SPIELSTIL Rezension

The King’s Armory

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Spiel entwickelt von John Wrot
erschienen bei Gate Keeper Games

- 26.Jun.2020

Es war purer Zufall. Ich war auf der SPIEL 2018 unterwegs. Meine Lootliste war abgearbeitet, das Budget ausgegeben. Da laufe ich einen der unzähligen Gänge in den Messehallen entlang und bleibe bei einem kleinen Stand stehen. Sofort werde ich von einem der dortigen Mitarbeiter angesprochen und er erklärt zügig und begeistert The King’s Armory. Erst später habe ich mitbekommen, dass es der Autor John Wrot höchst selbst war. Ich hatte das Spiel überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt. Den Kickstarter dezent übersehen. Man ist ja auch nur ein Mensch.

Zwei Jahre dachte ich darüber nach, das Spiel zu erwerben. Schließlich hatte ich vom Tower Defence Genre kein Spiel im Schrank. Als ich dies gegenüber meiner Familie beklagte, zeigte man wortlos auf Castle Panic aus meinem Spiele-Schrank. Der geneigte Leser weiß, es geht um die Nuancen!

Nun habe ich also dieses Jahr die Chance ergriffen und mir das Spiel zum Geburtstag geschenkt. Seit dem hatte ich einige Gelegenheit, es zu spielen und ausgiebig zu testen. Also werfe ich einen Blick auf John Wrots The King’s Armory.

„Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden; außerhalb geschlossener Ortschaften muss am linken Fahrbahnrand gegangen werden, wenn das zumutbar ist. Bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, muss einzeln hintereinander gegangen werden.“

(Strassenverkehrsordnung §25 Abs. 1)

Bei The King’s Armory handelt es sich um ein kooperatives Tower-Defence-Spiel. Bei dem Genre bewegen sich Angreifer in mehreren Wellen auf einem festen Weg auf ein zu verteidigendes Gebäude zu. Den besagten Türmen (Towers) kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Sie helfen den Verteidigern, indem sie diese vor Schaden bewahren oder einen Reichweitenvorteil bieten.

Der Weg ist das Ziel

Die Spieler übernehmen die Rolle von königlichen Champions, die eine Burg verteidigen müssen. Sie bauen Türme, heuern weitere Spezialisten an, erwerben nützliche Ausrüstungsgegenstände und greifen aktiv in den Kampf gegen die anstürmenden Monsterhorden ein. Gelingt es ihnen, bis zur letzen Welle, einschließlich Oberboss, die Burg zu halten, haben die Spieler gewonnen.

„Only a hero can safe us…“ Chad Kroeger

Zu Beginn einer Partie legt man dessen Länge fest. Bei The King’s Armory dauert ein kurzes Spiel fünf, ein langes sieben Wellen. Die Spieler suchen sich ihre Charaktere aus. Diese gibt es in verschiedenen Rollen. Während sich zum Beispiel der Krieger den Monstern in den Weg stellt (Tank) und deren Fortkommen blockiert, schießt die Jägerin (Striker) aus der Distanz. Der Magier (Artillerie) bekämpft die Monster in der Fläche, der Priester (Support) unterstützt die anderen Spieler mit entsprechenden Fähigkeiten. Als Letztes wird der Weg von der oder den Monsterquelle(n) zum Burgtor mit quadratischen Spielteilen ausgelegt. Sie bilden eine Straße zum Tor. Nun noch einen Rahmen darum herum, die Verteidigungstürme verteilen, noch ein paar Karten mit Ausrüstung, Geld und One-Shot-Aktivitäten mischen und bereit legen… Dann kann das Spiel beginnen.

Der Ablauf einer Welle und den daraus resultierenden Runden verläuft immer gleich. Zuerst kommen die Monster an die Reihe, mit ihrer upkeep-Phase. Dann bewegen sie sich und greifen an, wenn sie können. Danach sind die Spieler und ihre Unterstützungseinheiten dran. Bewegungen werden mittels eines aufgedruckten Rasters erledigt, Kämpfe basieren auf einem D20-System. Ein 20-seitiger Würfel wird gewürfelt, es werden Boni und Mali addiert/subtrahiert. Erreicht man den Mindestzielwert, tritt der geplante/gewünschte/dringend erhoffte Effekt ein.

