SPIELSTIL Artikel

Interview: Spiele Schmiede mit Frank Noack und Sven Göhlich

Lesezeit: 10 Minuten

Heute stehen uns Frank Noack und Sven Göhlich von der Spiele Schmiede Rede und Antwort. Sie plaudern ein wenig darüber, wie ihre Arbeit aussieht und betrachten die Vergangenheit.


 

Wie entstand denn überhaupt die Idee für die Spiele-Schmiede?

Frank: Vor etwas über 6 Jahren habe ich das erste Mal von Crowdfunding gehört und das Konzept hat mich fasziniert, weil es hervorragend zur Spieleszene passt. Damals war Indigogo der Platzhirsch aber eben vor allem im Bereich Kulturförderung. Ich dachte, dass sich dieses Konzept doch sehr gut für Spiele adaptieren lassen müsste und begann mit der Arbeit

 

Was für Hürden gab es auf dem Weg von der ersten Idee zum ersten Projekt?

Frank: Die größte Hürde war es, am Anfang einen geeigneten Partner zu finden und diesen dann davon zu überzeugen, mit uns ein Crowdfunding Projekt umzusetzen. Es hat etwa ein Jahr gedauert, bis wir mit Eggertspiele unseren ersten Projektpartner hatten. Dieses erste Projekt hat auch sehr sehr viel Arbeit gemacht. Alle Arbeitsschritte waren neu für uns, alles musste neu entwickelt werden, jeder einzelne Prozessschritt und in viele Probleme stellten sich ein, an die man vorher gar nicht denkt. Von der IT über den Kundenservice bis hin zur Logistik musste alles sich auf die Schmiede mit einstellen. Wir haben damals zum ersten Mal so ein komplexes Projektgeschäft gemacht. Versandhandel, womit wir uns bis dahin ausschließlich auskannten, ist dagegen etwas ganz anders. Während da alles prozessgetrieben und größtenteils planbar ist, sind Spieleschmiedeprojekte von der Projektpartnerseite her nicht selten total chaotisch und erfordern sehr oft schnelle Anpassungen, Reaktionen und Improvisationsvermögen.

 

Wie muss man sich eigentlich die Auswahl für die Schmiede vorstellen? Geht ihr direkt auf Verlage zu oder kommen die Anfragen eher zu euch?

Sven: Da gibt es verschiedene Herangehensweisen. Zum einen werden wir auf Messen im In- und Ausland fündig und sprechen dort mit unzähligen Verlagen. Dann gibt es aber auch noch zahlreiche Hinweise unserer Netzwerker, die sich in den Foren regelmäßig über interessante Projekte austauschen, die wir uns dann auch anschauen und die Verlage kontaktieren, ob Interesse besteht. Mit Verlagen, mit denen wir bereits zusammen gearbeitet haben, stehen wir natürlich auch regelmäßig im Austausch bezüglich deren neuen Projekten.

 

 

Gibt es Momente, in denen ihr sagt: „Das Projekt ist interessant, es besteht jedoch Verbesserungsbedarf.“
Sei es am Material, der Optik, den Regeln oder etwas anderem? Betreut ihr ein Spiel dann auch ein wenig Redaktionell?

Sven: Ja, solche Momente gibt es. In solchen Fällen können wir den Verlag auf Verbesserungen aufmerksam machen, für eine redaktionelle Betreuung sind wir aber nicht aufgestellt in der Spieleschmiede.

 

Nicht jedes Projekt ist interessant, wie trennt ihr die Spreu vom Weizen?

Sven: Da spielen Bauchgefühl und das seriöse Auftreten der Verlage eine Rolle. Letztendlich muss es für beide Seiten passen, damit es zu einer Zusammenarbeit kommt.

Frank: Besonders wichtig ist uns, dass die Projektkalkulation Hand und Fuß hat, damit es hinterher keine bösen Überraschungen gibt.

