SPIELSTIL Rezension

Escape Plan – Eagle-Gryphon Games – 2019

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Vital Lacerda
erschienen bei Eagle-Gryphon Games, Skellig Games

Was tun, wenn man in der Stadt, in der man lebt, plötzlich erhöhte Polizeipräsenz ausmacht? Unsereiner würde sich natürlich wundern, aber erst mal nichts weiter unternehmen. Nicht so unsere Alter-Egos in „Escape Plan“. Denn diese haben vor einiger Zeit einen erfolgreichen Bankraub durchgeführt und entsprechend ein schlechtes Gewissen. Also, schnappen wir uns unsere sieben Sachen und den Zaster. Wobei sich letzteres als größeres Problem darstellt. Denn das Geld ist investiert. Da unsere Geschäftspartner keine Überweisungen machen (warum eigentlich nicht?) und Cryptowährungen auch keine Lösung darstellen, müssen wir persönlich vorstellig werden.

Die folgende Rezension wurde mit einer Leihgabe von Skellig Games erstellt, welche wir intensiv bespielen durften.


Und wenn ihr das Ding durchziehen wollt, dann braucht ihr eine Crew die genauso krank ist wie ihr! An wen habt ihr so gedacht?

(Ocean’s Eleve)

In „Escape Plan“ bauen wir Stück für Stück eine Stadt auf. Dort finden wir Orte, die wir besuchen müssen, um unser Geld zu sichern, bevor wir aus der Stadt fliehen können. Dabei nutzen wir diverse Tricks, um der Polizei durchs Netz zu schlüpfen. Am dritten Tag ist es soweit. Wir hauen mit vollgestopften Taschen ab. Aber vergesst das nötige Kleingeld nicht, um die Wachen am Ausgang zu bestechen.

Wer am Spielende entkommen konnte und das meiste Geld sein Eigen nennt, gewinnt das Spiel.

In dieser Galerie findet ihr ein paar Beispiele für den Spielablauf:

Selbst im Spiel zu dritt braucht Escape Plan einen Haufen Platz.
Zu Rundenbeginn werden zwei Polizeikarten aufgedeckt und auf die bezifferten Ausgänge gelegt. Liegen zu irgendeinem Zeitpunkt zwei Karten auf einem Ausgang, ist dieser verschlossen.
Dies ist die aktuelle Spielerreihenfolge. Wir sind gelb und somit Startspieler.
Wir dürfen zuerst aus den zur Verfügung stehenden Stadtteilen wählen.
Dabei sollten wir im Blick behalten, wo unser Geld versteckt ist.
Wir nehmen ein Planteil und bauen es an. Es muss zwei bereits ausliegende Stadtteile berühren und eine der Farbflächen muss weitergeführt werden.
Da auf unserem Planteil ein Safehouse war, dürfen wir eines platzieren. Wir wählen Safeouse 2, wo laut unserer Karte 90 Geldeinheiten auf uns warten.
So bauen wir reihum alle Planteile an.
Danach wird die Spielerreihenfolge angepasst. Ausschlaggebend ist die Bekanntheit der Spieler.
Rosa beginnt und zieht zwei Schritte zur nächsten Motorradgang.
Diese heuert er für fünf Geldeinheiten an.
Lila benötigt drei Schritte (vom Hospital auf schwarz, danach auf grün und zuletzt auf den Laden), um zum Einkaufen zu gelangen. Das entspricht der maximalen Bewegungsweite. Eigentlich hätte er auch nur über die grüne Fläche zum Laden gehen können, hätte dabei aber einem Polizisten ausweichen müssen, was er verhindern will.
Zuerst bekommt er ein Benzin geschenkt.
Danach darf er aus der Auslage einkaufen.
Er entscheidet sich dafür diese Gegenstände zu kaufen. Sie helfen unerkannt an Polizisten vorbei zu kommen.
Wir laufen über die Grünfläche in das Safehouse 2. Dem Polizisten müssen wir nicht ausweichen, da er auf unserem Zielfeld steht. Man muss lediglich den Polizisten entkommen, die sich auf dem Startfeld oder Feldern befinden, die wir durchqueren.
Wir werfen nochmals einen Blick auf unsere Karte.
Danach markieren wir, dass wir am Ende des Spiels Geld aus dem Safehouse erhalten.
Außerdem dürfen wir uns einen der ausliegenden Schlüssel nehmen.
Zusätzlich kaufen wir uns ein "Fixer"-Plättchen.
Dieses verwenden wir sofort.
Dafür erhalten wir einen Kontakt aus der Auslage.
Wir bezahlen zwei Geldeinheiten und erhalten einen Würfel für steigende Bekanntheit, weil wir diesen Kontakt sofort verwenden.
Für die Karte erhalten wir einen weiteren Kontakt, den wir in unsere Auslage legen. Auch diesen verwenden wir sofort. Wir bezahlen zwei weitere Geldeinheiten, um einmal Einnahmen zu kassieren.
Ein Blick auf unser Tableau verrät uns, dass es sich hierbei um acht Geldeinheiten handelt.
Der aktuelle Zug ist vorbei, der Marker geht voran und zeigt an, dass wir unseren Bekanntheitsgrad auswerten müssen.
Wir hatten einen Würfel im Plus-Bereich und ziehen dementsprechend auf der Leiste nach oben.
Nun ist wieder rosa an der Reihe. Er geht zwei Schritte in das nächste Geschäft. Auch er muss der Polizei nicht ausweichen, da sie sich auf seinem Start-Plättchen befinden.
Wir sehen, dass er den Plattenladen in den Einnahmen markiert. Wir wissen nun, dass er über die beiden anderen Geschäfte dieser Farbe Geld fürs Spielende ergattern kann.
Zusätzlich darf sich der Spieler einen Kontakt aus der Auslage nehmen.
Lila bewegt sich wieder drei Schritte. Das Wasser darf er dabei passieren, da dort ein Fährbetrieb vorhanden ist.
Er markiert das Fitness-Studio als sofortige Einnahmequelle und nimmt sich neben dem Geld einen Kontakt.
Als wir an der Reihe sind, rasten wir. Dabei dürfen wir alle Kontakte wieder auf die verwendbare Seite drehen. Zusätzlich nehmen wir uns ein Vorzugs-Plättchen vom Tableau und legen es auf das zugehörige Feld. Wir haben dadurch nicht nur ein weiteres Kontakt-Feld, sondern auch eine Handlungsmöglichkeit freigeschaltet.
Nachdem wir wieder geprüft haben, ob sich die Bekanntheit ändert, geht es in den Abend über.
Rosa ist am Zug. Er bewegt sich vom Plattenladen ins Hospital (weiter kommt er nicht) und muss dabei einem roten und einem blauen Polizisten ausweichen. Er gibt dafür einen Freund von der Motorrad-Gang ab und erhält dadurch keinen Schaden. Dafür erhält er im Hospital eine Bekanntheit, ohne dieses nutzen zu können.
Lila begibt sich drei Schritte bis zur U-Bahn-Station. Auf seinem Weg muss er zwei Polizisten ausweichen. Einem schwarzen und einem roten.
Von dort aus bewegt er sich zu einer beliebigen anderen Station und erhält dafür einen zusätzlichen Schritt.
Diesen nimmt er, um aus der Station auf das grüne Feld zu gehen. Einen letzten Schritt macht er, indem er das Benzin abgibt. Er landet dadurch auf Ausgang Nummer 2. Dort entscheidet er sich dafür Einnahmen und eine Kontaktkarte zu erhalten.
Nun sind wir an der Reihe. Wir gehen vom Safehouse in den Laden und müssen dabei einem roten Polizisten ausweichen.
Da wir das nicht können, nehmen wir einen Schaden.
Nun erhalten wir jedoch ein Benzin.
Außerdem kaufen wir uns eine Gas-Maske.
Danach drehen wir unser Pflaster-Plättchen um, um einen Schaden zu heilen.
Außerdem geben wir fünf Geldeinheiten aus, um das Plättchen unten rechts zu aktivieren.
Dieses drehen wir um und erhalten eine Holz-Scheibe.
Zuletzt verwenden wir unseren Schlüssel.
Hierfür dürfen wir ein grünes Schließfach öffnen. Je Kontakt nehmen wir eines und sehen sie uns geheim an.
Wir haben ein Fach mit 60 Geldeinheiten für das Spielende gefunden.
Da wir kein freies Feld in unserem Inventar hatten, werfen wir das Fixer-Teil ab und ernten dafür eine Bekanntheit.
Beim nächsten Wechsel, wird die Bekanntheit wieder angepasst. Wir überschreiten dabei eine rote Linie.
Hierfür schalten wir ein weiteres Vorzugsplättchen frei. Diesmal nehmen wir eines aus unserem Inventar, um dort für Platz zu sorgen.
Danach dürfen alle Spieler einen Polizisten auf uns zu bewegen.
Wichtig ist jedoch, dass jeweils nur ein Polizist jeder Farbe auf einem Feld stehen darf.
Nun geht es in die Nacht über. Wir entscheiden uns dazu unser Holz-Plättchen abzuwerfen, um einen weiteren Zug ausführen zu dürfen.
Wir bewegen uns als nächstes ins Fitness-Studio.
Ein Blick auf unsere Escape-Karte verrät uns, dass dort 100 Geldeinheiten für das Spielende auf uns warten.
Das markieren wir entsprechend.
So geht das Spiel über drei Runden weiter. Am letzten Tag müssen alle Spieler durch den letzten, offenen Ausgang verschwinden. Dabei zahlt der erste nichts, der zweite fünf und der letzte zehn Geldeinheiten. Wer es nicht aus der Stadt schafft, hat automatisch verloren. Nun zählt man jegliches, gesammelte Geld zusammen. Der Spieler mit dem meisten gewinnt.