Der Ärger mit den Nachbarn nimmt zu.

Zwischen den Wellen erfolgt eine ‚Wirtschaftsphase‘. Wir erhalten Geld, dass wir für magische Gegenstände, Türme, Unterstützungseinheiten und One-Shot Effekte ausgeben können. Es sollte gut angelegt sein. In jeder weiteren Welle kommen mehr und stärkere Monster, die auf unsere Burg zustürmen werden. Und spätestens in der letzten Welle sollte die Verteidigung stehen, da dann die Monsterschar noch durch einen Obermotz verstärkt wird.

Engegner, warum nicht mal ein Rolling Stone?

„Es ist im Kriege alles sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig.“

(Carl von Clausewitz)



Thorsten meint:

The King’s Armory gefällt mir sehr gut. Ich spiele es wirklich gerne. Jedoch empfehlen, kann ich es nur schweren Herzens. Ich fange mal mit den positiven Seiten an.

Grundsätzlich ist das Spiel sehr sandboxy. Man hat viele Möglichkeiten, es an seine Bedürfnisse anzupassen. Das beginnt beim Spielplan und endet bei den Regeln. Die Regeln sind eingängig und bilden das Genre wirklich gut ab. Sie sind leicht zu erlernen und an jede Spielergruppe flexibel anpassbar. Man kann The King’s Armory sowohl mit der Familie, als auch mit Kennern spielen. Ich merke dabei, dass sich der Autor Mühe gegeben hat, mit möglichst wenig Material auszukommen. Alle relevanten Informationen sind auf den Charakterbögen oder den Monster-Tokens aufgedruckt. Normalerweise liefern solche Spiele einen Haufen Miniaturen und passendes Begleitkartenmaterial für deren Werte, Fähigkeiten etc. mit. Also brauche ich Platz auf dem Tisch und muss mir das Material erst mal zusammensuchen. Das alles entfällt hier.

Die zur Auswahl stehenden acht Charaktere ergänzen sich überraschend gut. Einer allein kann das Spiel nicht gewinnen. Die Monster sind so designt, dass sie Schwächen einzelner Charaktere gnadenlos ausnutzen. Der Krieger kann zwar ziemlich Schaden austeilen und viel einstecken. Er kann aber keine fliegenden Einheiten aufhalten oder angreifen. Also muss wenigsten ein Fernkämpfer oder Magier her. Damit schafft es das Spiel, dass jeder Spieler etwas zu tun hat. Das im Koop-Genre existierende Alpha-Spieler-Problem wird es auch bei The King’s Armory geben. Aber jeder Spieler leistet mit seinen Einheiten einen Beitrag zum möglichen Sieg. Damit kompensiert es dies gut.

Der allgemeine Spielfluss geht gut von der Hand. Die Upkeep-Phase der Monster kann sich bei größeren Wellen etwas ziehen. Mit ein wenig Übung geht es aber gut von der Hand. Überhaupt ist das Spiel-Set-up einfach und schnell gehalten. Man muss nicht erst umständlich Bodenteile zusammensuchen und -stecken oder Wertkarten zu Miniaturen kombinieren. Verschiedenfarbige Monster-Tokens, vier Sorten von Karten, die in einer mitgelieferten Pappbox aufbewahrt werden (Ich mag so was!), dreierlei Hitpoints-Tokens und ein paar Zustandsmarker. Mehr braucht es nicht.

Was stört mich nun daran?

Die Türme bestehen nur aus dickerem Papier. Man muss sie zusammenstecken und -falten. Aber selbst mit Kleber halten sie nur schlecht zusammen. Die Haltelaschen wirken, als ob sie nicht lange halten. Man muss sogar befürchten, dass sie abreißen und die Türme damit kaputt gehen.