 

Gab es auch schon mal eine Fehleinschätzung? Also ein Projekt, von dem ihr euch nichts versprochen hattet, welches aber dann auf anderem Weg immens erfolgreich wurde? Oder ein Projekt, von dem ihr überzeugt wart, das aber einfach nicht zünden wollte?

Sven: Die gibt es ständig ? Fast jedes Projekt überrascht uns auf die eine oder andere Weise und wir lernen immer wieder dazu und versuchen uns zu verbessern.

Frank: In letzter Zeit zum Beispiel hat „Dark is the Night“ unsere Erwartungen deutlich übertroffen, während wir bei „Seeders“ mit wesentlich mehr Unterstützern gerechnet hätten.

 

 

Mit welchen Problemen wird man als Crowdfunder konfrontiert? Wie geht ihr damit um?

Sven: Das geht bei der Akquise los und hört beim Ersatzteilservice auf. Dazwischen liegen unzählige mögliche Stolpersteine, die es aus dem Weg zu räumen gilt. Hier jetzt alle Probleme aufzuzählen, würde den Rahmen sicherlich sprengen ?

Frank: Exemplarisch, weil es leider recht häufig vorkommt, ist, dass wir bei den meisten Projekten nicht aktiv von Verlagen mit Informationen versorgt werden. Die Schmiede möchten aber sehr genau informiert werden. Wir haken daher regelmäßig nach, um zumindest ein Grundmaß an Nachrichten zu erhalten. Täglich taufrische News sind so leider nicht möglich, aber für mehr reicht unsere Zeit leider nicht.

 

Was war bisher euer Lieblingsprojekt und warum?

Sven: Knifflige Frage, ich mag alle unsere Projekte, aus den gerade beschriebenen Punkten. Highlights waren aber sicherlich Viral, das ich schon im frühen Prototypenstadium testen durfte, „The Foreign King“, weil es mein erstes Projekt hier war und „Half-Pint Heroes“, weil unsere Unterstützer dort ein regelrechtes Forenspiel aus den Kommentaren gemacht haben.

Frank: Mein persönliches Lieblingsprojekt war „Sankt Petersburg“. Nicht, weil es bisher unser erfolgreichstes war, sondern weil ich nach langer und akribischer Vorarbeit mit Hans im Glück da einen Partner gefunden hatte, der bereit war, vollkommen auf unsere Expertise zu vertrauen und voll bei allen Projektideen mitgegangen ist. Auch bei den sehr aufwändigen. So konnten wir ein Traumprojekt umsetzen, das weltweit für Aufsehen gesorgt hat. Bei unseren aktuellen Corax Games Projekten ist das auch so. Hier haben wir volle Kontrolle und müssen kaum Kompromisse machen. Dementsprechend viel Spaß machen sie auch und den Erfolg kann man direkt sehen: Fast alle haben überdurchschnittlich viele Unterstützer.

 

 

Von welchem Projekt hättet ihr im Nachgang betrachtet besser die Finger gelassen?

Sven: Am ehesten von denen, die fehlgeschlagen sind, wie beispielsweise „Tavern’s Tales“, eine Negativüberraschung. Aber auch aus diesen Projekten lernt man und manche davon fördern auch die Zusammengehörigkeit der Unterstützer. Hier ist „Flag Dash“ als Beispiel zu nennen, das eigentlich fehlgeschlagen war, mit einer Fan-Übersetzung dann aber dennoch zur Auslieferung gebracht wurde.“

 

Aktuell befinden sich 6 Projekte in der Förderphase, andere, abgeschlossene Projekte bedürfen immer noch eurer Aufmerksamkeit, da wird einem nicht langweilig. Wie bringt ihr die ganze Arbeit unter einen Hut, ohne, dass die Qualität leidet?

Sven: Wir wollen jedes unserer Projekte bestmöglich betreuen und zum bestmöglichen Ergebnis bringen. Ein gutes Zeitmanagement ist da die Grundlage, ebenso wie die Priorisierung von Aufgaben.

