Cover des Spiels Hallertau

SPIELSTIL Rezension

Hallertau

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Uwe Rosenberg
erschienen bei Lookout Games

- 23.Dez.2020

Als Kind war der Besuch meiner Oma mit einer dreieinhalbstündigen Autofahrt verbunden. Selbst als ich noch nicht lesen konnte, wusste ich ziemlich genau, wann wir die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten. Denn dann kamen wir an den weitläufigen Hopfengärten der Hallertau vorbei. Selbst ohne die üppigen Hopfenpflanzen waren die Rankhilfen ein Blickfang. Noch interessanter waren natürlich die Fahrten in den Sommerferien. Da konnte man mit ein wenig Glück den Hopfenbauern bei der Ernte zusehen. Mit dieser nostalgischen Sicht auf die Hallertau war klar, dass ich mir das neueste Spiel von Uwe Rosenberg unbedingt ansehen muss.

Hopfen und Malz – Gott erhalt´s

(traditioneller Brauerspruch)

Hallertau ist ein komplexes Experten-Strategiespiel, das sich um die Landwirtschaft zur Zeit der frühen Industrialisierung in Bayern dreht. Neben dem für die Hallertau typischen Hopfen geht es auch um allerlei andere Feldfrüchte wie Roggen und Flachs. Aber auch Schafe – typisch Rosenberg – und ihre Erzeugnisse dürfen nicht fehlen. Neben der Feld- und Stallarbeit erweitern wir auch die Fähigkeiten unserer Handwerker und werten damit die Dorfgemeinschaft auf. Dadurch schalten wir auf unserem Tableau weitere Arbeiter und später auch Siegpunkte frei.

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Im Kern dreht sich aber alles um einen Worker-Placement-Mechanismus. Man setzt auf den Einsatzfeldern also seine Arbeiter ein, um damit bestimmte Aktionen auszulösen. Der Clou daran ist, dass die jeweiligen Einsatzfelder pro Runde zwar bis zu 3x benutzt werden können, aber auch bei jeder Aktivierung mehr Arbeiter verlangen. Das gemischt mit der ebenfalls vom Autor schon mehrfach genutzten Idee von „Decks“ für verschiedene Kartenarten im Spiel und dem Ressourcenmanagement ergibt am Ende einen Sieger nach Punkten. Euro-typisch ist natürlich kein K. O. möglich, die Spieler merken schlechtes Spiel also am Score am Ende des Spiels und werden nicht ausgeschlossen.

Der Hopfen will jeden Tag seinen Herrn sehen.

(Hallertauer Sprichwort)



Daniel meint:

Mir kommt es bei Eurogames ja nicht so sehr auf das Thema, sondern vielmehr auf die Mechanismen an. Warum aber gerade bei der Hallertau ausgerechnet Hopfen die unwichtigste Ressource für den Dorfausbau und nicht einmal Startressource ist, kann ich nun wirklich nicht verstehen. Leider überzeugen mich aber auch die Mechanismen nicht. Trotz einem recht großen Punktesalat am Ende gibt es im Endeffekt nur zwei Siegpunktgeneratoren: Siegpunktkarten in zwei Varianten und den Dorfausbau. Dabei ist der Dorfausbau quasi die sichere Bank und bei den Karten ist man mehr oder weniger auf Glück angewiesen.

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Dazu kommt, dass die möglichen Aktionen fast ausnahmslos mehrfach vorhanden sind, meistens sogar viermal. Das wird dadurch bei weniger als vier Spielern ausgeglichen, dass die Einsetzfelder in Viertel aufgeteilt sind und pro Spieler nur jeweils ein Viertel von der obersten Arbeiterreihe befreit wird. Was sich nach einem guten Balancing anhört, führt aber zu einer Beliebigkeit der Aktionen. In der Regel ist es deutlich besser, einfach irgendeine Aktion zu nutzen, wenn sie nur einen Arbeiter kostet, statt eine bestimmte für zwei oder drei. Dazu vielleicht ein kleines Beispiel: Brauche ich gerade Lehm, so gibt es dazu vier Einsetzfelder. Selbst in Vollbesetzung ist es also nicht möglich, dass mich die Mitspieler vom Lehm abschneiden können. Ob ich nun vier Lehm bekomme oder zwei Lehm und einen 2er Acker oder drei Lehm ist für den Verlauf des Spiels quasi ohne Bedeutung und dieser minimale Unterschied wiegt auf keinen Fall einen weiteren auszugebenden Arbeiter auf.

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In meinen letzten Partien habe ich also einfach nur die Aktionen mit den wenigsten benötigten Arbeitern genutzt und auf Kartenglück gehofft. Damit habe ich Hallertau zwar nur öde heruntergespielt, das hat aber zu den besten Punktwerten geführt. Und selbst mit Kartenpech war das Ergebnis noch mindestens gut.

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Wenn man nun aber nach drei Partien das Gefühl hat, das Spiel komplett durchdrungen zu haben, ist das für mich kein gutes Zeugnis für ein Expertenspiel. Wenn die folgenden Partien den Eindruck auch noch bestätigen und die Ergebnisse teilweise im Bereich „außerordentlich“ (laut Regel) liegen, dann mag ich schon fast von einem Designfehler sprechen.

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Dazu kommt das kleinteilige Handling der Ressourcen, die quasi dauernd rauf und runter geschoben werden. Wobei das schon wieder eher positiv ist, denn die wirklich wertigen Holzmarker in passenden Formen nimmt man gerne in die Hand. Insgesamt ist das Material auf höchstem Standard und Hallertau opulent ausgestattet. Leider nützt es mir nur wenig, wenn für die Einstiegs- und Hofkarten jeweils vier unterschiedliche Decks beiliegen, sich diese trotzdem vom Spielgefühl gleichen.

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Dabei macht Hallertau am Anfang doch so viel richtig, um Kennerspieler an die ganz komplexen Euro-Kracher heranzuführen. Tolles Material mit hohem Aufforderungscharakter, eine für das Level gut verständliche Spielregel und das garniert mit über den Spielverlauf stetig ausgeschütteten Belohnungen an alle Spieler.

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Trotzdem bleibt für mich am Ende eine Enttäuschung. Thema und Mechaniken sind belanglos, leicht durchschau- und austauschbar. Ich muss Hallertau das Prädikat geben, das man sonst eigentlich nur im Kickstarter-Bereich häufiger hört: Materialblender.

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.

Hallertau von Uwe Rosenberg

Cover des Spiels Hallertau

Komplexes Strategiespiel ohne Seele und Alleinstellungsmerkmal.

  • Erscheint bei Lookout Games
  • Für 1 – 4 Spielende und dauert 50 – 140 Minuten
  • Am besten geeignet für Experten

Spielstil – Wertung

Daniel:

4/10
Das gefiel uns
  • Tolles Material.
  • Gut verständliche Regel.
Das nicht so
  • Hoher Preis.
  • Kleinteiliges Handling.
  • Belanglose Aktionen.
  • Kartenglück.
  • Kaum unterschiedliche Strategien möglich.
  • Keine Interaktion.
Hier bekommt ihr „Hallertau“

Milan-Spiele

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

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Daniel Kießling

So erreicht ihr Daniel:

1 Comment
  1. Ich kann Eurer Rezension nur beipflichten. Leider. Sehnsüchtig erwartet, war ich doch heute nach dem ersten Spiel etwas enttäuscht. Wunderschönes Spielmaterial, eingängige Spielmechanik, aber letztendlich leider nur trockenes Ressourcenmanagement, in dem sich das Thema nicht wiederfindet. Schade, hatte mir mehr erhofft.

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