Die Laschen sind zu kurz, selbst mit Kleber halten sie nicht

Mir erschließt sich nicht, warum man ein TOWER-Defence-Spiel ersinnt und dann bei der Schlüsselkomponente nur billiges anfälliges Material verwendet. Gegenbeispiel gefällig? Bei Zombicide – Rue Morgue gibt es einen Helicopter mit einem einfach zusammen zu steckenden Fuß aus dicker Pappe. Oder nehmt die Zugteile aus Colt Express. Es geht besser.

HIer der Heli aus Zombicide. Wird nur zusammengesteckt. Pappe ist dick und hält was aus.

Also sollten die Türme in zusammengebauten Zustand in die Box gelagert werden. Hier kommt die Krux. Die Box ist sehr knapp bemessen. Auf Boardgamegeek gibt es zum Glück eine Packanleitung. Warum ist die nicht im Spiel enthalten? Damit alles hinein passt, müssen die Tokens, in Tüten verpackt, in die leeren Türme gestopft werden. Davon lebt das Material aber auch nicht länger.

Nur nicht zu tief einatmen. Anleitung auf BGG

Von den Komponenten ist es nur ein kleiner Schritt zum Artwork. Ehrlich gesagt hat mich das Artwork sehr enttäuscht. Ich erwarte nicht die besten Grafiker bei einem kleinen Verlag. Aber die Darstellungen der Charaktere wirkt schon sehr, wie ein ‚Prototyp‘. Dazu sind die Spielpläne absolut trist. Entweder sieht man den Weg mit Grünstreifen oder nur grün. Warum keine Dörfer oder ein See oder irgendetwas anderes, was ein wenig Fantasy-Setting vermittelt. Ich bin kein großer Andor-Fan. Aber das Artwork ist klasse. Ja, für mich isst das Auge mit.

Es gäbe noch ein paar weitere Punkte, die mich stören. Dazu gehören die schlecht lesbaren D20 oder die vom Informationsgehalt nur bedingt nützlichen Spielhilfen. Auch vermisse ich ein optionales Event oder „Umwelt-Deck“, was dem Spiel ein wenig mehr Abwechslung beschert hätte.

Komme ich nun zu meinem Fazit.

Dieses Spiel hat ziemliches Potenzial. Das ist mein voller Ernst. Ich ziehe es sofort einem over engineertem component porn wie Cloudspire vor. Wenn ich es auf die angebotenen Sandbox-Regeln herunterbreche, ist The King’s Armory ein tolles und spannendes Koop-Spiel. Aber ich wünsche mir, dass ein professioneller Verlag sich diesem Spiel annehmen würde. Überarbeitet die Komponenten! Macht das Hauptaugenmerk des Spiels, nämlich die Türme, aus gescheitem Material. Dimensioniert alles so, dass es leicht in die Box hineinpasst! Erstellt nützliche Spielerhilfen und überprüft alle Komponenten auf ihre Lesbarkeit! Ansonsten fällt es mir echt schwer, das Spiel bei dem Preis zu empfehlen.

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.

The King’s Armory von John Wrot

Regeltechnisch tolles kooperatives Tower Defence Spiel mit schadensanfälligen Komponten und tristem Artwork

Spielstil – Wertung

Thorsten:

5/10
Das gefiel uns
  • Flexible Regeln je nach Spieler
  • Gut abgestimmte Charaktere
Das nicht so
  • Material der Türme
  • Material paßt nur schwerlich in die Box.
  • Lesbarkeit von Würfeln und Inhalt von Spielhilfen

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar selbst gekauft.

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Thorsten Klauder

Brett-, Rollen- und Table Top-Spieler - zu wenig Platz für Spiele, zu groß das Shelf of Shame So erreicht ihr ihn: Thorsten@Spielstil.net

So erreicht ihr Thorsten:

2 Comments
  1. Bin deiner Meinung. Als nettes Tower Defense Spiel haben wir uns Goblivion zugelegt. Ein Deckbuilder der kooperativ funktioniert. Und wie es sich gehört, nicht leicht zu gewinnen ist.

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      Da würde mir tatsächlich rein von der Haptik die Straße fehlen.

      Reply

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