Endlich wieder ein Job mit vernünftigen Kriminellen!

(Ocean’s Eleven)

Christian meint:

Vor dem Genuss der ersten Runde „Escape Plan“ werdet ihr einige Zeit für die Erklärung der Regeln verwenden. Nicht, weil das Spiel hochkomplex ist, sondern weil es viel zu beachten gibt. Und so braucht man selbst gut strukturiert 45 Minuten, um neuen Spielern die einzelnen Elemente zu vermitteln. Und auch, wenn diese zu diesem Zeitpunkt nicht glauben wollen, dass sie das alles verinnerlichen werden, ist alles halb so schlimm und mit den beiliegenden Spielübersichten und den verwendeten Symbolen sehr gut zu meistern.

Das Spiel selbst läuft recht flüssig und kommt kaum ins Stocken. Geübt braucht eine voll besetzte Partie kaum länger als 90 Minuten. Dabei hat man im schlechtesten Fall gerade sieben Aktionen, die man das Spiel über macht. Zumindest dann, wenn man unbedingt als erster aus der Stadt fliehen möchte. Durch das nötige Kleingeld und Nachtaktionen kann man das zwar erweitern, hat aber dennoch keine Zeit für sinnlose Züge.

Wobei man sich bereits eines klar machen sollte. Bei „Escape Plan“ handelt es sich um keine actionreiche Flucht, sondern mehr um eine Geschichte von Gentlemen-Gangstern, wie wir sie in „Ocean’s 11“ vorfinden. Dementsprechend tricksen wir uns ein wenig durch die Stadt und versuchen dabei unsere Wege zu optimieren. Wobei wir aber kaum Berührungspunkte mit unseren Mitspielern haben. Eigentlich ist uns die komplette Partie über relativ egal, wer was macht. Schließlich können wir keinen großen Einfluss darauf nehmen. Wir können uns keine wirklichen Steine in den Weg legen oder uns auf irgendeine Art gegenseitig ärgern. Das fehlt mir hier etwas. Mehr Interaktion hätte dem Spiel gut getan.

„Moment!“, wird der ein oder andere jetzt sagen. „Was ist damit, dass Läden schließen, wenn genügend Spieler Geld herausgezogen haben oder die Wahl, wann ich fliehe, um andere unter Druck zu setzen.“ Ja, die Elemente sind vorhanden, aber nicht so ausschlaggebend, wie man denkt. Es gibt immer Alternativpläne und Möglichkeiten, die man nutzen kann. Und wer sich nicht das passende Kleingeld zum Spielende bereitlegt, um auch die teuerste Flucht bezahlen zu können, ist selber schuld.