Frank: Der Spieleschmiedeprozess ist inzwischen sehr detailliert ausgearbeitet und wir sichern uns zum Beispiel durch ausführliche Checklisten und regelmäßige Termine für einzelne Projekte ab, dass da nichts auf der Strecke bleibt.

 

Wenn ich mir eure Ankündigungsliste ansehe, da sind ja einige Kracher in Vorbereitung. Aber ein Status macht mich doch stutzig. Ist es gut Projekte, die gerade erst „in Verhandlung“ sind zu präsentieren. Schürt das nicht die Enttäuschung, falls es doch nicht klappen sollte?

Sven: Wir möchten zeigen, dass wir auch in der Akquise alle Hebel in Bewegung setzen. Gerade bei Projekten, die im Forum als schmiedetauglich vorgeschlagen wurden. Wenn ein Projekt mal nicht realisiert werden kann, ist das sicherlich schade, dafür kommen aber weitere tolle, versprochen!

Wie sieht eure Arbeit eigentlich nach einer erfolgreichen Finanzierung aus? Was sind die nächsten Schritte?

Sven: Auch das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Beim Klassiker erhalten wir die zu übersetzenden Dateien, sobald der Verlag seine Arbeiten abgeschlossen hat. Die reichen wir an unsere Übersetzerteams weiter, die allesamt erfahren sind und schon etliche Spiele übersetzt haben. Meistens sind das mindestens zwei Leute im Team, die sich gegenseitig lektorieren, wir werfen aber immer auch nochmal einen finalen Blick darauf. Dann kommt das Layout, das entweder wir oder der Verlag übernehmen und schließlich drucken wir (im Falle eines Übersetzungskits) oder der Verlag (im Fall einer multilingualen oder deutschen Auflage) die deutschen Materialien. Ein paar Monate später folgt dann die Auslieferung, die wir natürlich auch übernehmen und schließlich noch die Kundenbetreuung, sollten Teile fehlen oder beschädigt sein. Es gibt also jede Menge zu tun.

 

 

Gibt es Projekte, die ihr, obwohl sie erfolgreich sind, nie unterstützen würdet? Was wären die Gründe dafür?

Sven: Auf Anhieb würde mir da nichts einfallen, in unseren Besprechungen schauen wir uns alle möglichen Vorschläge an, ob sie realisierbar sind.

Frank: Ich würde eine Grenze ziehen, wenn ich moralische Bedenken bei einem Spiel hätte. Das in Amerika sehr erfolgreiche „Cards Against Humanity“ würde ich zum Beispiel nicht machen wollen. Auch wenn das Spiel Satire sein möchte, halte ich es für unverantwortlich unmoralisch und hätte es trotz der riesigen Auflagen, die davon verkauft werden, nicht gebilligt.“

 

Was sind eure Pläne für die Zukunft? Wie soll sich die Spiele-Schmiede weiter entwickeln?

Sven: In ihren jetzt 5 Jahren hat sich die Spieleschmiede ja schon ziemlich weiterentwickelt. Zu Beginn waren nur wenige Projekte in größeren Abständen aktiv, mittlerweile betreuen wir circa 50 Projekte mit unserem Team.

Frank: Wir versuchen jedoch zukünftig mehr und mehr A Projekte in die Spieleschmiede zu holen. Mit zunehmenden Erfolg und unserer inzwischen viel besseren Vernetzung in der internationalen Spieleszene wird das auch einfacher.

 

Welches Projekt würde euch persönlich eigentlich aktuell am meisten reizen?

Sven: Um es in die Spieleschmiede zu bringen? Da freue ich mich sehr auf einige Termine auf der GenCon, beispielsweise treffen wir den Verlag von „Who goes there“, das wie ich finde super aussieht!

Frank: Ich hoffe ernsthaft auf ein deutsches „Gloomhaven“ und würde auch wahnsinnig gern mal ein Projekt mit Roxley Games zusammen machen.

