phasen können dann völlig unterschiedliche Dinge passieren. Ob man dann seine Planung durchziehen kann oder es völlig anders aussieht, liegt nur an den Mitspielern. Ein starker Königsmacher ist vorprogrammiert.

Die Kombination aus sehr starkem „Take That“, kaum Zufall und einer Mechanik, die eigentlich auf Vorplanung ausgelegt ist, harmonisiert für mich nicht. Wenn asymmetrisch und „Take That“ dann bitte weniger kompliziert und gerne auch mit mehr Zufall oder Verhandlungen (ein schon lange nicht mehr gespieltes „Cosmic Encounter“ würde ich hier jederzeit vorziehen). Und wenn eine große Vorplanung in einem stark konfrontativen asymmetrischen Spiel enthalten ist, dann sollten für mich die Mitspieleraktionen weniger unvorhergesehen sein (hier würde ich beispielsweise „Verbotene Welten“ jederzeit vorziehen).

Nach den ersten Partien war ich noch wegen der hohen Asymmetrie neugierig. Mittlerweile würde ich nur noch meinen Mitspielern zuliebe weiterspielen.


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Tsukuyumi

King Racoon Games


Autor: Felix Mertikat
Dauer: ca. 45 Minuten je Spieler
Spieler: 3 – 5
Schwierigkeit: Fortgeschrittene – Profis

Anmerkungen

Tsukuyumi – King Racoon Games – 2018 von Felix Mertikat

Spielstil – Wertung

Christian:

5/10

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

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Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

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