„Escape Plan“ ist eine gute Spielerfahrung. Aber es hätte  gerne etwas mehr Zwänge haben dürfen. Etwas mehr Steine im Weg, die man gedanklich wegräumen muss. Denn so fehlt mir ein klein wenig die große Herausforderung, die aus einem guten ein hervorragendes Spiel macht. Und nein, damit meine ich nicht, dass noch mehr kleine, fitzelige Regeln hätten implementiert werden müssen. Davon hat das Spiel bereits genug.


Robert meint:

„Escape Plan“ war eine Erfahrung in mehreren Phasen. Der Anfang war die Vorfreude auf meinen ersten Lacerda. Er hat in der Brettspielszene durchaus einen Namen, eine Neuerscheinung von ihm hat die Aura des Besonderen an sich. Der erste Eindruck durch das Spielmaterial macht es dann auch nochmals klar, das ist tatsächlich nicht alltäglich. Ich habe selten so eine gute Aufmachung gesehen, auch der graphische Stil ist sehr eigenständig. Das gefällt mir richtig gut.

Die Regelerklärung bremste mich dann mal kurz aus, ich ging währenddessen in den „Overload“ und dachte, ob das heute noch endet? Ich war bereits vorgewarnt worden, Lacerda Spiele sind immer komplex oder irre komplex. Aber wenn das sein bisher einfachstes sein soll, dann weiß ich nicht ob ich die anderen kennen lernen möchte. Nach den ersten ein, zwei Runden kam die Überraschung, Das Regelknäuel entknotete sich wunderbar nach kürzester Zeit. Es spielte sich einfach organisch und natürlich. Ich wusste schnell was ich tun kann, was ich tun will oder muss. Sicher es gab ein paar Details die nachgefragt oder nachgeschlagen wurden, aber das war völlig zu vernachlässigen. Die Spielzüge gehen flott, die Downtime ist angenehm kurz.

Um zu gewinnen muss ich am Ende das meiste Geld haben und rechtzeitig mit meiner Beute aus der Stadt entkommen. Geld erhält man größtenteils über Investments, die man abgrasen muss. Es gibt noch ein paar Möglichkeiten weitere Boni zu bekommen aber der größte Batzen kommt daher. „Wo gehe ich hin?“ ist also die wichtigste Entscheidung, die man trifft, wenn man am Zug ist. Die Optionen sind breit gefächert. Gehe ich zu einem meiner Etablissements um „Siegpunkte“ zu holen und das bevor zu viele meiner Mitspieler dort waren – denn sonst wird es geschlossen? Oder nehme ich Einkommen, mit dem ich mir Ausrüstung hole, die mir Schutz gegen die Polizei gibt? Oder gleich eine Bikergang? Man braucht schon einen „Escape Plan“ um das Geld in den verbleibenden drei Tagen zusammenzutragen.

„Escape Plan“ ist wirklich unterhaltend ich würde jederzeit eine Runde mitspielen. Die Mechanik macht Spaß, alles ist schön ins Thema eingebaut, gut verzahnt und stimmig. Das Gefühl einer Flucht oder des Zeitdrucks hatte ich jedoch nie. Es ist eher ein Ausrechnen was kann ich noch machen bevor ich zum Ausgang gehen muss und reicht mein Geld dafür?

Die letzte Phase war eine gewisse Ernüchterung. Hatte ich zu viel erwartet? Die Umsetzung der Spielidee ist schön und elegant aber doch nicht so besonders, dass es mich umgehauen hat. Die Frage, die man sich also stellen muss, möchte ich so viel Geld für ein Spiel ausgeben, das nur gut ist, toll aussieht aber nichts wirklich neu macht.

 

Escape Plan

Eagle-Gryphon Games


Autor: Vital Lacerda
Dauer: ca. 60 – 90 Minuten
Spieler: 1 – 4
Schwierigkeit: Experten

Escape Plan – Eagle-Gryphon Games – 2019 von Vital Lacerda

Spielstil – Wertung

Christian:

7/10

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexpemplar als zeitlich begrenzte Leihgabe ohne Auflagen vom Verlag bekommen.

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Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

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