 

Anmerkung der Redaktion: Ein deutsches „Gloomhaven“?

 

Nun noch etwas Persönlicheres, weg von der Schmiede und zu euch als Person. Da muss jeder hier durch. Ihr strandet auf einer Insel mit genügend Spielpartnern, welche 5 Spiele hättet ihr denn gerne dabei und warum?

Sven: Ich spiele tatsächlich bevorzugt Workerplacement-Spiele, aber auch ein wenig Abwechslung darf nicht fehlen, was leichtes für Zwischendurch, was zum Würfeln, was Lustiges… also „Yedo“, das ich wegen der tollen Flavour-Texte liebe, „Trickerion“, bei dem ich endlich mal die Zuschauerränge komplett erklimmen will, „Can’t Stop“ als all-time Klassiker, ebenso wie „Carcassone“ mit allen Erweiterungen und last, but not least „Tichu“, das ich rund um die Uhr spielen könnte.“

Frank: Ich würde „Half-Pint Heroes“ mitnehmen. Nach gefühlten 5.000 Testrunden macht das immer noch so viel Spaß. Ich freue mich schon, wenn das endlich fertig produziert und ausgeliefert ist. „Roll for The Galaxy“ würde ich einpacken, weil ich als SciFi-Fan das Spiel aktuell am liebsten bei jedem Spieleabend grinden würde. Ich finds einfach geil. Als Klassiker käme das hervorragende „Puerto Rico“ mit. Wenn es unendlich Nachschub an neuen Abenteuern gäbe, würde ich auch „T.I.M.E. Stories“ einpacken. Von allen „Verbrauchspielen“ finde ich das am besten. Und „Seeders“ würde ich auch mitnehmen. Das ist ein echt cleveres Strategiespiel. Ich hab das auf französisch vor zwei Jahren als Proto gespielt und mich sofort verliebt – und ich kann noch nicht mal französisch und brauchte ständig einen Übersetzer… Wenn ich sehe, was Sweet Games da noch alles dran verbessert hat, werde ich schon ganz aufgeregt darauf, die deutsche Version endlich in die Finger zu bekommen.

 

Ihr landet in der Hölle und werdet gequält, indem ihr ein Spiel immer und immer wieder spielen müsst. Mit welchem könnte man euch am meisten quälen und warum?

Sven: Wenn ich jetzt „Takenoko“ sage, bekomme ich Ärger mit meiner Freundin. Das kommt zur Zeit am liebsten bei ihr auf den Tisch. Ansonsten würde ich sagen die Klassiker in dieser Kategorie, allen voran „Monopoly“… muss ich das noch begründen? ?

Frank: Immer das gleiche „EXIT“ Spiel. Das wäre unfassbar langweilig

 

Was wolltet ihr der Spiele-Community schon immer sagen?

Sven: Dass es unglaublich viel Spaß macht, gemeinsam mit euch die zahlreichen tollen Projekte in der Spieleschmiede zu realisieren. Macht weiter so, ihr seid spitze!

Frank: Ich bin froh, dass ich in einer Szene arbeiten kann, in der irgendwie alle Leute cool sind und es fast immer recht herzlich zugeht. Und mit Szene meine ich nicht nur die „Profis“, sondern vor allem auch die Spieler. Ich fühle mich da immer willkommen und gut in ihrer Gesellschaft aufgehoben. Einen besseren Job kann ich mir nicht vorstellen. Danke, dass ihr so seid.

 


Wir bedanken uns für eure Zeit und das schöne Interview. Gleichzeitig wünschen wir euch weiterhin viel Erfolg, so dass wir noch viele interessante Projekte über die Spiele Schmiede erhalten. Und über das deutsche „Gloomhaven“ müssen wir nochmals reden… ?

Neben den in den Bildern verlinkten Projekten findet ihr die jeweils neuesten Projekte unter: Spiele Schmiede

Portrait-Christian Renkel-quadratisch-2
Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Danke für deine Meinung